Astrologie

[39] Astrologie wurde im Altertum derjenige Wissenszweig genannt, welcher sich zum Ziele setzte, die Beziehungen der Bewegungen der Himmelskörper zu den Vorgängen auf der Erdoberfläche zu ergründen. In diesem Sinne war der Ausdruck Astrologie mit Astronomie früher synonym, so noch bei Aristoteles. Im Orient, wo der Ursprung der Astrologie freilich in einer Zeit, aus der uns Urkunden fehlen, zu suchen ist, ist der Verlauf der Witterungserscheinungen in den verschiedenen Jahreszeiten ein so regelmässiger, dass sich sehr leicht und ungezwungen Beziehungen zu den Konstellationen am Himmelsgewölbe ergaben. Über die Natur dieser Beziehungen konnte die damalige Zeit freilich noch nicht die richtigen Ideen haben. Es ist z.B. vollkommen richtig, dass damals die Sonne im Sternbild des Löwen ihre grösste Kraft erreichte, dass bei ihrem Eintritt in dasjenige des Wassermanns die Regenzeit begann u.s.w., aber die Annahme ist eben durchaus falsch, dass es die in jenen Himmelszeichen stehenden Sterne waren, welche der Sonne die erhöhte Kraft verleihen oder die Niederschläge veranlassen etc. Es war also in diesem System der sogenannten natürlichen Astronomie Wahres und Falsches mit einander verkettet, und die Wissenschaft hat eine schwere und grosse Aufgabe, das Unrichtige wieder auszuscheiden und auf die wahren Ursachen der Vorgänge auf der Erde hinzuweisen. Neben dieser natürlichen Astrologie gelangte aber auch die sogenannte judizierische A. zur Ausbildung, deren Ursprung in der Religion liegt. Nach der alten chaldäischen Auffassung waren die Sterne himmlische Geister, und man verehrte sie als solche. Die Priester brachten den Gestirndienst in ein förmliches System. Der griechische Geschichtschreiber Diodor von Sicilien sagt (II, 31), dass nach der Ansicht der Chaldäer die Planeten auf die Geburt des Menschen den grössten Einfluss ausüben, im Guten wie im Schlimmen und durch die Beobachtung und Erkenntnis ihres Wesens seien sie (die Priester) vorzüglich imstande zu wissen, was den Menschen zustossen werde. Die äussern Erscheinungen der Planeten boten allerdings der Phantasie Stoff zur Ausbildung eines astrologischen Systems, und dieses wurde eben beibehalten, als später die Planeten nicht mehr als die Götter selbst, sondern nur noch als ihre Symbole, betrachtet wurden, ja sogar als jeder Zusammenhang mit Mythologie und Religion verschwunden war. In Griechenland fand die Astrologie erst Eingang, als unter dem Einfluss der Philosophie der Glaube an die einheimischen alten Götter ins Schwanken geriet. Die schwärmerischen Lehren der Neuplatoniker riefen eine ganze Reihe von sogenannten geheimen Wissenschaften (Dämonologie, Nekromantie, Cheiromantie u.s.w.) hervor, welche alle zur Astrologie in ein gewisses Verhältnis traten. Als Autorität sollte der gefeierte alexandrinische[39] Gelehrte Claudius Ptolemäus gelten. Es ist indessen fast unzweifelhaft, dass unter den ihm zugeschriebenen astrologischen Schriften nur die eine wirklich von ihm stammt, die »apparentiae stellarum inerrantium« eine Art meterolog. Kalenders, welche die Lehren der natürlichen Astrologie enthält; und dass namentlich der sogen. Tetrabiblos ihm untergeschoben wurde. Bei den Römern war die judizierische Astrologie mehr gefürchtet als geachtet. Durch die ganze Kaiserzeit hindurch spielen die astrologischen Prophezeiungen, obwohl gesetzlich verboten, eine grosse Rolle. Cicero war einer der wenigen, welcher sie mit trefflicher Waffe, derjenigen der Vernunft, bekämpfte. Später finden wir die Astrologie in ihrer höchsten Blüte bei den Arabern. Der sogen. Fatalismus, die Lehre von der Vorausbestimmung aller Schicksale des einzelnen, musste der Astrologie die weiteste Ausbildung und Verbreitung sichern. Auf den islamitischen Schulen wurde daher die Astrologie und das Nativität- oder Horoskopstellen, d.h. die Bestimmung des Lebenslaufes des Neugeborenen aus der Konstellation der Geburtsstunde, öffentlich als Kunst gelehrt. Die arabische Astrologie fand im 12. und 13. Jahrhundert auch im christlichen Europa Eingang, trotzdem die Kirche von Anfang an eine oppositionelle Stellung gegen sie eingenommen hatte, da sie mit dem Prinzip der Willensfreiheit im Widerspruch stand. Alphons X. von Castilien und Ludwig XI. von Frankreich waren eifrige Astrologen. Ersterer leistete damit auch der Astronomie grosse Dienste. Wenn auch ausschliesslich im Dienste der Sterndeuterei veranlasst, so war doch die Berechnung neuer astronomischer Tafeln, welche bis auf Kepler die besten waren, von grosser Wichtigkeit für die theoretischen Untersuchungen über den Lauf der Planeten. Wie früher in Bagdad, so wurde später auch auf den hohen Schulen zu Padua und Bologna die Astrologie in streng wissenschaftlicher Form gelehrt. Es sei hier ferner nur an die Namen Guido Bonatus, Nostradamus, Cardanus, Pietro di Abano, Agrippa von Nettesheim erinnert, die alle unzertrennlich mit der Astrologie verknüpft sind. Am meisten begünstigten die Höfe die Astrologie, wo es geradezu als unerlässlich galt, hochgestellten Personen das Horoskop zu stellen. Schiller führt uns in seinem Wallenstein ein Beispiel dieses ganz allgemeinen Gebrauchs vor. In sehr enge Beziehungen zur Astrologie trat die Alchemie; es ist kein Zufall, dass in den unterirdischen Gewölben der Uranienburg, wo Tycho seine denkwürdigen Planetenbeobachtungen anstellte, gleichzeitig grosse Laboratorien der Alchemie dienten. Zu betonen ist, dass nicht etwa das copernikanische Weltsystem als solches der Astrologie den Todesstoss gab, sondern erst die Keplerschen Gesetze. Copernicus gab auch berichtigenden Aufschluss über die Stellung, die Distanzen und die Bewegungen der Planeten. Die Ursachen der letztern aber hat er nicht, ja nicht einmal die Form derselben ermittelt. Erst Kepler leitete die Bewegungen der Himmelskörper aus den physischen Bedingungen der wirkenden Kräfte ab, und damit erst war der Astrologie der Boden entzogen. Die Zeit und Not hat freilich auch Kepler zuweilen veranlasst, astrologische Spekulationen zu machen, aber oft genug hat er sich darüber ausgesprochen, was er eigentlich von der Kunst halte, um deren Ausübung man ihn so oft gebeten. Nachdem durch die Werke Keplers und des späteren Newton der Astronomie der Weg deutlich vorgezeichnet war, der sie von ihrer Mutter, der Astrologie trennte, musste natürlich das stolze[40] Lehrgebäude der letzteren zerfallen. Einzelne Trümmer derselben haben sich indessen, wenn auch nach mancherlei Metamorphosen, bis auf unsere Zeit erhalten und bilden noch heutzutage einen wesentlichen Teil des Volksaberglaubens. R.B.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 39-41.
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