Poemen, S.

[948] S. Poemen (Pastor), Abb. Anachor. (27. Aug.). Der heil. Einsiedler und Abt Pömen oder Pömon lebte mit mehreren Genossen in der Scetischen Wüste. Ihre Namen sind: Anub2 (Nuph, Nub), Paesius (Paysius), Simon, Nesteros, auch Cönobite genannt, und Sarmatius, mit dem Zunamen der Jüngere. Ob Alle auch leibliche Brüder zu einander waren, ist nicht zweifellos festgestellt. Sie lebten bereits zur Zeit des Niedergangs des Anachoretenthums. Die »Brüder«, denen sie vorstanden, unterschieden sich kaum anders von den Weltleuten, als daß sie in der Wüste wohnten, und äußerlich noch in den Fußstapfen des hl. Macarius wandelten. Der hl. Pömen aber war nicht nur ein vortrefflicher Lehrmeister des geistlichen Lebens, sondern auch ein Beispiel, an dem sich seine [948] Schüler erbauen und aufrichten konnten. Bereits als zarter Jüngling, man glaubt im J. 385, war er in die Einöde gegangen und hatte allen Strengheiten der alten Einsiedler sich unterzogen. Aber er war weit entfernt, dieselben auch Andern zu befehlen oder auch nur anzurathen. Die Verleugnung des eigenen Willens, der Gehorsam gegen die Obern, die Armuth um Gotteswillen, die Abtödtung der Augen und der Zunge, das stille mit Handarbeit verbundene Nachdenken über geistliche Dinge zählte er zu den vorzüglichen Uebungen eines gottgefälligen Einsiedlerlebens. Seine Lernbegierde zeigt folgendes Beispiel: Als er eines Tages, um sich bei einem Altvater über drei verschiedene Dinge zu befragen, seine Zelle verlassen hatte, konnte er sich nach seiner Ankunft bei dem Altvater des dritten Fragepunktes nicht mehr entsinnen. Zu Hause angekommen, erinnerte er sich beim Anstecken des Schlüssels des vergessenen Punktes und machte sogleich den weiten Weg ein zweites Mal zu dem Einsiedler zurück. Daraus entnahm derselbe seine künftige Größe. »Du heißest Pömen«, sprach er, »d. i. ein Hirt der Heerde; dein Name wird in ganz Aegypten bekannt werden.« Diese Belobung machte ihn nicht hochmüthig, galt ihm aber als Aufforderung, ihrer würdig zu sein. Er übte sich also in jeder Abtödtung, besonders im Stillschweigen und im Fasten. Auf die Frage, warum er Nichts rede, pflegte er zu antworten: »Ich bin gestorben, ein Gestorbener aber kann nicht reden.« Am wenigsten sprach er gern über hohe Dinge. Eines Tages kam ein fremder Einsiedler zu ihm, um ihn persönlich kennen zu lernen, da sein Ruf bereits in weite Ferne gedrungen war, und befragte ihn über wichtige theologische und biblische Fragen. Der demüthige Abt ließ ihn fragen, antwortete aber keine Sylbe. Beim Weggehen beklagte sich der Fremde, eine so beschwerliche Reise ganz umsonst gemacht zu haben. Der heil. Pömen entschuldigte sich, indem er sagte: »Er spricht über lauter himmlische Dinge, von welchen ich nichts verstehe: ich bin nur in niedern und irdischen Regionen zu Hause und rede also nur über solche Dinge. Hätte er von der Seele und ihren Thätigkeiten gesprochen, so hätte ich mit ihm reden können.« Darauf kehrte der Fremde wieder ein, und fand setzt die freundlichste Aufnahme. Seine Nachsicht und Milde gegen Fehlende war außerordentlich. In dieser Hinsicht pflegte er zu sagen: »Wer gut ist, dem soll man einfach Gutes thun, und wer bös ist, dem soll man doppelt Gutes thun, denn er ist krank.« Ebenso sprach er: »Zürne nur, wenn dich Einer von Gott losreißen will.« Auf die Frage, ob der reuige Sünder bei Gott allzeit Verzeihung finden könne, antwortete er mit der Gegenfrage: »Wird Gott, der die Menschen zur Verzeihung verpflichtet, sie nicht um so mehr selbst üben?« Als einmal durch einen zanksüchtigen Bruder die Ruhe des Hauses beständig gestört wurde, wollte er dasselbe verlassen, kehrte aber sogleich wieder zurück, als jener erklärte, mitgehen zu wollen. Ein anderes Mal geriethen die Brüder in so große Uneinigkeit, daß sie sich die Köpfe blutig schlugen. Da ging Anub zu Pömen, um ihm Anzeige zu erstatten. Dieser aber gab ganz ruhig zur Antwort: »Sie sind Brüder, und werden schon wieder gut werden.« Ueberhaupt legte er auf äußerliche Uebungen nur geringen Werth. Einmal fragte ihn ein Bruder, was besser sei, reden oder schweigen. Er gab zur Antwort: »Wer um Gotteswillen redet, thut recht, und wer um Gotteswillen schweigt, thut auch Recht.« Uebertriebene Strenge tadelte er mit den Worten: »Nicht den Leib, sondern die Leidenschaften sollen wir ertödten.« Eines Tags klagte sich ein Bruder einer großen Sünde an, für welche er drei Jahre lang Buße thun wolle. Der heil. Abt erwiderte: »Das ist viel.« Der Bruder sagte: »Aber du erlaubst mir doch ein Jahr?« Wiederum sprach der Greis: »Das ist viel.« Die Umstehenden meinten, er solle ihn vierzig Tage büßen lassen. Aber der heil. Pömen sagte: »Das ist immer noch viel, denn ich versichere euch, wenn der Mensch seine Sünde von Herzen bereut, so wird Gott auch eine dreitägige Buße gnädig annehmen.« Einen andern Bruder, der sich über die vielen bösen Gedanken bellagte, von welchen er angefochten werde, führte er ins Freie, und befahl ihm, mit ausgestreckten Händen und voller Brust den Winden Halt zu gebieten. Er bekam zur Antwort: »Das kann ich nicht!« Der Greis erwiederte: »Ebenso wenig kannst du den bösen Gedanken gebieten, daß sie nicht kommen; deine Pflicht aber ist, ihnen zu widerstehen.« Auch zu strenges Fasten [949] billigte er im spätern Alter nicht mehr, indem er sagte, man solle alle Tage etwas, aber nur wenig genießen, dieser Weg sei der wahrhaft königliche, weil er leicht zu passiren sei. Als er einmal gefragt wurde, ob es erlaubt sei, wegen einer guten Handlung sich zu freuen, gab er zur Antwort: »Ich möchte mir wegen aller Tugenden miteinander nicht einmal etwas Kleines herausnehmen.« Seine Seelenkenntniß war außerordentlich. Einst sprach er zu einem Bruder: »Schon so lang kommst du mir, und willst mir deine Gedanken offenbaren, wenn du aber da bist, sprichst du von andern Dingen, und gehst wieder so ängstlich nach Hause, als du gekommen bist« Auf diese Rede öffnete ihm der Bruder sein ganzes Herz. Er hatte großes Mitleid mit Armen und Unterdrückten, hatte es aber nicht gerne, wenn durch seine Fürbitte der Lauf der Gerechtigkeit unterbrochen werden sollte, und freute sich sehr, wenn er in solchen Fällen kein Gehör fand. Der hl. Pömen war bereits alt, als eines Tags der Präfect ihn zu sehen verlangte. Er ließ ihn nicht zu sich. Erzürnt nahm jener einen Sohn seiner Schwester gefangen, als wäre er eines Verbrechens verdächtig, versprach ihm aber Freilassung, wenn der Alte käme und für ihn bäte. Er that es nicht, obwohl auch die Schwester ihm dringend anlag, sondern ließ dem Präses nur sagen: »Verfahre mit ihm nach den Gesetzen; ist er des Todes schuldig, so sterbe er; wenn nicht, so thue was du mußt.« Sogar seiner Mutter verweigerte er den Zutritt zu ihm; sie solle um Gotteswillen auf seinen Anblick verzichten, ließ er ihr sagen, so werde sie ihn desto schöner im Himmel wieder sehen. In dem Hause eines Priesters, bei welchem er zu Tische saß, wurde Fleisch aufgetragen, von welchem Alle aßen; er aber enthielt sich, weil er fürchtete, daß er Aergerniß geben könnte, wenn auch er Fleisch genösse. Wir dürfen nicht unerwähnt lassen, daß in seinem Leben auch ein Zeugniß der Muttergottesverehrung vorkommt. Als er nämlich nach einer längern Betrachtung gefragt wurde, wo er gewesen sei, sagte er: »Mein Geist war an dem Orte, wo Maria neben dem Kreuze stand; ich wünschte nur, immer so weinen zu können, wie sie geweint hat.« Aus der der großen Zahl der von ihm erhaltenen Denksprüche mögen folgende hier einen Platz finden: »Die Probe der Mönche sind die Anfechtungen.« – »Wie das Beil Nichts vermag ohne die Hand dessen, der es führt, so vermögen auch die Versuchungen Nichts, wenn wir ihnen die Hand nicht bieten.« – »Der Lehrer, welcher nicht thut was er lehrt, ist einem Brunnen vergleichbar, aus welchem Andere trinken und sich reinigen, der aber sich selbst nicht reinigen kann.« – »Mancher Mensch scheint zu schweigen, und spricht dennoch, nämlich wenn er in seinem Herzen über Andere urtheilt; umgekehrt spricht Einer von Morgens bis zum Abend, und übt doch das Stillschweigen, wenn er nämlich nur Nützliches redet.« – »Wenn von drei Personen der Eine in stiller Beschaulichkeit Gott dient, der Andere auf dem Krankenlager Ihm Dank sagt, und der Dritte mit reinem Herzen sein Tagwerk vollbringt, so üben alle drei die nämliche tugendhafte Handlung.« – »In der Trübsal ist ein zweifacher Gewinn: sie bewirkt (Geduld) und bewahrt (vor der Sünde).« – »Wie der Rauch die Bienen vertreibt, so daß man den süßen Honig nehmen kann, so vertreibt die sinnliche Ruhe die Furcht Gottes aus der Seele und zerstört allen Eifer zum Guten.« – »Wenn der Mensch sich sinnlichen Anfechtungen aussetzt, so gleicht er einem Manne, der am Ufer eines sehr tiefen Wassers sieht, und von seinem Feinde leicht hineingeworfen und ertränkt werden kann; hält er sich aber von sinnlichen Anfechtungen ferne, so gleicht er einem Manne, der vom Wasser weit weg ist: sein Feind mag ihn fortschleppen, um ihn hineineinzuwerfen, aber während er sich mit ihm abmüht, sendet ihm Gott die nothwendige Hilfe.« – Einmal trug er den Brüdern, um sie zu belehren, daß man die guten Werke wegen der ihnen anklebenden Fehlerhaftigkeit nicht unterlassen dürfe, folgende Parabel vor: »Es waren zwei Bauern, von welchen der Eine seinen Acker bestellte, aber nur wenig und unreines Getreide ärntete, der Andere aber Nichts ärntete, weil er Nichts gebaut hatte. Wenn nun eine Hungersnoth eintritt, welcher von beiden wird besser daran sein?« Er bekam die Antwort: »Jener, welcher das Wenige und Schlechte geärntet hat.« Da sprach der Greis: »Machen wir's auch so! Säen wir nur! Wenn die Aernte auch nur gering und schlecht ist, werden wir doch nicht Hungers [950] sterben.« – »Das Wasser ist von Natur aus weich, der Stein aber hart, und doch höhlt der Wasserstrahl, der auf den Stein fällt, nach und nach denselben aus. So ist auch das Wort Gottes weich, eure Herzen aber sind hart, wenn aber der Mensch das Wort Gottes oft hört, so wird sein Herz eröffnet, daß es Gott fürchte.« – »Die Mönche, welche in der Einöde sitzen, werden oft vom Gifte des bösen Feindes verbrannt, daher sehnen sie sich nach dem Tag des Herrn, an welchem sie zu den Quellen des heilsamen Wassers kommen, nämlich zum Leibe und Blute des Herrn, damit sie gereiniget werden von der Bitterkeit des Bösen.« (Vgl. Cotel. Eccl. gr. mon. I. 585–637.) Der hl. Abt soll um d.J. 451 in hohem Alter gestorben sein. Ueber sein Grab und seine Verehrung sind wir ohne Nachrichten. Sein Name findet sich im Mart. Rom. und in den Menäen der Griechen, und führt bei diesen die Ehrennamen »Licht der Welt« und »Muster der Mönche.« (VI. 25–43.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 948-951.
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