Angang

[23] Angang, mhd. aneganc, auch widergane, widerlouf heisst eine im Mittelalter weit verbreitete Art von Aberglauben, wornach der Gegenstand, auf den man frühmorgens, beim ersten Ausgang oder beim Unternehmen einer Reise unerwartet stiess, sei es Tier, Mensch oder Sache, Heil oder Unheil bezeichnete und das Beginnen fortzusetzen oder anfzugeben mahnte. So weit der Angang Menschen betrifft, so galt als unheilbringend der Angang eines alten Weibes, einer Frau mit fliegenden Haaren oder aufgelöster Kopfbinde, eines geweihten Priesters, eines Blinden, Hinkenden und eines Bettlers; für gut galt dagegen der Angang eines Höckerichten und Aussätzigen, und die Begegnung eines Gehenden günstiger als die eines Reitenden, ungünstig aber die eines Wassertragenden. Von Tierangängen gilt als günstiges Zeichen der heulende und fortgehende Wolf, dessen Begegnen Mut und Hoffnung einflösst, während der feige furchtsame Hase als entmutigendes Zeichen betrachtet wird. Dem Wolf zur Seite stehen Hirsch, Eber u. Bär. Des Fuchses Angang wird verschieden gedeutet. Wer bei frühem Ausgang Schweinen begegnet, wird unwillkommen sein, wer Schafen, willkommen; oder es heisst: als willkommener Gast wird der Wanderer empfangen werden, wenn ihm die Schafe rechter Hand, als unwillkommener, wenn sie ihm linker Hand aufstossen. Noch feiner ausgebildet war der Angang der Vögel. Namentlich waren unter den Wegvögeln (so heissen diejenigen, deren Begegnen vorbedeutungsvoll ist) die krimmenden Raubvögel von Bedeutung, die über andere Vögel Sieg errangen,[23] folglich auch den Helden Siegeserfolg weissagen konnten, daher spielen auch in Träumen Raubvögel die erste Rolle. Fliegen zur rechten Hand galt wie bei den Alten so auch im Mittelalter für glücklich, zur linken unglücklich. Besonders häufig wird die Krähe genannt, dann Specht, Elster, Schwalbe. Eine besondere Art des Vogelangangs ist der Überflug einiger Vögel: gefeierten Helden gaben Adler Schatten vor der Sonne durch Überbreiten ihrer Flügel. Oft ist es nicht der Flug und Angang der Wegvögel, was dem Menschen Heil oder Unheil bringt, sondern ihr Aufenthalt an der Wohnstätte der Menschen. Schwalbe und Storch sind Glücksvögel; ein Leichvogel oder Trauervogel ist die Eule, die deshalb auch Klagemuhme, Klagemutter, Klageweib heisst. Von leblosen Gegenständen dieser Art werden in erster Linie Flammen für weissagend gehalten; wenn sie sich den Kriegern an Helm oder Speer setzten, galten sie als Vorzeichen des Sieges. Sonst galten besonders gefundene, gebettelte oder gestohlene Sachen als heilsam oder schädlich. Grimm, Mythologie, Kap. 35. Wuttke, Volksaberglaube §§ 262 ff.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 23-24.
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