Richardis, S. (1)

[87] 1S. Richardis (Rigarda) (18. Sept.). Diese Heilige, eine Tochter des Grafen Erchanger (Erchangar) von Elsaß, ist die Gemahlin des Kaisers Karl des Dicken gewesen, den sie i. J. 862 geehlicht hat. Als ihre Treue in Zweifel gezogen wurde, bestand sie die Feuerprobe. Der launenhafte fast blödsinnige Mann hatte ihre Tugend längst erprobt, da sie mit ihm mindestens bereits 10, nach Andern 25 Jahre verheirathet war, als er sie der Untreue anklagte. Im J. 880 gründete sie auf ihrem väterlichen Erbsitze bei Schlettstadt das Kloster Andlau (Andlavia Eleon) und schenkte demselben ihre Stammgüter in Maistrazheim und Krautergersheim. Zu Sigolsheim erbaute sie eine Kirche. Auch an das Kloster Ebersheimmünster (Stivagium) machte sie große Schankungen. Sie that es nach dem Willen ihres kaiserlichen Gemahls, mit dem sie in vollkommener Eintracht ein frommes, gottgeweihtes Leben führte. In demselben Jahre 880 zog sie mit dem Kaiser nach Rom und wurde am 25. Dec. von dem Papste Johann VIII. als Kaiserin gekrönt. Auf ihre Fürbitte, die der Papst angerufen hatte, schenkte der Kaiser der Wittwe Ludwigs II., Angelberga, die Freiheit. Sie begab sich nach Rom. Die Eingangs erwähnte falsche Anklage gab ihr Anlaß, der Welt gänzlich zu entsagen und sich in das Kloster Andlau zurückzuziehen. Hier gedachte sie auszuruhen von den erlittenen Stürmen und lebte einzig der Sorge für ihre Seele, in Uebungen der Demuth und des Gebetes. Bald darauf wurde ihr Gemahl des Reichs entsetzt. Sie vertheilte Alles, was ihr geblieben war, an die Armen und an die von ihr gestifteten Klöster. Man weiß nicht bestimmt, ob sie die Ordensgelübde [87] abgelegt hat; wahrscheinlicher ist, daß es nicht geschah, da sie überall nur als Stifterin, nicht als wirkliches Mitglied des Klosters angeführt wird. Sie starb am 18. Sept. d. J. 893 oder 894 (nach Andern schon 888). Ihr Grab wurde durch viele Wunder verherrlicht. »Sie steht im Kalender,« sagt Löhe (Martyrol. S. 159), »zum Exempel nicht bloß wechselnden Glückes, sondern auch ununterbrochenen Wohlverhaltens und frömmster Ergebung in Gottes heiligen Willen.« Im J. 1049 geschah die feierliche Erhebung ihres heiligen Leibes durch Papst Leo IX. Diese Erhebung gilt als Heiligsprechung. Seitdem wird sie in Deutschland im Bisthum Straßburg, dessen Proprium sie enthält, und Frankreich, hier besonders in Etival, wo sich Reliquien von ihr befinden, als Heilige verehrt. (V. 793)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 87-88.
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