Schlußwort

Die Aufforderung Jesu: »Komm' und folge mir nach!« hat durch seine Gnade bis auf den heutigen Tag zahlreiche Hörer und Befolger gefunden.

Er selbst ist das undenlich vollkommene Vorbild alles guten und heiligen Lebens, der Anfänger und Vollender des Glaubens, aus welchem der Gerechte leben muß, um selig zu werden.

Die Nachfolge Jesu, das Bestreben, sich Ihm nachzubilden, »gesinnt zu sein, wie Er gesinnt war«, »Ihn anzuziehen«, ist zu allen Zeiten das Ziel aller wahren Christen gewesen, und Viele haben dasselbe in einem so hohen Grabe erreicht, daß die Kirche sie als unsere Vorbilder und Fürsprecherauf die Altäre getsellt, und uns zur Verehrung und Anrufung empfohlen hat.

Die Geschichte der Heiligen zeigt uns in äußerst anziehenden, stets neuen Bildern, bis zu welcher Höhe der Vollkommenheit der schwache Mensch ungeachtet emporzusteigen vermag. Sämmtlich sind sie wahre Helden der Gottes- und Nächstenliebe, der Entsagung und Selbstüberwindung, der Geduld und des Berufseifers, sie mögen was immer für einem Volke, einem Zeitalter, einer Altersstufe, einem Geschlechte angehören. Priester und Laien, Fürsten und Bettler, Gelehrte und Einfältige, Mönche und Weltleute, Ade lige und Bürger, Kinder und Erwachsene stehen sich hierin ganz gleich. Alle haben sie die empfangenen Talente gewissenhaft und treu verwerthet, und sind darum der Freude ihres Herrn theilhaftig geworden.

Dabei ist es für den katholischen Christen ungemein erhebend und begeisternd, zu sehen, wie die Glaubens- und Tugendhelden der neuen und neuesten Zeit für dieselben Wahrheiten und dieselben sittlichen Grundsätze mit demselben Muthe und den nämlichen Waffen gekämpft haben und kämpfen wie jene der ersten christlichen Zeiten.

Die Kirche Gottes in ihren Heiligen ist ebenso continuirlich dieselbe, wie sie es ihren Dogmen und Sittenlehre ist.

»Wir sind Kinder der Heiligen« können wir mit einem Heiligen des alten Testamentes sagen, da wir aus derselben Quelle, der Gnade Gottes, trinken wie sie, denselben Glauben bekennen, denselben Gütern nachstreben und dasselbe Erbe hoffen.

Es war die Aufgabe des Heiligen-Lexikons, die Geschichten aller dieser Helden bis auf die neuesten Zeiten in alphabetischer Ordnung nach ihren Hauptzügen zusammenzustellen und zu beschreiben.

Wir verwahren uns gegen den landläufigen Begriff der Legende. Es handelt sich lediglich um Thatsachen. Man darf am wenigsten Lebensbeschreibungen der Heiligen erfinden. Vielmehr ist die gewissenhafte ste Benutzung der Quellen schon durch die Ehrfurcht vor ihnen geboten.

Ebendeßwegen sind diejenige Heiligenleben am schwierigsten zu behandeln, deren Verehrung und Anrufung durch Jahrhunderte geheiligt und von der Kirche gutgeheißen ist, während ihre Geschichte vollständig im Dunkeln liegt.

Daß in solchen Fällen die Legendenschreiber aller Zeiten dem Verlangen des Volkes nach Lebensbeschreibungen so weit nachgegeben haben, daß sie auf den Grund umlaufender Sagen, wirklicher oder vermeintlicher Erscheinungen und Offenbarungen, alter Gemälde und Bildwerke das Leben des betreffenden Heiligen so schildern, wie es allenfalls sich verlaufen haben mußte, oder wenigstens konnte, ist gewiß nicht zu tadeln, wenn nur die schwachen Fundamente, auf welche diese Arbeit sich stützt, nicht geflissentlich verheimlichet werden. Es ist insbesondere für Erbauungszwecke nicht unerlaubt, nur lückenhaft vorhandene Lebensbeschreibungen der Heiligen dadurch zu erwitern und zu ergänzen, daß man sie dieselben frommen Uebungen machen und Grundsätze aussprechen läßt, welche sich bei andern Heiligen ihres Standes und ihrer Zeit vorfinden, also gewiß auch bei ihnen sich vorgefunden haben.

In unserer Aufgabe lag es nicht, derartige Versuche zu machen.

Unsere Aufgabe war es, das Geschichtliche bei jedem einzelnen Heiligen festzustellen, und sorgfältig von dem Sagenhaften, das sich mit allen großen Persönlichkeiten zu verbinden pflegt, überall zu sondern.

So viel möglich benützten wir die ältesten und zuverlässigsten Quellen mit Einschluß aller jener Bearbeitungen und Monographieen, die uns irgendwie zugänglich waren.

Nur in einem Stücke sind wir von dem ursprünglichen Plane abgegangen. Auch uns scheinen nämlich, wie schon beim Erscheinen der ersten Lieferungen von einigen Seiten geltend gemacht worden ist, die versprochenen zwei Beilagen überflüssig zu sein. Die Attribute der Heiligen sind in jedem einzelnen Artikel berücksichtigt und namhaft gemacht, der Kalender aber ist durch die jedem Heiligennamen beigesetzten Verehrungstage bereits fertig gestellt. Es ist geradezu unmöglich, das schöne Werk von Wessely: »Iconographie Gottes und den Heiligen, Leipzig 1874« zu überholen.

Der raschen und gründlichen Vollendung des Werkes standen hauptsächlich zwei Hindernisse im Wege: meine Berufs- und Amtsgeschäfte, die allem andern vorgehen mußten, und mich vielfach von meiner Arbeit abhielten, und das zuweilen ungestüme Drängen der ungeduldig werdenden Abnehmer, welche manchmal zu einer der Arbeit nicht förderlichen Eile nöthigten. Diese wußten natürlich nicht, daß ich vom letzten Bogen des dritten Bandes angefangen bei weitem die meisten Artikel neu bearbeiten mußte, da die vorhandenen Vorarbeiten wenig mehr boten als die Nomenclatur, das Uebrige aber nicht selten als unbrauchbarer Abklatsch aus andern Legenden sich erwies.

Ich glaube nun freilich nicht, daß die gestellte Aufgabe in den vorliegenden fünf Bänden vollständig gelöst ist, meine aber doch, wenn nicht die bisher erschienenen günstigen Recensionen und die empfangenen aufmunternden Briefe und Zuschriften alle trügen, daß die Leser zufrieden sein können.

Nochmal danke ich allen meinen Mithelfern, die ich jedesmal namhaft gemacht habe, für alle und jede Unterstützung.

Möge das Buch allen Verehrern der lieben Heiligen eine willkommene Gabe, diesen selbst aber eine wohlgefällige Huldigung sein! Das walte Gott!


Zusmarshausen, 26. October 1882.


Ginal.

Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882.
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