I.
Ueber die allgemeine und besondere Bestimmung des Weibes.

[7] Um die Antwort auf die erste jener Fragen, deren überschwengliche Wichtigkeit dir wol von selbst einleuchten wird, da zu suchen, wo sie zu finden ist, muß ich dich zuvörderst erinnern, daß du dich, mithin auch deine Bestimmung, von nun an, da du zum menschlichen und gesellschaftlichen Leben reifest, aus einem zweifachen Gesichtspunkte betrachten mußt. Du bist ein Mensch – also bestimmt zu allem, was der allgemeine Beruf der Menschheit mit sich führt. Du bist ein Frauenzimmer – also bestimmt und berufen zu allem, was das Weib dem Manne, der menschlichen und der bürgerlichen Gesellschaft sein soll. Du hast also eine zweifache Bestimmung, eine allgemeine und eine besondere, eine als Mensch und eine als Weib. Laß uns nun fragen, worin jene, dann, worin diese bestehe.[7]

Was soll der Mensch hienieden? – Laß uns sehen, was er, wenigstens einem gewissen Grade nach, hienieden wirklich thut; was er, wenigstens einem gewissen Grade nach, zu thun von seiner Natur gezwungen wird; was, wenn er es thut, und in sofern er es thut, ihn mit sich selbst, mit der menschlichen Gesellschaft und mit der Natur der Dinge in Eintracht bringt, dessen Gegentheil aber jene Eintracht unterbricht und zwischen seinen eigenen Trieben, zwischen ihm und der Welt die unglücklichste Zwietracht stiftet: das wird denn auch zuverlässig seine natürliche Bestimmung sein. Und was ist dieses?


Beglückung seiner selbst und Anderer durch eine zweckmäßige Ausbildung und Anwendung aller seiner Kräfte und Fähigkeiten in demjenigen Kreise, in welchem und für welchen die Vorsehung ihn geboren werden ließ.


Mit andern Worten: der Mensch soll sich und Andere, so sehr es kann, dadurch zu beglücken suchen, daß er alle seine Kräfte und Fähigkeiten – die körperlichen wie die geistigen und sittlichen, die Erkenntnißkräfte wie das Empfindungsvermögen – in gleichem Maße, aber auch in beständiger Hinsicht auf den von der Vorsehung und der menschlichen Gesellschaft ihm angewiesenen Wirkungskreis[8] auszubilden, zu vervollkommnen, zu veredeln, und auf jede ihm mögliche Weise wirksam zu machen strebe. Da hast du, mein Kind, den allgemeinsten Zweck unsers Daseins, und zugleich das allgemeinste Mittel, wodurch dieser Zweck erreicht werden kann und soll. Jener heißt Beglückung, dieses zweckmäßige Ausbildung durch Berufswirksamkeit.

Allein so einstimmig auch hierüber die Menschen, bei aller Verschiedenheit im Ausdrucke, von jeher im Allgemeinen dachten: so werden gleichwol von Vielen die nähern Bestimmungen übersehen, die ich durch die Worte: alle – in gleichem Maße – und in beständiger Hinsicht auf den uns angewiesenen Wirkungskreis angedeutet habe. So sehr daher auch aller Menschen Natur, vermöge eines innern unwiderstehlichen Triebes, nach jenem, uns allen aufgesteckten Ziele strebt: so wenig wird es von den meisten doch in der That erreicht. Mancher nimmt etwas für Ausbildung, was im Grunde doch nur Verfeinerung, Verzärtelung, Schwächung oder Verdrehung ist. Mancher bildet seinen Körper, aber nicht seine Seele aus, oder umgekehrt. Mancher bereichert seinen Verstand, schärft seinen Witz, beflügelt seine Einbildungskraft; aber vernachlässiget[9] dabei den sittlichen Theil seiner Natur. Mancher sammelt Schätze von Kenntnissen und Gelehrsamkeit ein, verabsäumt aber den gesunden Menschenverstand durch Uebungen in ausübender Geschäftigkeit anzuregen und auszubilden. Mancher übt, entfaltet, stärkt und veredelt seine Kräfte und Fähigkeiten gerade nur an solchen Gegenständen, mit denen er in der besondern Lage, worein die Vorsehung durch Geburt, Stand, Geschlecht und bürgerlichen Beruf ihn setzte, nichts zu schaffen hat, nichts zu schaffen haben soll; und versäumt darüber die weit nöthigern Uebungen in solchen Wirkungsarten, die der ihm angewiesene besondere Standort in der menschlichen Gesellschaft ihm zur Pflicht machen wird. Und siehe, mein Kind, das ist eine der Haupt-ursachen, warum so wenige Menschen dahin wirklich kommen, wohin sie alle so innig sich sehnen, und wohin ihre Natur sie alle so mächtig treibt – zu einer reinen und dauerhaften Glückseligkeit!

Wollen wir diese, wozu die väterliche Absicht unsers Schöpfers uns alle so vernehmlich ruft, wirklich erreichen: so muß unsere Ausbildung nicht nur eine wahre sein, und nicht nur über unsere gesammte körperliche und geistige Natur, über alle ursprüngliche Kräfte und Anlagen derselben sich erstrecken; sondern sie muß auch auf unsern besondern Beruf in der bürgerlichen[10] Gesellschaft, auf die Pflichten, Geschäfte und Eigenthümlichkeiten desselben eine weise und absichtliche Beziehung haben. Dis letzte bedarf einer Erläuterung.

Alle Menschen, vom Könige bis auf den geringsten seiner Landsassen, haben zwar das unläugbare Recht und den natürlichen Beruf, alle ihre menschlichen Kräfte und Fähigkeiten, ohne Ausnahme, auszubilden und zu veredeln; aber da nicht Alle diese ihre Kräfte in einerlei Kreise, an einerlei Gegenständen und auf einerlei Weise können wirken lassen: so müssen sie an verschiedenen Gegenständen, auf verschiedene Weise und zu verschiedenen besonderen Zwecken geübt, verstärkt und ausgebildet werden. Jeder Mensch bedarf z.B. einer wohlgeübten Körperkraft; aber einer andern bedarf das Weib in ihrem häuslichen Wirkungskreise, einer andern der Mann zu seinem männlichen Berufe. Jeder muß also auch die seinige in Hinsicht auf seinen Beruf und auf diejenigen Gegenstände und Geschäfte üben, die dieser für ihn mit sich bringt. Jedem Menschen, wer er auch sein mag, ist ein recht großes und volles Maß von Verstand, Vernunft, Gedächtniß und Einbildungskraft zu wünschen: aber einer andern Richtung auf andere Gegenstände bedürfen diese edlen Seelenkräfte bei dem Bauer, einer andern bei seinem Fürsten. Jeder muß sie also auch an solchen Gegenständen und durch[11] solche Geschäfte bilden und schärfen, welche innerhalb seines bestimmten Wirkungskreises liegen. Also nicht gerade ein verschiedenes Maß von menschlichen Kräften, also auch nicht ein verschiedener Grad ihrer innern Stärke, sondern lediglich eine verschiedene Richtung derselben auf verschiedene Gegenstände, und eine daraus entstehende verschiedene Ausbildung übrigens gleicher Kräfte, sollen – wenn wir auf unsere allgemeine natürliche Bestimmung, und nicht auf die bis jetzt fehlerhafte Ausbildung der Meisten sehen – den ganzen Unterschied zwischen den einzelnen Gliedern der nach Klassen, Ständen und Geschlechtern eingetheilten großen Menschenfamilie ausmachen.

Also worin bestände denn nun diese allgemeine menschliche Bestimmung für dich, mein Kind? Unstreitig darin: alle deine menschlichen Anlagen und Kräfte, die körperlichen wie die geistigen, die sittlichen wie die erkennenden, aber wohl verstanden! immer in Bezug auf deinen bestimmteren Beruf als Weib, und nur an Gegenständen und nur durch Wirkungsarten, welche innerhalb der Gränzen dieses deines weiblichen Berufes liegen, auf jede dir mögliche Weise, sorgfältig und emsig zu entwickeln, zu üben, zu stärken und zu veredlen. Thust du dis, so erfüllst du deinen ersten großen Beruf, als Mensch; so beförderst du die Absicht deines[12] gütigen Schöpfers und erreichst den lautern Quell der Glückseligkeit, welcher nie für dich versiegen wird. Thätest du dieses nicht; nähmest du, statt einer wahren und nützlichen Ausbildung, nur den oberflächlichen Firniß derselben an, womit die verfeinerten Menschen der höhern Klassen sich so häufig zu bezahlen pflegen; versäumtest du die Bildung deiner sittlichen Gemüthsart, indem du deinen Verstand durch Kenntnisse zu bereichern suchtest; bildetest du alle deine Körper- und Geisteskräfte nicht in vollkommenem Ebenmaße, sondern unverhältnißmäßig, nicht an Gegenständen deines weiblichen Wirkungskreises und nicht in Bezug auf deine ganze weibliche Bestimmung, sondern in Widerspruch damit aus; vernachläßigtest du z.B. deine Körperkraft, indessen du deine Seelenkräfte übtest; verstärktest du deine Einbildungskraft und dein Empfindungsvermögen, indessen du Vernunft und gesunden Menschenverstand unangebauet liegen ließest; triebest du männliche Leibes: und Seelenübungen, und suchtest dir männliche Verdienste zu erwerben, indessen die weiblichen Fertigkeiten und Geschicklichkeiten von dir vernachlässiget würden: so möchte das Maß deiner einseitigen und zwecklosen Vollkommenheit so groß und glänzend sein, als es immer wollte, so möchten kurzsichtige Thoren und Schmeichler deine angeblichen Verdienste auch noch so sehr anstaunen und bis an den Himmel erheben: deine Bestimmung erreichtest du nie! Den Zweck deines Daseins aus dieser Erde[13] erfülltest du nie! Wahre reine menschliche Glückseligkeit schmecktest du hier unten nie! Der verständige Menschenkenner würde dich, mit allen deinen sonstigen Trefflichkeiten, nicht bewundern; nur bedauern würde er dich!

Du siehst hieraus, daß es ganz unmöglich für dich sein würde, die allgemeine Bestimmung, die du mit jedem Erdensohne und mit jeder Erdentochter gemein hast, zu erreichen, wofern du nicht auch deine besondere Bestimmung, die als Weib, zu erfüllen eben so eifrig dich bestreben wolltest. Alles kommt also nun darauf an, daß du auch von dieser richtige und vollständige Begriffe zu erlangen suchest. Laß mich deinem Nachdenken darüber zu Hülfe kommen.

Was soll denn also das Weib, oder wozu ist sie denn nun eigentlich da? – Wolltest du umherschauen und sehen, was manche deiner Schwestern jung und alt, besonders in den höhern und gebildeten Ständen, wirklich thun, und wolltest du nach dem, was du auf diesem Wege beobachtetest, deine Begriffe von der weiblichen Bestimmung bilden: so würde, fürchte ich, das Musterbild, welches du aus diesen Beobachtungen zusammensetztest, zu einer garstigen Mißgestalt werden, von der ich um alles in der Welt nicht wünschen möchte, daß du sie dir zum Muster[14] der Nachbildung aufstelltest. Denn was würde es sein, das viele der besagten Schwestern dir durch ihr Beispiel lehren würden? Die Eine: du seist nur dazu da, dich zu putzen, um dich begaffen zu lassen; zu tändeln und von Andern mit dir tändeln zu lassen; den schwindelerregenden Weihrauch junger und alter Gecken einzuathmen, oder wie man es nennt, dir etwas Schönes vorsagen und dich dadurch zu einer süßen Vergessenheit deiner selbst, deiner Mängel, deiner Fehler und deiner Pflichten einwiegen zu lassen, mit Einem Worte, ein Leben ohne Zweck, ohne That und ohne Frucht zu führen. Die Zweite: du seist geschaffen, dir schimmernde Geschicklichkeiten ohne eine andere Absicht, als die zu glänzen, unnütze Fertigkeiten und zwecklose gelehrte Kenntnisse zu erwerben, die du ohne auf alles, was weibliche Bescheidenheit heißt, Verzicht zu thun, und ohne dich in hohem Grade mißfällig zu machen, niemahls oder doch nur selten und jedesmahl nur mit einer Art von Beschämung äußern dürftest. Die Dritte: du seist dazu gemacht, die Fehler und Schwachheiten deiner Nebenmenschen auszuspähen, über jedes unbedachtsame Wort, über jede arglose Handlung unbarmherzig herzufallen, sie mit boshafter Schadenfreude zu zergliedern, sie unter das Vergrößerungsglas der Schmähsucht zu bringen, um irgend etwas darin zu bemerken und bemerken zu lassen, wodurch ein guter Name mit einigem Scheine von Recht und Billigkeit gemordet werden kann. Eine[15] Vierte: du seist recht eigentlich dazu bestimmt, der Plage-geist eines unglücklichen Mannes zu werden, der die gutmüthige Thorheit hatte, dir auf Kosten seiner Ruhe, das, was ein unverheirathetes Frauenzimmer gemeiniglich nur bittweise besitzt, Stand, Achtung, Würde, Schutz, Unterhalt und Bequemlichkeiten des Lebens zu verschaffen. – Und das wäre die Bestimmung des Weibes? Dazu hätte Gott die ganze zweite Hälfte eines Geschlechts hervorgebracht, welches das Meisterstück seiner Schöpfung genannt wird?

Ich traue dir zu, mein Kind, daß, wenn auch alle deine Schwestern, welches doch Gottlob! noch lange nicht der Fall ist, mit einer so ärmlichen und schmählichen Bestimmung sich begnügen wollten, dein Herz und dein Verstand sich doch stark dagegen empören würden. Ein inneres Gefühl deiner unverderbten Menschheit läßt dich gewiß etwas Besseres, Größeres und Würdigeres von den Absichten ahnen, welche die Weisheit unsers Allvaters mit dir und deinem Dasein haben kann. Und diese Ahnung täuscht dich nicht. Ihr seid wahrlich nicht dazu bestimmt, nur große Kinder, tändelnde Puppen, Närrinnen oder gar Furien zu sein; ihr seid vielmehr geschaffen – o vernimm deinen ehrwürdigen Beruf mit dankbarer Freude über die große Würde desselben! – um beglückende Gattinnen, bildende Mütter und weise Vorsteherinnen [16] des innern Hauswesens zu werden; Gattinnen, die der ganzen zweiten Hälfte des menschlichen Geschlechts, der männlichen, welche die größern Beschwerden, Sorgen und Mühseligkeiten zu tragen hat, durch zärtliche Theilnahme, Liebe, Pflege und Fürsorge das Leben versüßen sollen; Mütter, welche nicht bloß Kinder gebähren, sondern auch die ersten Keime jeder schönen menschlichen Tugend in ihnen pflegen, die ersten Knospen ihrer Seelenfähigkeiten weislich zur Entwickelung fördern sollen; Vorsteherinnen des Hauswesens, welche durch Aufmerksamkeit, Ordnung, Reinlichkeit, Fleiß, Sparsamkeit, wirthschaftliche Kenntnisse und Geschicklichkeiten, den Wohlstand, die Ehre, die häusliche Ruhe und Glückseligkeit des erwerbenden Gatten sicher stellen, ihm die Sorgen der Nahrung erleichtern, und sein Haus zu einer Wohnung des Friedens, der Freude und der Glückseligkeit machen sollen. Fasse diese hohe und würdige Bestimmung deines Geschlechts doch ja recht fest ins Auge, mein Kind; und siehe, wie das Wohl der ganzen menschlichen Gesellschaft am End: lediglich davon abhängt, wie gut oder wie schlecht ihr dazu vorbereitet werdet. Denn nicht bloß das häusliche Familienglück, sondern auch – was dem ersten Gehör nach unglaublich klingt – das öffentliche Wohl des Staats, steht größtentheils in eurer Hand, hängt größtentheils, um nicht zu sagen ganz, von der Art und Weise ab, wie das weibliche Geschlecht seine natürliche und bürgerliche[17] Bestimmung erfüllt. Wie die Quelle, so der Bach; also auch, wie das Weib, so der Bürger, der vom Weibe geboren wird, der die ersten, durch keine nachherige Erziehung jemahls ganz wieder auszutilgenden Eindrücke zum Guten und zum Bösen von ihr erhält. Wie die Quelle, so der Bach; also auch, wie das häusliche Leben der Menschen, so ihr öffentliches; wie das häusliche Familienglück, so das öffentliche Staatswohlergehn. Nun ist aber das erste größtentheils, um nicht zu sagen ganz, das Werk des Weibes; mithin auch das letzte. Denn was vermag selbst der beste, der einsichtsvollste, der thätigste Mann zur Bildung seiner Kinder, was zur Erhaltung und Vermehrung der Ordnung der Sittlichkeit und des Wohlstandes seines Hauses, wenn seine Gattinn ihm nicht in die Hände arbeitet, nicht die Anordnungen und Plane befolgt, die er, zwar im Großen entwerfen, aber im Kleinen selbst unmöglich ausführen kann? Selbst der Mann, der schon gebildete, schon gereifte Mann, was ist er, sobald er durch eheliche Bande mit dem Weibe seines Herzens verbunden ist? Das, was das Weib seines Herzens aus ihm zu machen Verstand oder Unverstand genug besitzt. Seine herrschende Gemüthsstimmung, seine Launen, die ganze fortschreitende Veredelung oder Verschlimmerung seines Wesens, sind ihr Werk! Seine größere oder geringere Thätigkeit, die größere oder geringere Ordnung in seinen Geschäften, der größere oder geringere Muth[18] und Eifer zu staatsbürgerlichen und menschenfreundlichen Thaten, womit er sich beseelt fühlt, sind ihr Werk; die öffentliche Achtung, deren er genießt, seine Verbindungen, die angenehmen oder unangenehmen Verhältnisse, worin er mit andern Familien steht, sind, wo nicht ganz, doch größtentheils, ihr Werk! Allgewaltiges, obgleich schwaches Geschlecht, was vermag nicht alles dein, zwar unmerklicher, aber sicherer Einfluß auf den Mann und durch den Mann auf jede öffentliche Angelegenheit, auf den gesammten Flor und das Wohlergehn der bürgerlichen Gesellschaft! Du bist die erste mächtige Triebfeder, welche alles in Bewegung setzt, und von welcher jede andere häusliche und öffentliche Kraft, ihrem Grade und ihrer Richtung nach, größtentheils abhängt. Thut diese erste Federkraft, das Herz des Staatskörpers, ihre Pflicht, so thun es auch die äußerlichen Glieder desselben, das männliche Geschlecht; so geht alles, wie es soll; so blüht das Glück der Familien und des Staats: thut sie dieselbe nicht, so geschieht – was bisher geschehen ist; so welken die Glieder, so kränkelt das Familienglück, so gelangt der ganze Körper nie zu vollkommener Stärke und zu dauerhafter Gesundheit. Noch einmahl: allgewaltiges, obgleich schwaches Geschlecht, was hängt nicht alles von deinem unsichtbaren Einflusse ab, und wie viel kommt nicht darauf an, wie lauter oder wie trübe du, Urquell aller Sittlichkeit und Unsittlichkeit, alles menschlichen Wohlergehns und alles menschlichen Elendes, seist![19]

Erwärme dich, mein Kind, durch das Anschauen dieser deiner hohen Bestimmung, um deine junge Seele mit jenem edlen weiblichen Muthe, mit jener hohen Begeisterung zu beleben, welche erfodert werden, wenn du diese deine Bestimmung ganz erreichen willst. Denn hoch auf steilem Gipfel steht das herrliche Ziel, wornach du klimmen sollst; beschwerlich, rauh und ungebahnt ist der schmale Pfad dahin, wie zu allem, was groß und edel ist, und – ich darf es dir ja nicht verheelen – groß und mannigfaltig sind die Schwierigkeiten und Hindernisse, die du dabei zu überwinden haben wirst! Bewaffne dich denn, mein theures Kind, mit Muth und Entschlossenheit; denn es ist nun Zeit, den Vorhang aufzuziehen, und dir die Unannehmlichkeiten zu zeigen, die du auf dem Wege zu jenem ehrenvollen Ziele schwerlich alle wirst vermeiden können:

Quelle:
Campe, Joachim Heinrich: Vaeterlicher Rath für meine Tochter. Braunschweig 1796 [Nachdruck Paderborn 1988], S. 7-20.
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