Ratho, B. (1)

[40] 1B. Ratho, Conf. (19. Juni). Dieser in den Bisthümern München und Augsdurg hoch verehrter Selige, dessen Name Ratho, Ratto, Rasso, Razo, Raczko geschrieben, vom Volke gewöhnlich St. Grafrath gesprochen wird, war der Sohn eines von dem Kaiser Arnulph abstammenden Grafen von Andechs und Dießen, der ebenfalls Rasso, auch Ratbotho genannt wird. Er und sein Bruder Friedrich wurden von ihrem Vater zu tapfern Rittern und frommen Christen herangebildet. Friedrich starb im heiligen Lande, wohin er eine Wallfahrt unternommen hatte. Außer diesem Bruder hatte Rasso noch eine Schwester, Namens Hatta (Beata). Diese wurde die Gemahlin des Grafen Heinrich zu Altdorf bei Ravensburg und die Mutter des hl. Conrad, Bischofs von Constanz. Der sel. Rasso war, wie jetzt noch seine Ueberreste beweisen, ein Mann von außerordentlicher Leibesgröße. Ebenso ausgezeichnet war seine Gewandtheit in den Ritterspielen. Auf einem zu Magdeburg i. J. 936 abgehaltenem großen Ritterfeste soll er den Siegespreis im Kampfspiele errungen haben. Noch größern Ruhm erwarb er sich als Anführer der Bayern im Kriege gegen die Ungarn unter Herzog Arnulph II. Im Jahre 942 kämpfte er, vereint mit Berchtold I. von Bayern, auf der Welser Haide gegen die Feinde des Reichs, und als sie sechs Jahre später wieder zurückkehrten, schlug er sie unter Heinrich I. über die Grenzen zurück. Nach Ueberwindung der Ungarn legte der hl. Graf das Schwert bei Seite, ergriff den Pilgerstab und wallfahrtete mit seiner Verwandten Judith, der Gemahlin des Herzogs Heinrich I., Tochter Arnulphs und Stifterin von Niedermünster in Regensburg nach Rom. Von Jerusalem, wohin er aber, wie Kunstmann wahrscheinlich machen will, erst nach seiner Klosterstiftung reiste, während Andere das J. 949 nennen, brachte der fromme Pilger eine große Zahl Heiligthümer in seine Heimat zurück. Dieselben sind zum Theil noch im Kloster Andechs aufbewahrt, wohin sie bei einem neuen Einfalle der Ungarn in Sicherheit gebracht worden waren. Der edle Graf erbaute nach dem einstimmigen Berichte aller bayerischen Geschichtsforscher (nur Kunstmann, »zur L.-G. des Grafen Rasso« bezweifelt die Genauigkeit dieser Angabe) auf einer damals von dem Flusse Amper gebildeten Insel, nahe an der Anhöhe, auf welcher die von ihm sogenannte Rassoburg stand, ein Kloster für zwölf Benedictiner-Mönche, das er Werde (Wörth, in der Werd) nannte, und begann nun selbst an dieser Stätte des Friedens ein Leben fortwährender Betrachtung der himmlischen Dinge und des Gebetes. Die Kirche wurde vom hl. Ulrich am 1. Mai d. J. 951 zur Ehre unsers Heilandes und der heiligen Apostel Philippus und Jakobus eingeweiht. Zur Erinnerung gab er dem Orte jetzt den Namen St. Salvator. Diese Vorbereitung zur großen Wanderung in die Ewigkeit dauerte für ihn nicht mehr lange. Im J. 952 hatte er die Ritterrüstung mit dem Mönchsgewande vertauscht; am 19. Juni [40] 954 legte er das Gewand der Sterblichkeit ab, um Theil zu nehmen an der Lichtherrlichkeit des Himmels. Sein Leichnam wurde in der von ihm erbauten Kirche zu Wörth (Grafrath) begraben. Schon im nächsten Jahre nach dem Tode des sel. Rasso wurde die Burg Wörth sammt dem Kloster von den Ungarn zerstört. Die Mönche des Klosters hatten sich nach Andechs geflüchtet. Burg und Kloster wurden nicht mehr aufgebaut; die Anhöhe, auf der die Burg stand, heißt aber jetzt noch der Rassoberg (Ratzenberg, vgl. oben die Varianten). Das Grab des Seligen überdauerte die Verwüstungen jener Zeit. Ueber demselben bauten später lebende fromme Verwandte des Seligen, wie die Ueberlieferung berichtet, eine Kapelle zu Ehren des hl. Laurentius, zum Andenken an den am Feste dieses Heiligen über die Ungarn errungenen Sieg auf dem Lechfelde. Diese Kapelle erhielt, nachdem Rasso durch Papst Innocenz II. war selig gesprochen worden, den Namen Graf-Rath. Sie wurde von demselben Papste in der Bestätigungsurkunde vom 13. Febr. 1132 dem Chorherrenstifte Dießen zugetheilt, und im J. 1480 von dem Propst Hartwig von Bayerdießen von Grund aus umgebaut. Neben der Kirche befand sich damals ein Meierhof. Unter dem Cardinal und Bischof Peter I. von Augsburg, i. J. 1486 fand die erste feierliche Erhebung der Gebeine des Seligen statt. Aus dieser Zeit stammt die Grabschrift auf der Marmorplatte des Sarges, welche also lautet:


hie liegt begraben der Edel Fürst und Graff sand Rasso, der diss Gotzhaus zum ersten hat gestüfft zu Eren Unsern lieben Herrn und hie will warten des jüngsten Tags. Anno 954.


Eine neue Erweiterung der Kirche erfolgte i. J. 1593 durch den Propst Balthasar Günther. Im J. 1678 wurde das dermalige Klösterlein erbaut, in welchem sich gegenwärtig einige Franziscaner der zahlreichen Wallfahrer annehmen. Die jetzige schöne Kirche wurde i. J. 1695 vollendet und die Reliquien des Seligen am 17. Juli in reich gestickter Fassung auf dem Hochaltar beigesetzt. Vor einigen Jahren wurden die hl. Reliquien frevelhaft geraubt und von den Räubern ihres Werthschmuckes entkleidet. Man fand aber die Gebeine in einem benachbarten Walde wieder auf und ließ sie durch die Klosterfrauen St. Maria Stern in Augsburg neuerdings reich und geschmackvoll fassen. Seitdem ist der Ort mehr wie je eine Zufluchtsstätte für Kranke und Betrübte, namentlich aber für solche, die an Gries- und Sandbeschwerden leiden. Das Verzeichniß der wunderbaren Heilungen, welche auf Fürbitte des Seligen erfolgten, füllt bei den Boll. viele Blätter, müßte aber, wenn es bis auf die Gegenwart fortgeführt wäre, bereits dicke Bände umfassen. Auf Bildnissen sieht man ihn als Ritter mit der Fahne.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 40-41.
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