Rainerius, S. (4)

[33] 4S. Rainerius, Erem. (17. Juni). Die Lebensgeschichte dieses hl. Einsiedlers ist reich an lehrreichen Zwischenfällen und lieblichen Sagen. Seine Jugendzeit verfloß in gleichgiltigem und sündhaftem Weltleben. Er [33] fristete sein Leben mit müßigem, nie ungefährlichem Aufspielen bei Tänzen und Unterhaltungen. Eine Base wies ihn an den gottseligen Albertus Leccapecore, der damals im Vituskloster zu Pisa lebte. Aber noch hatte er nicht entschieden mit der Welt gebrochen. Seine Beicht war nicht aufrichtig. Der gute Hirte redete ihm aber durch seinen hl. Schutzengel so eindringlich ins Gewissen, daß er zu seinem Beichtvater zurückkehrte und unter vielen Thränen alle seine Sünden beichtete. Seine Umwandlung war so gründlich, daß er von seinen Eltern für närrisch gehalten und von den übrigen Leuten verspottet wurde. Da er auch keine Nahrung zu sich nahm, sondern immer nur weinte, ward er gebunden und eingesperrt. Auch genoß er drei Tage lang nicht das Mindeste und weinte und seufzte ununterbrochen. Nach drei Tagen aber floßen keine Thränen mehr; er war blind geworden. Als dieß seine Mutter gewahrte, wurde sie ganz trostlos, er aber faßte Vertrauen, betete innig und erhielt von Christus das Licht des Geistes und des Leibes zurück. Als ihn sein kaufmännischer Beruf nach Jerusalem führte, besuchte er mit heißester Andachtsglut die hl. Orte und führte ein ungemein bußfertiges Leben. Nur zweimal in der Woche am Sonntage und Donnerstage nahm er Speise zu sich. Als er einst in Gedanken vertieft war, erblickte er seine sehr schöne, mit Edelsteinen und Perlen geschmückte Tasche statt mit Geld nur mit Pech und Schwefel angefüllt. Sie gerieth in Brand und Niemand vermochte das stinkende Feuer zu löschen. Plötzlich sah er in seinen Händen eine Flasche Wasser; er schüttete aus derselben nur wenige Tropfen in das Feuer, als es gänzlich erlöschte. Als er betete, daß ihm die Bedeutung des Gesichtes klar werden möchte, vernahm er deutlich die Worte: »Das Gefäß bedeutet deinen Leib; Feuer, Pech und Schwefel die Begierlichkeit, die nur durch Wasser und Bußthränen gelöscht werden kann.« Von der Stunde an genoß er keinen Wein mehr und übte sich in noch strengerem Fasten. Auf dem Wege zum Berge Tabor verscheuchte er zwei Löwinen durch das Kreuzzeichen und vertiefte sich daselbst so sehr in die Betrachtung der Verklärung des Herrn, daß er sie körperlich zu sehen glaubte. Vor seiner Rückkehr vermehrte sich auf sein Gebet das Brod, welches eine Frau den Armen spendete, so lange, bis alle gesättiget waren. Auf der Rückkehr schied er in einer sicilianischen Schenke das Wasser vom Weine, das der Teufel in Gestalt einer Katze darunter gemischt hatte. Um sich noch mehr abzutödten, durchstach er sich die Zunge mit einem Dorn und genoß nur gewürztlose Speisen. Es hat den Anschein, daß er zu Pisa die Priesterweihe empfing, denn er soll öfter geprediget haben. Seitdem er hieher zurückgekehrt war, hielt er sich abwechselnd bei den Kanonikern von St. Maria, in der Abtei St. Andreas und im St. Vituskloster auf. In letzterm starb er um das J. 1161. Er erhielt später den Zunamen de Aqua (vom Wasser). Denn alles zu seiner Verehrung und unter seiner Anrufung genossene oder sonst wie gebrauchte Wasser erwies sich als heilsam. Auf Abbildungen sieht man ihn als Jüngling, vom hl. Schutzengel zum Beichtstuhle geleitet. Seine Lebensgeschichte hat ein Zeitgenosse, der Kanoniker Benincasa von Pisa, beschrieben. Sie ist außerdem auf acht Wandgemälden im Campo Santo dargestellt. Seine Reliquien befinden sich im Dome in einer nach ihm benannten Kapelle. Das ihm geweihte Kirchlein befindet sich in der Nähe des Domplatzes. (III. 421–469.)


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Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 33-34.
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