Wechsler

[1071] Wechsler. Die ausserordentliche Verwirrung der Münzverhältnisse im Mittelalter, die Ausbeutung des Münzregals von seite der Territorialherrschaften, überhaupt die allgemeine Verschlechterung der Münzen, alles dies verlangte mit Notwendigkeit die Ausbildung des Institutes der Wechsler. Unter diesen kann man einheimische deutsche und fremde Wechsler unterscheiden. Zu den einheimisch deutschen Wechslern gehören in erster Linie die Dienstmännischen oder patrizischen Geschlechter in einigen Städten, welche eine eigene Zunft, die Hausgenossen, unter dem Münzmeister bildeten; diese besassen ausser dem eigentlichen Münzrecht als Lehen das ausschliessliche Vorrecht, in den Städten Geld wechseln zu dürfen; sie hatten dem zufolge den Namen campsores, cambiatores, Wechsler. Das Privileg hing damit zusammen, dass die Münzer als die Münzschauer das Recht und die Pflicht hatten, die probehaltige Münze zu versiegeln, die nicht probehaltige zu zerschneiden, überall nach der Echtheit der Münzen zu sehen und alle beträchtlichen Zahlungen zu kontrolieren. In Litauen und Polen, Krakau und Breslau besorgten dagegen lediglich angesehene Kaufleute den Geldwechsel der grossen Beträge einheimischer Geldarten, die aus diesen Gebieten seit dem 12. Jahrhundert in Baarsendungen als Abgaben an den päpstlichen Hof gingen. Vielleicht aus den Hausgenossen hervorgegangen findet man drittens seit dem 13. Jahrhundert eine Zahl von Nebenwechslern, die, unter der Aufsicht der Hausgenossen stehend oder unabhängig neben ihnen gegen Kaution und Abgaben von den städtischen Obrigkeiten Erlaubnis zum Wechseln erhalten. Sie betreiben fast lediglich den Handwechsel, Geldtransport und das Hinleihen von Darlehen gegen Pfänder, nehmen auch Depositen an und besorgen Wechsel auf Bestellung, indes nicht nach entfernten Zahlungsorten. Sie finden sich besonders in norddeutschen Städten, Lübeck, Hamburg, Breslau, in Preussen und Polen. Viele derselben besassen erbliche Wechselbänke, die sie nach Belieben vor dem Rate übertrugen und die meist nahe dem Rathause und der späteren Börse stehen. Fremde Wechsler aus Italien und Südfrankreich waren namentlich in Süddeutschland ansässig. Schon seit dem 8. Jahrhundert hatten die italienischen Haupthandelsplätze Amalfi, Ankona, Venedig, dann französische Handelsorte Niederlassungen im Orient zur Ausbreitung des Handels errichtet, und die Blüte dieser Niederlassungen hatte die ihnen besonders nützlichen Kreuzzüge überdauert. Daraus entstand nun der weitverzweigte Geld- und Warenhandel der italienischen Kaufleute und Wechsler (Bankhäuser) über Frankreich, die Niederlande und England. Die Kommanditen der grossen italienischen Bankhäuser folgten den Kaufleuten in die Fremde, um ihnen bei Regulierung des von ihnen im Eigenhandel übernommenen Geldes erwünschte Dienste zu leisten. In derselben Weise verschafften sie sich auch als Kaufleute wie als Wechsler Eingang in Süddeutschland. Man findet sie hier im 13. Jahrhundert[1071] in Worms, im 14. Jahrhundert in Siegburg bei Bonn, Bingen, Solothurn, in Nürnberg seit dem 15. Jahrhundert. Sie tragen den Namen Lombarden, Lamparter, Lummerte, Walen, Kawertschen (siehe den besondern Artikel). Vereinzelt zeigen sie sich auch in Norddeutschland, z.B. in Lübeck und Breslau. Eine dritte Gruppe von Wechslern bilden die Juden, welche von einzelnen Landesherren das Privileg des Wechselrechtes erhalten.

Von den Geschäften der italienischen Wechselhäuser betreiben die Wechsler in Deutschland vornehmlich nur drei, den Handwechsel, das Darlehn und den Wechselbetrieb, doch betreiben die Deutschen und Judenwechsler den Wechselbetrieb innerhalb kleinerer Entfernungen innerhalb Deutschland; über Deutschland hinaus, namentlich nach Frankreich und Italien, pflegen ihn die italienischen Wechsler. Eine grosse Zahl der Wechsler liess sich ohne Zweifel neben ihrem kaufmännischen Gewerbe an dem Gewinne des Handwechsels genügen, während andere die stete Bereithaltung von Darlehen meist in kleiner Summe und auf kurze Zeit daran knüpften. Neben solchen privaten Darlehnsbanken wurden mit der Zeit durch kaiserliches oder landesherrliches Privileg von den städtischen Obrigkeiten städtische Wechselbänke und Leihhäuser angelegt.

Da jedoch diese Institute, soweit sie nicht von Juden betrieben wurden, gegen das allgemeine kirchliche Wucherverbot des Mittelalters waren und doch nicht entbehrt werden konnten, richtete die Kirche eigene Darlehnsbanken für die geldsuchenden Bedürftigen ein, die sie berge der miltikeit, montes pietatis nannte, und wo dem kanonischen Glaubenssatze getreu gar keine Zinsen von dem Darlehnsnehmer gefordert werden sollten; geistliche Mittel sollten zur Herbeischaffung des nötigen Kapitals angewandt werden: Vermächtnisse, Schenkungen frommer reicher Leute, Beförderung zu akademischen und anderen Würden, zum Adel, für die, welche angemessene Einlagen in die montes thaten; unehelich Geborene werden der Rechte der ehelich Geborenen teilhaft, und wer der Verwaltung der montes unentgeltlich Gehilfendienste widmete, dem versprach man den Lohn des Himmels. Da jedoch die frommen Spenden bald versiegten, sah sich die Kirche gezwungen, zur Deckung der Geschäftsunkosten und der Verluste einen geringen Betrag von jährlich 10–15% zu fordern; den Begüterten aber, falls sie ihre Gelder eine längere bestimmte Zeit den montes zinslos überliessen, versprach man die Summen nach Ablauf der Zeit vervielfacht zurückzubezahlen, und so kam es erst in Italien, dann auch in Deutschland in Gebrauch, dass ein Vater nach der Geburt einer Tochter die Mitgift der letzteren sogleich in die Kasse der montes zahlte, um nach deren achtzehntem Lebensjahre den zehnfachen Betrag dem Verlobten des Mädchens einzuhändigen; heiratete das Mädchen früher, so ging das Kapital an die jüngere Schwester über, und fiel, wo eine solche nicht existierte, der Kasse der montes anheim.

Die weiteren Funktionen der italienischen Wechsler übernehmen in Deutschland die Genossenschaften der Kaufleute und die städtischen Behörden, namentlich das grosse Darlehns- und Depositengeschäft, die Akkomenda und den Wechselumlauf. Nach Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland, Halle 1865.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1071-1072.
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