Polterabend und Hochzeit.

[148] »Helft mir, ihr Schwestern,

Freundlich mich schmücken,

Dient der Glücklichen heute mir.

Windet geschäftig

Mir um die Stirne

Noch der blühenden Myrte Zier.«

Chamisso.


Sind die Vorbereitungen zum nahen Hochzeitsfest beendigt, ist die Wohnung für das junge Ehepaar gemietet und eingerichtet, der Hochzeitstag festgesetzt, dessen Bestimmung stets der Braut zukommt, so wird es von ihren Wünschen und denen ihres Verlobten abhängen, ob einen oder nach jetzt gewöhnlich üblicher Sitte zwei Tage vor demselben ein Abschiedsfest von der Mädchenzeit, ein sogenannter Polterabend, gefeiert wird. Die Braut richte sich auch hierin nach der Lebensstellung, in der sie sich befindet, und nach dem Wunsch des Bräutigams. Es gibt Herren, deren ernstem Sinn durchaus der Scherz und Mutwille, der an solchem Abend von guten Freunden getrieben wird, widerstrebt, und es muß ihr lieber sein, auf ein solches Fest zu verzichten, sobald es ihm keine Freude bereitet. Auch wenn ein vorhergegangener Todesfall oder andere traurige Familienverhältnisse eingetreten sind, ist es durchaus unschicklich, einen Polterabend zu arrangieren, und wird in solchen Fällen vielleicht ein stilles Beisammensein mit den[148] nächsten Verwandten und Freunden des Brautpaars als angemessen erscheinen.

Daß zu dem Hochzeitsfest die Eltern und etwa entfernten Verwandten des Bräutigams von der Braut noch ganz besonders eingeladen werden, ist wohlanständig. Ihnen ist keine gedruckte Einladung zu senden, oder sie begleitet dieselbe mit einigen schriftlichen, herzlichen Worten und bittet darin die Betreffenden, daß sie den schönen festlichen Tag, der ihr bevorsteht, mit ihr teilen und ihn durch ihre liebe Gegenwart ehren und verschönen möchten, z.B.:

»Es ist mein und meines lieben Karl innigster Wunsch, Sie, geliebte Eltern, an unserm Ihnen hierdurch bekannt gemachten Festtage persönlich zu begrüßen. Scheuen Sie, bitte, die Unbequemlichkeiten der weiten Reise nicht, ich will Sie mit offenen Armen empfangen, und, indem Sie Zeugen unseres Glückes sind, werden Sie, so hoffe ich bestimmt, noch mehr die Zuversicht gewinnen, daß ich Ihnen eine treue, anhängliche Tochter sein möchte.

Lassen Sie uns keine Fehlbitte thun, und seien Sie von der herzlichen Freude überzeugt, mit der Ihre hoffentlich bejahende Antwort erwartet

Ihre

Ihnen respektvoll ergebene

Martha L.«


Der Polterabend ist eine deutsche Sitte, die darin bestand, daß man untauglich gewordenes Geschirr, Töpfe, Teller, Schüsseln u.s.w., vor dem Hause, in dem die Braut wohnte, zerschlug; der Aberglaube, daß, »je mehr Scherben, desto mehr Glück« dann im Ehestande sein würde, rechtfertigte sie.

Bei den Gebildeten ist der Polterabend jetzt nur in der Familie der Braut ein schönes Familienfest. Nur Mägde und andere gewöhnliche Leute, welche vielleicht in der Nachbarschaft der Braut wohnen, finden noch ihr Vergnügen darin, an solchem Abend Töpfergeschirr zu zerschlagen.

Die Braut wähle, falls sie einen großen Kreis ungeladener Gäste erwartet (Einladungen zum Polterabend sind nicht schicklich, es kann nur etwa auf den Einladungskarten zur Hochzeit unten am Rande bemerkt werden: »Der Polterabend findet am..... statt«), eine helle, elegante Toilette;[149] duftig weißer, rosa, hellblauer Krepp oder Tarlatan, auch hellseidener Stoff vereinigt sich am schönsten zum mädchenhaften Kranz frischer Rosen im Haar. Sie berücksichtige in der Wahl derselben, was ihr kleidsam ist; rosa wird der Brünette, hellblau der Blondine am schönsten stehen; weiß wähle nur die noch sehr jugendliche Braut, während die etwas ältere sich passender in farbige Stoffe kleide. Ueberladenen Goldschmuck zu tragen ist prunkhaft und nicht schicklich; sie schmücke sich etwa nur mit einem schönen Andenken, das sie von einer geliebten Person erhielt, oder mit Armband, auch Medaillon u.s.w., welches ein Geschenk ihres Bräutigams ist, an diesem Abend.

Gewöhnlich werden nach Versammlung der zuschauenden Gäste die Aufführungen auf dazu hergerichteter und durch einen Vorhang abgesonderter Bühne mit ernster Musik, etwa einem Liede oder schönem Klavierspiel, eröffnet, der dann die Uebergabe des Brautkranzes von einer Schwester oder liebsten Freundin der Braut folgt; sie empfange mit sittig ernster Miene den Kranz, der sie an dem ihr bevorstehenden bedeutungsvollen Tage schmücken wird, ebenso den Schleier, der ihr gemeinhin nach dem Brautkranz von befreundeter Dame überreicht wird; sie zeige denjenigen, welche in einer Verkleidung zu ihr treten und Verse sagen, freundliche Aufmerksamkeit und enthülle mit dankbaren, anerkennenden Worten die Geschenke, welche ihr dabei von ihnen gespendet werden. Sie muß es sich an diesem Abend schon gefallen lassen, daß in launigen Deklamationen, Gedichten, aufgeführten kleinen Lustspielen etwaige Schwächen und Scherze aus ihrer verflossenen Mädchenzeit neckisch enthüllt werden, daß man sie mit Warnungen, mit bösen Prophezeiungen vor dem Ehestande überschüttet, und es wäre nicht wohlanständig, wollte sie darüber Empfindlichkeit oder gezierte Sprödigkeit zeigen, vorausgesetzt, daß diese Späße sich in den erlaubten Grenzen des Schicklichen und des gebildeten Anstandes bewegen. Sollte wirklich auch einmal ein etwas plumper Scherz dabei mit unterlaufen, thut sie jedenfalls besser, ihn durch Stillschweigen zu ignorieren, als denjenigen zur Rede zu stellen, der sie dadurch in ihrem Zartgefühl gekränkt hat.

In dem Segen der Kirche am Hochzeitstage erblickt[150] das christlich fromme Gemüt erst die rechte und eigentliche Weihe der zu schließenden Ehe. Kein junges Mädchen, welches ein Herz für das Höchste, was der Mensch besitzt, für die Religion hat, wird ihn entbehren wollen.

Der Gang des Brautpaares zum Standesamt kann an dem Morgen des Hochzeitstages, kann auch schon am Tage vorher stattfinden. Die Braut trage an demselben einen seinen Gesellschaftsanzug: schwarzes oder dunkelfarbiges Seidenkleid, oder ein Kleid von dunkler, seiner Wolle, mit kleidsamem Hut und Umhang.

Das eigentliche Brautkleid, welches in der Kirche und dem darauffolgenden Hochzeitsfest sie schmückt, wird die jugendliche Braut sich am liebsten in blendendem Weiß, der Farbe der Unschuld, wählen. Zum dunklen Myrtengrün des Kranzes steht auch Weiß am schönsten. Ob Atlas, Satin, Damast oder anderer Seidenstoff zum Kleide genommen wird, das überläßt man der wechselnden Mode, die auch darin stets ihre Veränderungen liebt.

Sind die elterlichen Verhältnisse der Braut einfach, oder tritt sie durch die Ehe in Kreise, wo sie das elegante weißseidene Kleid nicht wieder gebrauchen kann, ist es sehr verständig von ihr, nur weißen Mull oder einen andern dünnen Stoff, auch wohl weißen Kaschmir zu winterlicher Zeit, oder farbige Seide zu nehmen; auch schwarze Seide, sobald sie nicht mehr in der ersten Jugend steht. Blau würde vor allen anderen Farben jedoch zu vermeiden sein, da es zum grünen Myrtenkranz sich nicht gut eignet.

Der Schnitt des Brautkleides ist so einfach wie möglich, frei von Ueberladung an Garnituren und sonstigem Modekram. Vor allem die Schleppe soll ihm den Eindruck des Festkleides geben, sie darf daher immer etwas länger als an anderen Roben getragen werden.

Selbst bei kalter Winterzeit vermeide sie es, einen sie umhüllenden Shawl oder eine Mantille darüber in der Kirche zu tragen, dahingegen ist man von der Mode des ausgeschnittenen Brautkleides, der kurzen Aermel an demselben jetzt abgekommen und trägt es hoch mit leichter Spitze oder Tüllkrause am Halse.

Schmuckgegenstände, prahlerische Goldketten etc., vermeide die Braut in der Kirche, nur vielleicht ein teurer Gegenstand[151] des besonderen Andenkens, ein Medaillon oder Kreuz, werde von ihr getragen. Die Stelle der Brosche vertritt zierlich ein Myrtensträußchen, auch der Schleier kann, wenn sie es liebt, mit kleinen Myrtenzweigen am Saum geziert sein. Er besteht aus durchsichtigem, weißem Tüll, aus echten Spitzen oder auch aus echtem Spitzengrunde mit echten Spitzen besetzt. Zur einfachen Brauttoilette verstößt auch der unechte Stoff nicht. Seine Größe paßt sich der gerade herrschenden Mode an, je größer er ist, desto schöner umhüllt er die ganze Gestalt und vereint sich wie ein zarter darüber schwebender Hauch mit dem schimmernden Glanz des hochzeitlichen Gewandes.

Das Haar trage die Braut an ihrem Ehrentage nicht besonders künstlich frisiert, damit sich ihrem Antlitz nicht dadurch ein fremdartiges Aussehen einpräge, auch hierin ist das Einfachste immer das Feinste.

Ueber dem Schleier sei, auch wenn es die Mode nicht gebietet (und warum sollte sich nicht die sinnige Braut einmal von ihren Vorschriften emanzipieren), der Kranz frei jedem Blicke der Zuschauer und in schöner, geschlossener Rundung getragen. Er bestehe aus frischem Myrtengrün, nicht aus künstlich gearbeiteten Blättern, welche, da es nicht zu jeder Jahreszeit frische Myrtenblüten gibt, auch dieselben sehr leicht abfallen, mit weißrötlichen, künstlichen Knospen durchwoben sind.


»Lieblich in der Bräute Locken

Spielt der jungfräuliche Kranz,

Wenn die hellen Kirchenglocken

Laden zu des Festes Glanz.«

Schiller.


Der Myrtenkranz ist die Ehrenkrone, welche die reine Braut schmückt, er ist das Symbol der Jungfräulichkeit, die schöne Vollendung des holden Brautschmuckes.

Warum will sie ihn durch die Falten des Schleiers verhüllen, warum ihn nicht frei schweben lassen über dem zarten Flor?


»Und mit der Myrte jungfräulichem Glanze

Vollende prangend sich das schöne Ganze.«

Schiller.


Den Brautstrauß empfängt die Jungfrau vom Bräutigam, er besteht meist aus Myrten, weißen Rosen und Orangenblüten.[152]

Mannigfacher Aberglaube webt sich auch in die Freuden des Hochzeitstages mit trüben Zukunftsahnungen. Macht euch frei davon, ihr jungen Bräute, und betretet mit Gottvertrauen, das Herz voll ernster, heiliger Vorsätze, die Schwelle des Gotteshauses, nicht aber erfüllt und beängstigt von den Bedenken Böses prophezeiender Trübsal.

Es soll kein Regentropfen in den bräutlichen Kranz fallen, heißt es, denn das bedeutet Unglück. Nun, es ist wohl so natürlich, daß sich jede ahnungsvolle Braut blauen Himmel und goldenes Sonnenlicht zu ihrem schönsten Ehrentage wünscht, wenn aber der Himmel trübe verschleiert ist, tröste sie sich dann lieber mit dem alten Sprichwort, das heißt: »Regen bringt Segen,« und ertrage sie ohne ernstliche Verstimmung die Ungunst des Wetters.

Perlen soll die Braut an ihrem Hochzeitstage nicht tragen, sie bedeuten Thränen, sagt das warnende Orakel. Gibt sie ihm Gehör, kann sie den Perlenschmuck an diesem Tage ja vermeiden, doch bei ernstlichem Nachdenken wird die Gebildete sich von der Unzulässigkeit solcher Vorurteile überzeugen und frei machen. Sie wird wissen, daß Thränen in keinem Menschenleben, also auch in dem glücklichsten Ehestand nicht ganz fehlen, denn Kummer und Schmerzen treffen jedes Herz einmal, daß aber gemeinsam in Gott und in treuer Liebe getragenes Leid beides ertragen und überwinden läßt.

Nach der Trauung verläßt die Braut am Arm ihres Neuvermählten die Kirche und nimmt in der daranstoßenden Sakristei die Glückwünsche ihrer Angehörigen entgegen. Bei dem Gang durch die in der Kirche versammelten Zuschauer bewahre sie einen sittsamen Ernst und grüße lieber die Bekannteren gar nicht, ehe sie, rechts und links sich nach ihnen umschauend, die Schicklichkeit verletzt.

Sie bewahre sich auch an der Hochzeitstafel diese ernste, würdevolle Haltung. Eine sich ausgelassener Heiterkeit hingebende Braut gibt zu allerlei Mißdeutungen Anlaß und verstößt gegen die gute Sitte. Immer stehe ihr der Ernst des wichtigen Schrittes, den sie thut, vor Augen; er beendet ihr bis dahin vielleicht sehr sorgenloses Mädchenleben und führt sie in ernstere, neue Verhältnisse und Pflichten.[153]

Quelle:
Ernst, Clara: Der Jungfrau feines und taktvolles Benehmen im häuslichen, gesellschaftlichen und öffentlichen Leben. Mülheim 3[o.J.]., S. 148-154.
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