Von der Wohnung.

[109] Das erste Bedürfniß des Menschen ist eine Wohnung.

Jeder Mensch muß seine Wohnung nach seinen Mitteln wählen und einrichten. Der Künstler kann nicht so[109] wohnen, wie der Handwerker, der Banquier nicht so, wie der Arme.

Jeder nach seinem Vermögen!

Das Glück kann eben so gut in dem Dachstübchen wohnen, wie in den luftigen Gemächern mit der prachtvollsten Einrichtung.

Es giebt sicher in jeder großen Stadt, und oft sogar in ganz gewöhnlichen Mittelstädten, einzelne Stadtviertel, die vor den andern Glück und Annehmlichkeit zu bieten scheinen; allein man muß sich bei der Wahl einer Wohnung nicht nur nach seinen Mitteln richten, sondern oft auch nach seinem Stande und seiner Beschäftigung. Dabei hat man aber nie nöthig, aus übelverstandener Sparsamkeit in feuchten, unreinlichen oder ungesunden Zimmern zu wohnen.

Für einen Beamten würde es unpassend sein, in allzu großer Entfernung von seinem Bureau zu wohnen, wohin er sich täglich begeben muß, und wo seine Anwesenheit oft vielleicht plötzlich und schnell erforderlich sein kann.

Man zeige keinen über seine Verhältnisse hinaus gehenden Luxus in Möbeln oder Dienerschaft; man vermeide in der ganzen häuslichen Einrichtung Alles, was auffallend ist oder nicht zu dem Uebrigen im Einklang steht. Ist die Familie zahlreich, so suche man es möglich zu machen, wenigstens so viel Räumlichkeit zu haben, als die Gesundheit erfordert. Um diesem Hauptzwecke zu genügen, darf man untergeordnetere opfern und die Wohnung in einem abgelegeneren Stadtviertel wählen, weil hier die Miethpreise gewöhnlich niedriger sind.

In seinem Hause muß man artig gegen die Mitbewohner sein, denen man begegnet, sie grüßen, wenn dieß auf der eigenen Treppe geschieht, sonst aber so weit wie möglich jede nähere Berührung vermeiden, weil dadurch nur allzuhäufig Klätschereien entstehen.

Mit dem Thürhüter, dem Hausmann, oder wer sonst die innere Ordnung des Hauses zu beaufsichtigen hat,[110] stelle man sich auf einen guten Fuß, denn diese Person bildet eine Macht im Staate, die man schonen muß, denn sie kann uns manchen kleinen Dienst erweisen, und uns große Nachtheile bringen, wenn sie uns feindlich gesinnt ist. Dabei vermeide man aber jede zu große Vertraulichkeit und lasse sich nicht in Klätschereien mit ihr ein, die leicht zu Feindseligkeiten mit den übrigen Hausgenossen führen können.

Mit seinem Hauswirthe vermeide man jede unangenehme Berührung, denn seine üble Nachrede, selbst wenn sie unbegründet ist, kann uns eben so viel Nachtheil bringen, wie sein Lob Vortheil. Ginge aber aus einer Reibung mit ihm weiter nichts hervor, als daß er uns die Wohnung kündigt, so reicht doch oft schon dieß allein hin, uns Unannehmlichkeiten mancher Art zu bereiten.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 109-111.
Lizenz:
Kategorien: