Empfindlichkeit, Eigensinn und Zanksucht

[75] Empfindlichkeit, Eigensinn und Zanksucht.


Der Eigensinn glaubt immer gewichtige Gründe für die Richtigkeit seiner Meinungen und Behauptungen zu haben, läßt sich also durch vernünftigen Widerspruch selten besiegen, indem er eben keinen Sinn für die Möglichkeit hat, daß Andrer Meinung eine bessere seyn kann; dieß ist jedoch sehr oft der Fall, und liefert daher einen[75] sichern Beweiß, daß nur schwache Männer oder Frauen eigensinnig seyn können, indem sie einer unhaltbaren Meinung die Vernunft aufopfern. – Die Zanksucht ergreift begierig auch die geringste Gelegenheit, um Zwist anzufangen, und spinnt dann den Faden so lang als möglich, indem ihr beim ersten Streite tausend andre Dinge einfallen, welche dann sogleich mit ausgefochten werden: ein Blick ist der Zanksüchtigen genug zum Zwiste.

Eine Dame ist entweder empfindlich, d.h. aufgebracht und verdrießlich über eine unverdiente Beleidigung, die ihr oder Jemand andern widerfährt, oder sie ist empfindlich aus Eitelkeit, aus Ehrgeiz oder sonst einer Charakterschwäche.

Der erste Grund ist ein sehr ehrenvoller, er zeigt eine edle Weiblichkeit, die sich nichts gegen einen Unartigen vergiebt; ein gutes Herz, das gern des Unterdrückten[76] Parthie nimmt. Von dieser edlen Empfindlichkeit soll hier nicht die Rede seyn, wohl aber von der, die aus Characterschwäche kommt.

Unerträglich ist ein Frauenzimmer, das jedes Wort wiegt und prüft, um ihre Bemerkungen, ihren scharfen Tadel darüber auszusprechen – unerträglich andern und sogar sich selbst.

Wie ist es nur möglich, es einer Empfindlichen Recht zu machen? Gerade dann, wenn sie uns am liebenswürdigsten scheint, und wir uns bestreben, ihr eine angenehme Unterhaltung zu gewähren, und, selbst von der ihrigen bezaubert, im Laufe des Gesprächs reden, wie es das Herz uns eingiebt – gerade dann kann ein ganz unbefangen gesagtes Wort das Mißfallen der Dame erregen, sie wird schnippisch, ironisch – wir wissen nicht, warum? sie bricht kurz ab, läßt uns wohl[77] gar stehen, und dies nur aus Empfindlichkeit!

Ist sie eitel, so ist gewöhnlich die Ursache ihrer Verstimmung eine zu schwache Dosis Lob ihrer, oder eine zu starke der Liebenswürdigkeit anderer Frauenzimmer – beides ist gleich beleidigend.

Gewöhnlich ist mit der Empfindlichkeit auch Eigensinn verbunden, und aus beiden entsteht die Zanksucht. Wie mancher Ehegatte seufzt tief unter dem schweren Joche dieser beiden. Wie mancher Jüngling verwünscht diesen einzigen Fehler der Heißgeliebten!

Mit einem eigensinnigen Frauenzimmer umzugehen, ist eine sehr große Kunst, und es gehört viel Feinheit und Lebensklugheit dazu, ein solches Verhältniß erträglich zu machen. Hat ein junger Mann diese Last von Verwandten oder Freundinnen zu tragen,[78] dann rüste er sich mit Geduld, und behaupte sei nen festen Charakter. Nachgiebigkeit verdirbt da alles – Kleinigkeiten und Widerspruch in diesen nehme man leicht auf, beantworte sie gar nicht, oder mit einem feinen Lächeln – aber in wichtigen Sachen hüte man sich ja, einem eigensinnigen Frauenzimmer auch nur einmal nachzugeben. Denn wer das erste Mal verliert, der glaube nur ja nicht, daß er jemals die leitenden Zügel der Herrschaft wieder erlange – dann ist es mit der zu hoffenden Besserung ganz vorbei.

Man setze also gleich bei der ersten Mißhelligkeit der zankenden Dame, die gewöhnlich nur aus Laune anfängt zu necken, Ruhe und Kaltblütigkeit entgegen, und zeige ihr mit mildem Ernste ihr Unrecht – das gute Herz fühlt dieß dann bald und vergißt die zarte Behandlung nie. Für künftige Fälle nimmt sie sich schon besser[79] zusammen, um nicht noch einmal, sey es auch noch so sanft, beschämt zu werden.

Jedenfalls rathe ich aber einem jungen Manne, den Umgang mit eigensinnigen Damen ganz zu meiden, wenn es nur irgend seine Verhältnisse gestatten.

Lieber Himmel, wer kann denn im blühenden, kräftigen Jugendalter, wo das Hetz auf der Zunge liegt, wo man gern seine Emfindungen mittheilt, wo besonders der Umgang mit Damen uns ganz verändert, so daß wir diese nur als Göttinnen, kaum dem Meeresschaume entstiegen, betrachten – wer kann denn da immer ängstlich wägen und prüfen, sichten und über legen? Es darf auch nicht seyn, und ein junger Mann, dessen Phantasie in ihrem Fluge gestört, dessen Aufschwung zum Höhern, Bessern durch kalte Berechnung gefesselt werden soll, wie ist er zu bedauern; und eine schwere Fessel ist ihm der Umgang[80] mit eigensinnigen Naturen, die ihn nicht verstehen, seine besten Absichten mißdeuten, und mit Spott jede Aeußerung seines Gefühls lächerlich zu machen suchen.

Eine sichere Erfahrung ist es, daß Frauenzimmer, welche die Gränze der blühenden Jugend überschritten – schon anfangen eigensinnig zu werden; alte Jungfern (ein häßlicher Ausdruck, ich weiß aber keinen mildern, welcher so paßte) sind immer eigensinnig, und gewöhnlich zanksüchtig. Der Umgang mit letzteren ist, wenn ihre Gutmüthigkeit und Geistesbildung den Fehler nicht mildert, eine Pein! Gnade Gott dem Jünglinge, der in demselben nicht einen unerschütterlichen Gleichmuth, scheinbare Nachgiebigkeit und ernstliche Festigkeit beobachtet – er wird geplagt werden auf alle mögliche Weise; nichts wird der mit sich selbst unzufriedenen Schönen recht seyn, kein freundliches Wort ihr genügen – denn sie will immer noch Schmeicheleien hören,[81] sie will ihren Spiegel und ihre Jahre Lügen strafen.

Man bedenke aber dennoch dabei, daß sie den Beleidiger hart büßen lassen kann, indem sie gewöhnlich eine Menge Vettern, Basen und andere Verwandte hat, mit welchen im Bunde sie keine Mühe scheut, ihrem Eigensinn Hülfe, ihrem Zorn durch Schaden des Gegners Genugthuung zu verschaffen. Hangt man daher von ihnen ab, so schone man ihrer.

Ein Hauptfehler der Frauenzimmer ist ohne Zweifel


Quelle:
Hoffmann, Karl August Heinrich: Unentbehrliches Galanterie-Büchlein für angehende Elegants. Mannheim 2[1827], S. 75-82.
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