§. [114] 46.

Es würden sich sehr viele Beispiele von Krankheiten anführen lassen, die im Laufe der Natur durch Krankheiten von ähnlichen Symptomen homöopathisch geheilt wurden, wenn wir uns nicht einzig an jene (wenigen) sich stets gleichbleibenden, aus einem feststehenden Miasm entspringenden und daher eines bestimmten Namens werthen Krankheiten halten müssten, um von etwas Bestimmtem und Unzweifelhaftem reden zu können.

Unter diesen raget die wegen der grossen Zahl ihrer heftigen Symptome so berüchtigte Menschenpocken-Krankheit hervor, welche schon zahlreiche Uebel mit ähnlichen Symptomen aufgehoben und geheilt hat.

Wie allgemein sind nicht die heftigen, bis zur Erblindung steigenden Augenentzündungen bei der Menschenpocke, und siehe! sie heilte, eingeimpft, eine langwierige Augenentzündung vollständig bei Dezoteux38 und eine andre bei Leroy39 auf immer.

Eine von unterdrücktem Kopfgrinde entstandene, zweijährige Blindheit wich ihr nach Klein40 gänzlich.

Wie oft erzeugte die Menschenblatter-Krankheit nicht Taubhörigkeit und Schweräthmigkeit! und beide langwierige Uebel hob sie, als sie zu ihrer[114] grössten Höhe gestiegen war, wie J. Fr. Closs41 beobachtete.

Hodengeschwulst, auch sehr heftige, ist ein häufiges Symptom der Menschenpocke, und desshalb konnte sie durch Aehnlichkeit eine von Quetschung entstandene grosse, harte Geschwulst des linken Hodens heilen, wie Klein42 beobachtete. Und eine ähnliche Hodengeschwulst ward von ihr unter den Augen eines andern Beobachters43 geheilt.

So gehört auch unter die beschwerlichen Zufälle der Menschenpocke ein ruhrartiger Stuhlgang, und sie besiegte daher als ähnliche Krankheitspotenz eine Ruhr nach Fr. Wendt's44 Beobachtung.

Die zu Kuhpocken kommende Menschenpocken-Krankheit hebt, wie bekannt, eben sowohl ihrer grössern Stärke, als ihrer grossen Aehnlichkeit wegen, erstere sogleich gänzlich, homöopathisch, auf und lässt sie nicht zur Vollendung kommen; doch wird hinwiederum durch die ihrer Reife schon nahe gekommene Kuhpocke, ihrer grossen Aehnlichkeit wegen, die darauf ausbrechende Menschenpocke homöopathisch wenigstens um vieles gemindert und gutartiger gemacht, wie Mühry45 und viele Andre bezeugen.[115]

Die eingeimpfte Kuhpocke, deren Lymphe, ausser Schutzpockenstoff, auch noch einen Zunder zu einem allgemeinen Hautausschlage andrer Natur von (selten grössern, eiternden) gewöhnlich kleinen, trocknen, auf rothen Fleckchen sitzenden, spitzigen Blüthen (pimples), oft mit untermischten, rothen, runden Hautfleckchen enthält, nicht selten mit dem heftigsten Jücken begleitet, welcher Ausschlag bei nicht wenigen Kindern auch wirklich mehre Tage vor, öfterer jedoch nach dem rothen Hofe der Kuhpocke erscheint, und, mit Hinterlassung kleiner, rother, harter Hautfleckchen, in ein paar Tagen vergeht; die geimpfte Kuhpocke, sage ich, heilt durch Aehnlichkeit dieses Neben-Miasms ähnliche, oft sehr alte und beschwerliche Hautausschläge der Kinder, nachdem die Kuhpockenimpfung bei ihnen gehaftet hat, vollkommen und dauerhaft nach Homöopathie, wie eine Menge Beobachter46 bezeugen.

Die Kuhpocken, deren eigenthümliches Symptom es ist, Armgeschwulst47 zu verursachen, heilten nach ihrem Ausbruche, einen geschwollenen, halb gelähmten Arm48.[116]

Das Fieber bei der Kuhpocke, welches sich zur Zeit der Entstehung des rothen Hofs einfindet, heilte homöopathisch ein Wechselfieber bei zwei Personen, wie Hardege der jüngere49 berichtet, zur Bestätigung dessen, was schon J. Hunter50 bemerkt hatte, dass nicht zwei Fieber (ähnliche Krankheiten) in einem Körper zugleich bestehen können. –51

In Fieber und in Hustenbeschaffenheit haben die Masern viel Aehnlichkeit mit dem Keichhusten[117] und desshalb sah Bosquillon52, dass bei einer Epidemie, wo beide herrschten, viele Kinder, welche die Masern damals überstanden hatten, vom Keichhusten in dieser Epidemie frei blieben. Sie würden alle und auch in der Folge, vom Keichhusten frei und unansteckbar durch die Masern geworden seyn, wenn der Keichhusten nicht eine den Masern nur zum Theil ähnliche Krankheit wäre, das ist, wenn er auch einen ähnlichen Hautausschlag, wie die letztern bei sich führte. So aber konnten die Masern nur Viele, und nur in der gegenwärtigen Epidemie von Keichhusten, homöopathisch frei erhalten.

Wenn aber die Masern eine im Ausschlage, ihrem Hauptsymptome, ähnliche Krankheit vor sich haben, da können sie dieselbe ohne Widerrede aufheben und homöopathisch heilen. So ward eine langwierige Flechte vom Ausbruche der Masern sogleich gänzlich und dauerhaft (homöopathisch) geheilt53, wie Kortum54 beobachtete. Ein äusserst brennender, sechsjähriger, frieselartiger Ausschlag im Gesichte, am Halse und an den Armen, von jedem Wetter-Wechsel erneuert, ward von hinzu kommenden Masern zu einer aufgeschwollenen Haut-Fläche;[118] nach dem Verlauf der Masern war das Friesel geheilt und kam nicht wieder55.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Dresden, Leipzig 51833, S. 114-119.
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