Hörnerner Siegfried

[434] Hörnerner Siegfried heisst der Held einer nur in Drucken des 16. Jahrhunderts erhaltenen und im Hildebrandston, d.h. in der späteren Nibelungenstrophe verfassten Dichtung liet vom hürnînen Sîfrit, welches die Abenteuer des Helden, seine Drachen- und Riesenkämpfe bis zu seiner Vermählung mit Kriemhild und zu dem mordlichen Anschlag seiner Schwäger führt; dieses und ein verlorenes Lied von Siegfrieds Hochzeit sind die Quellen des prosaischen Volksbuches vom gehörnten Siegfried, welches den Titel fuhrt: »Eine wunderschöne Historie von dem gehörnten Siegfried, was wunderliche Ebentheuer dieser theure Ritter ausgestanden, sehr denkwürdig und mit Lust zu lesen«, Köln und Nürnberg, gedruckt in diesem Jahr. Der unbekannte Verfasser des bis jetzt nicht datierten Buches giebt zwar als Quelle eine französische Urschrift an, aber ohne Zweifel bloss um sein Buch dadurch zu empfehlen. Der Inhalt der Sage ist folgender: Chriemhild, die Tochter des Königs Gibich, ist von einem Drachen geraubt und wird auf einem Felsen gefangen gehalten; in fünf Jahren wird jener wieder Mensch werden, seine schöne Gefangene heiraten und sie dann zur Hölle fahren lassen. Siegfried, der Held aus den Niederlanden, der durch das Fett eines getöteten Drachen unverwundbar geworden ist, einen Fleck zwischen den Achseln ausgenommen, hat sich nun auf der Jagd verirrt und trifft auf den Zwerg Euglein, Nibelungs Sohn, der ihm Chriemhildens Schicksal erzählt. Siegfried lässt sich von ihm nach dem Drachenstein führen, besiegt den Riesen Kuperan und zwingt ihn zum Dienste, wird aber beim Besteigen des Felsens von dem Riesen meuchlings zu Boden geschlagen und nur durch Engleins[434] Tarnkappe gerettet. Von neuem besiegt, muss Kuperan dem Siegfried die Burg aufschliesen und ihm das Schwert geben, womit der Drache allein getötet werden kann; mit dessen Hilfe erlegt Siegfried den Drachen und befreit die Jungfrau. Dann holt er den Nibelungenhort, versenkt ihn in den Rhein, feiert zu Worms mit Chriemhilden Hochzeit und wird endlich an der Quelle vom grimmen Hagenwald erschlagen.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 434-435.
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