Stanislaus, S. (2)

[354] 2S. Stanislaus, Ep. M. (7. al. 8. Mai, 11. Apr.) Der hl. Bischof und Martyrer Stanislaus, dessen einzelne Lebenszüge indessen erst nach 400 Jahren gesammelt und aufgezeichnet wurden, und deßhalb nicht in jeder Hinsicht auf historische Genauigkeit Anspruch machen können, war am 26. Juli d. J. 1030 zu Scepanów im Bisthum Krakau geboren, zu welcher Zeit die grünende Saat des Evangeliums nach halbhundertjährigem Bestande durch die kriegerischen Einfälle der Böhmen und Pommern so niedergetreten war, daß man von deren gänzlichem Untergange sprach. Nur im Verborgenen konnten einzelne Familien ihren religiösen Verpflichtungen nachtkommen. Das thaten mit besonderem Eifer die aus altem polnischen Adel abstammenden, frommen und reichen Eltern des hl. Stanislaus Velislaus und Bogna. Sie hatten das Kind nach 30jähriger unfruchtbarer Ehe und vielem Beten als ein Geschenk des Himmels empfangen und ernstlich gelobt, es für den Dienst des Herrn zu erziehen. Der Knabe wuchs und wurde kräftig an Körper und Geist. Mit großer Freude bemerkten die Eltern, daß er mit vortrefflichen Geistesgaben ein zu allem Gutem geneigtes Gemüth offenbarte. Schon frühe liebte er das Gebet und die Uebungen eines abgetödteten Lebens. Man brachte ihn nach Gnesen, wo damals der Sitz des Reiches und eine hohe Schule sich befand. Nach einigen Vorstudien bezog er die Universität Paris, wo er sieben Jahre lang dem Studium der Philosophie und schönen Künste, besonders aber der Theologie und des canonischen Rechtes oblag. Ohne die ihm angetragene Doctorwürde anzunehmen, kehrte er in sein Vaterland zurück, wo er die durch den Tod seiner Eltern ererbten Güter sofort an die Armen vertheilte, um Gott ungehinderter dienen zu können. Der damalige Bischof Lambertus Zula von Krakau weihte den widerstrebenden Jüngling zum Priester Der hl. Stanislaus, einer kräftigeren. in saftigeren Boden versetzten Pflanze ähnlich, fing an, in den schönsten Tugendblüthen zu erglänzen, so daß ihn der Bischof zuerst zum Pfarrer von Czembocz (ecclesia Zemhociensis), unfern von Krakau, wo er noch als Schutzpatron verehrt wird, und nachdem er hier einige Zeit mit vorzüglichem Eifer in der Seelsorge gearbeitet hatte (Marangoni, thesaurus. S. 477), zum Kanoniker ernannte und zur Verwaltung des Predigtamtes bestimmte. Bald führten seine Vorträge, unterstützt durch die Kraft seines Beispieles und fortwährende Gebete und Bußwerke, eine fast allgemeine Sittenverbesserung herbei. Das ganze Land blickte mit Verwunderung und Vertrauen auf ihn. Geistliche und Laien zogen ihn in Gewissens- und Rechtsangelegenheiten zu Rathe. Bischof Lambertus, alt und gebrechlich, erhob ihn zu seinem Generalvicar und setzte ihn, »gleichsam einen andern Joseph, über sein Haus.« Bald darauf starb er (im J. 1072); der hl. Stanislaus wurde zu seinem Nachfolger gewählt. Aber erst auf besondern Befehl des Papstes Alexander II. ließ er sich bestimmen, diese Würde und Bürde anzunehmen. Ein muthiger Kämpfer für Gottes Ehre, die Reinheit des Glaubens und der Sitten »umgab er sich mit dem Panzer der Gerechtigkeit und der Liebe«, und bemühte sich mit allem Eifer, nicht bloß als Oberhirte, sondern auch in seinem Privatleben in die Fußtapfen der hl. Apostel zu treten. Sein bischöflicher Palast wurde die Freistätte der Armen, der Zufluchtsort aller Bedrängten. Er ließ ein Verzeichniß aller Hilfsbedürftigen, besonders der Waisen und Wittwen, anfertigen, um keinen zu übersehen. In jedem Jahre durchreiste er sein Bisthum und untersuchte nicht bloß, ob die Altäre und hl. Gefässe reinlich gehalten seien, sondern mit noch größerer Sorgfalt, ob die Diener des Altares ein reines und unbescholtenes Leben führten, und ob in ihren Häusern Alles in Ordnung sei. Dabei zeigte er überall eine außerordentliche Geduld und Nachsicht, wohl wissend, »daß ihn Gott nicht zu einem Gefäße des Zornes, sondern zur Vermittlung des Heiles bestimmt habe.« Die Unverbesserlichen entsetzte er ihrer Pfründen und entfernte sie aus dem Bisthume. Auch Boleslaus II. (Simialy), [354] welcher seit dem Jahre 1058 über Polen herrschte, und mit den vortrefflichsten Eigenschaften die hassenswerthesten Laster in sich vereinigte, wurde von ihm zwar mit Ehrfurcht, aber zugleich mit apostolischem Freimuthe zur Besserung ermahnt. Von seiner großen Tapferkeit im Kriege führte er den Beinamen »der Kühne«, aber er war ebenso grausam, ehrgeizig, wankelmüthig und äußerst wohllüstig. Die größten Schandthaten, die raffinirtesten Quälereien wehrloser Frauen fielen ihm zur Last. Dennoch ergriff ihn der beispiellose Muth des Heiligen, so daß er Besserung versprach, aber bald fiel er in sein Lasterleben wieder zurück, und jetzt zürnte er dem Heiligen, der sich nicht gefürchtet hatte, dem von Allen Gefürchteten die Wahrheit zu sagen. Der hl. Oberhirte trat indessen wiederholt vor dem gottlosen König und drohte ihm zuletzt mit der Excommunication. Boleslaus schrie nun in voller Wuth über Beleidigung der königlichen Majestät, trieb ihn unter Schimpf und Schande aus dem Palaste und schwur ihm den Untergang. Daß außerdem auch Rechtsstreitigkeiten wegen Kirchengütern bestanden, die der König dem Bischofe bestritt, ist nach der Legende unzweifelhaft. Diese erzählt nämlich Folgendes: Um das Einkommen der Krakauischen Kirche zu mehren, kaufte der hl. Mann von einem Edelmanne, der Petrus hieß, ein Stück Land am Ufer der Weichsel in der Gegend von Lubin (in agro Lubinensis tractus). Petrus starb bevor der Kauf in den öffentlichen Büchern verbrieft war. Diesen Umstand benutzte der König, um dem Bischofe zu schaden, und reizte die Anverwandten des Verstorbenen an, ihn gerichtlich zu belangen. Der Bischof wird zu Soletium, wo der König nach damaliger Sitte unter aufgeschlagenen Zelten zu Gericht saß, zur Beibringung von Zeugen aufgefordert. Niemand wagt, aus Furcht vor dem Könige, zu seinen Gunsten aufzutreten. Da spricht der hl. Bischof: »Weil die Wahrheit unter den Menschen abhanden gekommen, so soll sie aus dem Erdboden heraussteigen und die Gerechtigkeit vom Himmel hervorblicken! Im Namen Jesu Christi, welchem ich diene, und dessen Kirche ich beschütze, gehe ich von hier weg und verspreche, nach drei Tagen den Petrus selbst lebendig hier als Zeugen der Wahrheit und der Gerechtigkeit meiner Sache vorzuführen.« Er ging also nach Petrovin, wo er mit seinen Klerikern drei Tage lang fastete und betete. Am dritten Tage begab er sich in die dortige Thomaskirche, wo Petrus begraben lag, und rief laut im Namen des nämlichen allmächtigen Gottes, welcher dereinst die Unschuld der Susanna bezeugt hatte: »Komm' hervor, Petrus, und gib der von den Lebendigen begrabenen Wahrheit aus dem Grabe heraus Zeugniß!« Der schon drei Jahre begrabene Petrus richtete sich auf und verließ sein Grab, worauf ihn der hl. Bischof bei der Hand nahm und zu dem bis zum Tode erschreckten Könige führte. Sein Zeugniß war dem Bischofe günstig. Dieses Wunder schien den König für einige Zeit zu besänftigen. Es folgte ein Heereszug gegen die Russen, der glücklich geführt wurde, und mit der Einnahme von Kiew endete, während zu gleicher Zeit in der Nesidenz große Unordnungen entstanden, welche den Zorn des Königs zu den unerhörtesten Grausamkeiten hinrissen. Nochmal und öfter machte der hl. Bischof Vorstellungen, erhielt aber nur Hohn und Spott zur Antwort. Da schritt er öffentlich und feierlich zu der angedrohten Kirchenstrafe. Als der König, darauf nicht achtend, zum allgemeinen Aergernisse dennoch beim Gottesdienste erschien, wurde derselbe auf Anordnung des Bischofes sistirt. Sehr schön heißt es deßhalb in dem Hymnus zur ersten Vesper:


Hic certans pro justitia

Regis non cedit furiae,

Stat pro plebis injuria

Christi miles in acie;


zu Deutsch:


Er kämpft für die Gerechtigkeit

Und weichet nicht des Königs Wuth,

Er steht für seines Volkes Recht,

Vertheidigt es mit festem Muth.


Solchen Widerstand konnte er nicht ertragen. Er spaltete dem seeleneifrigen Oberhirten in der St. Michaelskirche außerhalb der Stadt (eigentlich Vorstadt: in ecclesia Cracoviae suburbano) mit eigener Hand das schuldlose Haupt. Darauf hieben die Soldaten den hl. Leib in 72 Stücke und zerstreuten sie, damit sie von den wilden Thieren und Raubvögeln aufgefressen würden. Allein Gott beschützte wunderbar durch vier herbeigeflogene Adler die Gliedmassen [355] des hl. Martyrers. Himmlische Lichter beleuchteten die Orte, wo sie zerstreut lagen. Sie wurden gesammelt und ehrerbietig in dem Vorhause der Martyrcapelle (in vestibulo ejusdem sacelli) beigesetzt. Er war am 7. Mai d. J. 1079, des achten seines Pontificates, gemordet worden. Der verbrecherische König wurde angeblich von Papst Gregor VII. mit seinen Helfern und Helfershelfern in den Bann gethan und der Krone verlustig erklärt. Aus den noch vorhandenen Briefen dieses hl. Papstes läßt sich indessen diese Angabe nicht beweisen, wenn sie auch viel Wahrscheinliches hat. Von seinen Unterthanen verabscheut und gehaßt, flüchtete sich der unbußfertige Tyrann nach Umfluß von drei Jahren nach Ungarn, wo er sich selbst ermordet haben soll. Im J. 1088 erhoben sein Nachfolger, Bischof Lambert III. und König Ladislaus auf göttliche Weisungen hin, die sich in Gesichten offenbarten, die Gebeine des Heiligen und übertrugen sie in die damals noch dem heil. Wenceslaus geweihte Kathedralkirche, wo viele Wunder seine Heiligkeit bezeugten. Nach 170 Jahren baten der König Boleslaus und seine Gemahlin Kinga durch Vermittelung des heiligmäßigen Bischofs Pandrota den Papst Innocenz IV. um die Canonisation des Martyrers. Sie erfolgte im J. 1253 zu Assisi, wo auf die Fürbitte des hl. Stanislaus ein Todter wieder zum Leben kam. Jetzt führt der Dom zu Krakau den Namen dieses Heiligen. Seine Grabstätte daselbst ist ein herrliches Denkmal katholischer Gesinnung und befindet sich in der Mitte des Gotteshauses. Die hl. Gebeine ruhen in einem silbernen, mit Laubwerk reich verzierten Sarge. Der Altar ist von vier hohen, mit einer Kuppel bedeckten, vergoldeten Säulen eingeschlossen. Sein Fest wird in ganz Polen am 8. Mai mit Octave, wobei für jeden Tag im Officium ein Abschnitt seines hl. Lebens bestimmt ist, gefeiert. Am 27. Aug. begeht man die Feier seiner Translation, in den treffenden Tagzeiten ist jedoch keinerlei geschichtliche Hinweisung auf dieselbe enthalten. Auf Bildnissen trägt er die bischöflichen Insignien und ein Schwert. Auf größern Gemälden ist er vor dem Gerichte stehend oder vor dem Altare knieend, wie er den Todesstreich empfängt, dargestellt. Nicht nachahmungswürdig ist die Abbildung seines auf bloßem Felde nackt daliegenden zerstückelten Leichnames, welchen vier Adler bewachen. Sehr erbaulich ist folgende Sage, die bei Stabell (Lebensbilder) aufgezeichnet ist. An einem Abend klopfte an der Klosterpforte zu Ossiach in Kärnthen ein Pilger und bat um Nachtherberge. Am andern Morgen übergab er dem Abt ein Zettelchen. auf welchem geschrieben stand: »Erbarmet euch um Gotteswillen des stummen Gottschalk, und nehmet ihn als Knecht ins Kloster auf.« Die Bitte wurde gewährt. Der stumme Bruder verrichtete in Demuth und Gehorsam die geringsten Dienste des Hauses, er spaltete Holz, trug Wasser, reinigte die Klostergänge, grub und arbeitete im Garten, spülte Teller und Schüsseln in der Küche. Erst nach 8 Jahren löste sich die Zunge des Stummen; er entdeckte sich dem Abte und den Brüdern als den königlichen Büßer Boleslaus. (II. 198–276)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 354-356.
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