Aiax

[153] AIAX, ácis, Gr. Ἄιας, αντος, ( Tab. XXI.)

[153] 1 §. Namen. Er führet zum Unterschiede von dem andern Aiax den Beynamen Oilei, Homer. Iliad Β. v. 527. von seinem Vater, dem Oileus, wird aber auch vielfältig Aiax Oileus geheißen, Dictys Cret lib. I. c. 17. Conf. Muncker. ad Hygin. Fab. 81. pag. 156. welches so viel, als Oilejus ist. So wird er auch Locrus beygenannt, weil er dergleichen von Nation war, Hygin. Fab. 113. & Schol. Homer. ad Iliad. Ν. v. 66. oder auch secundus und minor, d.i. der kleinere, weil er dem andern Aiax weder an Thaten, noch an Statur gleich kam. Stat. Achill. I. v. 501. & ad eum Schol. Vet. l. c. Cf. Hom. Il. Β. v. 527.

2 §. Aeltern. Sein Vater, wie schon gesaget, war Oileus, des Leodacus, und der Agrianome Sohn; Hygin. Fab. 14. seine Mutter aber Rhene, eine Nym phe. Id. Fab. 116.

3 §. Thaten. Er gab erst einen Freyer um die Helena mit ab, Apollod. lib. III. c. 9. §. 1. und, als solche von dem Paris war entführet worden, gieng er mit 20, Hygin Fab. 97. oder, wie andere wollen, mit 40 Schiffen seiner Leute mit vor Troja. Homer. Iliad. Β. v. 534. Er hielt sich auch in diesem Kriege gar wohl, und erlegete bis 24 Feinde, Hygin. Fab. 114. unter welchen insonderheit Carkanus und Gauius, Id. Fab. 113. oder, wie sie wahrscheinlicher geheißen, Gargasus und Agavus, Muncker. ad Hygin. l. c. berühmt sind. Allein, als die Stadt erobert wurde, so vergieng er sich sehr, indem er die Cassandra, des Priamus Prinzeßinn, in dem Tempel der Minerva antraf; und, ungeachtet sie die Statüe solcher Göttinn, als deren Priesterinn sie zugleich war, umfasset hatte, zog er sie dennoch bey den Haaren mit solcher Gewalt von da hinweg, daß sie das Palladium zugleich mit von seiner Stelle hinweg riß, Pausan. Phoc. c. 26. wie es auf der ilischen Tafel n. 60. abgebildet ist. Cf. Beger. bell. & excid. Troj. p. 58. Er mishandelte sie darauf ungescheut selbst in dem Tempel, Virgil. Aen. II. v. 403. & Serv. ad eumd. Aen. I. v. 41. itemq Hyg. Fab. 116. wofür er aber auch nach des Ulysses Rathe beynahe wäre gesteiniget worden.[154] Pausan. l. c. c. 31. p. 668. wofern er sich nicht noch mit einem Eide gereiniget und behauptet hätte, Agamemnon gäbe solches nur aus Neide vor. Paus. l. c.

4 §. Tod. Weil besagte Cassandra dem Agamemnon sehr wohl anstund, so geriethen sie darüber in Streit; und weil ihm Agamemnon allzumächtig war, so mußte er die Flucht ergreifen. Indem er sich aber mit einem Kahne in die See wagete, so gieng er damit bey den caphareischen Klippen zu Grunde. Philostrat. apud Meursium ad Lycophr. v. 390. Doch wollen andere, daß er bey der allgemeinen Zurückkehr von Troja mit seinen Leuten dergestalt von dem Sturme befallen worden, daß er an dem caphareischen Felsen Schiffbruch erlitten, und in solchem annoch von der Minerva, wegen Verunehrung ihres Tempels, mit Jupiters Blitze erschlagen worden, da er denn von den Wellen an die Felsen angetrieben wurde, die von ihm hernach die Petræ Aiacis genannt worden. Hygin. Fab. 116. Allein, noch andere wollen, er habe sich bey solchem Schiffbruche auf einen Felsen gerettet: da er aber dabey die Götter aufs heftigste gelästert und gemeynet, es sollten ihm dieselben das Leben doch nicht nehmen können, so habe Neptun, auf der Minerva Veranlassen, mit seinem Dreyzacke an den Felsen gestoßen, der sich denn gespalten, und ihn mit der Hälfte, worauf er gesessen, auch in der See bedecket. Quint. Calab. Paral. Lib. XIV. v. 547–588 Senec. Agamem. Act. III. v. 141. seqq. Jedoch soll er auch, nach einiger Meynung, endlich selbst von der Thetis bey Tremonte in der Insel Delus begraben worden seyn. Tzetz. ad Lycophr. v. 387. Ja, einige wollen gar, daß er sich endlich noch durch Schwimmen gerettet habe, Timæus Locrus ap. Lud. Smids in Scena Troica, Num. V. wogegen aber auch wiederum andere vorgeben, daß er der einige von den troianischen Heerführern sey, welcher in der Hölle seine Strafe und Pein leiden müsse. Lucian. apud eumd. l. c.

5 §. Gestalt und Eigenschaften. Er soll hurtig und klein von Statur, oder [155] doch wenigstens kleiner, als der andre Aiax, gewesen seyn, einen leinen Brustharnisch getragen haben, und unter allen Griechen am fertigsten mit der Lanze werfen können. Homer. Il. Β. v. 527. Andere dagegen melden, er sey vierschrölig, von starken Gliedmaßen, einem adlerartigen Körper, angenehm und tapfer. Dares Phrygius c. 13. Ja, einige wollen gar, daß er 3 Hände gehabt habe, welches andere auf deßen Fertigkeit mit dem Gewehre umzugehen, deuten. Serv. ad Virg. Aen. I. 45.

6 §. Verehrung. Es finden sich nicht nur bis jetzo noch Münzen, die ihm die Lokrenser zu Ehren haben schlagen lassen, mit der Ueberschrift, ΛΟΚΡΩΝ, worauf er nach Art der meisten Götter und Helden, nackend, jedoch mit einem Helme auf dem Haupte, Schilde am linken Arme, und einem Schwerte in der rechten Hand also gebildet wird, als ob er eins mit dem Feinde wagen wolle; Lud Smids Scena Troica. Fig. V. Beger. Thes. Brand. T. I. p. 318. sondern es hielten ihn eben diese seine Landesleute auch ehemals so hoch, daß sie in ihren Schlachten allemal einen Platz für ihn leer ließen. Als sich auch dessen einsmals Autoleon, der Krotoniaten Heerführer, zu seinem Vortheile bedienen, und durch solchen Raum unter die Lokrenser einbrechen wollte, so wurde er dergestalt von einem Gespenste, das er daselbst vor sich fand, in die eine Hüfte verwundet, daß er nicht eher wieder konnte geheilet werden, als bis er nach dem Rathe des Orakels des Aiax Geist wieder versöhnete. Con. Nar. 18. Die Trauerspiele, welche Aeschylus Fab. Biblioth. Gr. lib. II. c. 16. §. 7. und Sophokles Id. ib. c. 17. §. 3. von ihm verfertiget haben, sind verloren gegangen.

7 §. Eigentliche Historie. Es wird sich in dem Erzähleten wenig finden, was man nicht den Worten nach dafür annehmen kann, außer dem, was die Minerva und den Neptun in Beförderung seines Todes, und die Thetis mit seinem Begräbnisse anbetrifft, welches aber auch nichts mehr, als poetische Ausschmückungen sind. Banier Entret. XVII. ou P. II. pag. 219.

[156] 8 §. Anderweitige Deutung. Er dienet zum Exempel, daß Unzucht und Entweihung heiliger Oerter, wie auch Uebermuth und Gotteslästerung nicht ungestraft bleiben; sondern wie sehr sich auch ein dergleichen Sünder streube, er dennoch endlich zu Grunde gehen müsse. Omeis Mythol. in Aiax des Oleus Sohn.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 153-157.
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Hederich-1770: Aiax [1]