Minnesänger

[658] Minnesänger. Der Name minnesinger oder minnesenger wird zwar vereinzelt von höfischen Dichtern verwendet, aber keineswegs als stehender technischer Ausdruck für die lyrischen Dichter höfischen Standes; in allgemeine Aufnahme kam das Wort erst, seitdem Bodmer und Breitinger ihre »Sammlung von Minnesingern« 1758 und 1759 hatten erscheinen lassen. Häufiger sagte man im Mittelhochdeutschen singaere, singer, wenn man die Lyriker getrennt von den Epikern benennen wollte; da aber die Lyrik auch die Form des ungesungenen [658] Spruches unter sich begreift und überhaupt bei den Lyrikern dieser Periode das Singen dem Dichten untergeordnet ist, so konnte singer nur in besonderen Fällen Anwendung finden; Minnesinger hiess man wohl einen Lyriker, insofern er dem Frauendienst gewidmete Dichtungen verfasste; aber einesteils kennt diese Lyrik neben dem immerhin vorherrschenden Frauendienst doch auch den Herren- und Gottesdienst, und andererseits ist das Motiv der Minne nicht minder im höfischen Epos zu Hause als in der Lyrik, nur dass man jenes freilich nicht mehr sang, sondern las. Auffallend ist immerhin, dass sich in Deutschland nicht ein Name allgemeine Geltung verschafft hat, mit dem man den höfischen Dichter kurz und deutlich benennen konnte, ähnlich dem provençalischen Troubadour und dem nordfranzösischen Trouvère, das ist Finder, Erfinder. Die Ursache dieses Mangels liegt darin, dass in Deutschland die Dichter keinen so geschlossenen Stand bildeten, wie dieses in Frankreich der Fall war, sondern nach Lebensführung, Art des Erwerbes, Dienstverhältnissen, Kunst und Verhältnis zu den Frauen sich mehr als jene den allgemeinen Lebensformen unterordneten, die damals die herrschenden waren. Vgl. die Artikel Frauen und Höfische Dichtung und die schöne Abhandlung Uhlands, Der Minnegesang, im fünften Bande von Uhland's Schriften.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 658-659.
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