Evangelienharmonien

[165] Evangelienharmonien heissen Zusammenstellungen der vier Einzelevangelien in einem Gesamtevangelium. Der erste, der dieses that, ist der Assyrer Tatian, der, von sektiererischem Interesse geleitet, die evangelischen Berichte mit willkürlichen Auslassungen, z.B. der Genealogien zusammenstellte; dieses Werk, einst beliebt, ist verloren gegangen. Ebensowenig erhalten ist die Harmonie des Alexandriners Ammonius, Lehrers des Origenes, um 224, der sich die Aufgabe stellte, den vollständigen Text der vier Evangelien zusammenzustellen. Erhalten ist bloss die vom Bischof Viktor von Capua neu redigierte lateinische Evangelienharmonie aus dem 6. Jahrh., deren Originalhandschrift durch Bonifazius nach Fulda gebracht und hier ins Deutsche übersetzt wurde, herausgegeben von Schmeller 1841, und Sievers, 1872. Mit dem Namen Evangelienharmonie benennt man auch die beiden christlich-deutschen Epopöen des 9. Jahrh., diejenige des Otfried und den angelsächsischen Heliand, und endlich eine jüngere Bearbeitung des von der Frau Ava um 1100 gedichteten Lebens 'Jesu, welche jüngere Bearbeitung man die Görlitzer Evangelienharmonie nennt.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 165.
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