Spruch

[930] Spruch. In der höfischen Lyrik benennt man mit diesen Namen seit Simrock im Gegensatz zu Lied und Leich die einzeln stehende, meist grössere, aus langen Versen bestehende, manchmal dem Gesetz der Dreiteiligkeit nicht unterworfene Strophe, die mehr gesagt als gesungen wurde; wenigstens wird bei ihr nirgends musikalischer Begleitung erwähnt; der Spruch, der sich erst allmählich vom gesungenen Liede lost, dient besonders politischem, gnomischem und satirischem Inhalt und nimmt daher um so mehr zu, als die hochgespannte, religiöse und dem Frauendienst gewidmete Empfindung abnimmt. Die bedeutendsten Sprüche stammen von Walther von der Vogelweide.

In anderer Bedeutung erscheint Spruch als Name eines gesprochenen Gedichtes belehrenden Inhaltes, unter Umständen eines Gedichtes in Reimpaaren überhaupt. Solche Dichtungen lösen sich langsam seit dem 12. Jahrhundert von den epischen Dichtungen ab; im 13. Jahrhundert am Abschluss der Blütezeit der höfischen Dichtung stehen die drei berühmten Spruchgedichte Freidanks Bescheidenheit, der Welsche Gast des Thomasin von Zirklar und der Renner des Hugo von Trimberg. Von dieser Zeit nimmt mit der Abnahme der erzählenden Dichtungen diese gereimte Spruchweisheit bis ans Ende des Mittelalters stetig zu; der Winsbeke und die Winsbekin, Lehren und Ermahnungen eines adeligen Vaters und einer adeligen Mutter an Sohn und Tochter enthaltend, gehören noch der guten Zeit an. Es treten dann Tierfabeln, kleine weltliche und geistliche, märchenhafte und allegorische Erzählungen in diesen Kreis; nach einer Pause erscheint am Ende des 15. Jahrhundert Sebastian Brants Narrenschiff, mit seinen Nachahmungen (vergl. den Artikel Narrentum), bis endlich bei Hans Sachs alles Spruch heisst, was weder gesungenes Lied noch gespieltes Drama ist, mag es nun im besonderen der Erzählung, der Allegorie, dem Lobspruch, dem Schwank, dem Gespräch, dem Traum etc. angehören. In dieselbe Kategorie gehören endlich die zahllose Menge von Einzelsprüchen, welche in diesen Jahrhunderten der Lehrhaftigkeit überall angebracht wurden, an Häusern, Brücken, auf Schwertern, Truhen, auf Wappen, Glas- und anderen Gemälden, Gläsern, Humpen, Krügen, Salzgefässen, Öfen etc. Vergl. Wichmann, die Poesie der Sinnsprüche und Devisen, Düsseldorf, 1882.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 930.
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