Reifröcke

[826] Reifröcke trugen die Spanierinnen zuerst und zwar im 16. Jahrhundert; unter dem Namen vertugalles oder vertugadins, »Tugendwardeinen.« Von da aus fanden sie in Frankreich Eingang, welches sie in kurzer Zeit auch in den übrigen europäischen Staaten zur Modesache machte, wie lächerlich und unbequem sie auch erscheinen mussten. Neben den eisernen Reifen, »Springer«, kamen Drahtgeflechte und Feigenkörbe zur Verwendung und Hessen die Röcke in faltenloser Glockenform erscheinen. Vorn waren diese bald offen, damit das Unterkleid durchscheine, bald geschlossen; bald sind sie länger, bald kürzer. Im Sommer trug man sie ohne Gürtel, sodass sie nur am Halse den Leib berührten; im Winter wurden sie um die Hüfte gegürtet. Ihre grösste Bedeutung und Verbreitung hatten sie um 1730, während sie schon zur Zeit Ludwigs XV. am Hofe aufgegeben und erst wieder durch Maria Antoinette in Schwung kamen, diesmal platt von vorn nach hinten, an den Hüften aber breit. Sie verschwanden aber bald wieder, um nach einer kurzen Pause der »culs de Paris« Platz zu machen, die aber ebenfalls nur kurze Zeit sich halten konnte. Mit dem Beginne der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts kam der Reifrock als »Krinoline« wieder auf, freilich auch diesmal nur auf kurze Dauer. Der »gute Geschmack« wird ihn aber ohne Zweifel wieder auf die Weltbühne rufen.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 826.
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