Am Buffet, Schalter, im Laden.

[74] Alles Drängen und Stoßen an den Schaltern der Eisenbahn-, Theater- und anderen Cassen ist grob und ungezogen. Stets hat man dort die bestimmte Reihenfolge zu respectiren. Ist man sehr eilig, wie es ja vorkommen kann, muß man höflich um Erlaubniß bitten dem Andern vorzugehen.

Sehen wir eine Dame oder ältere Person, und erlaubt es unsere Zeit, ist es artig, derselben Platz zu machen, auch behilflich zu sein, sollte Jemand mit dem Gelde oder Fahrplan u.s.w. nicht Bescheid wissen.

Gehen wir (im Bahnhof, Theater, Restaurant u.s.w.) einer Person voran, schickt es sich nicht, ihr die Thür vor der Nase zuzuschlagen, sondern man läßt sie geöffnet oder hält die Thür fest, bis die Person durchgegangen ist.

Am Buffet ist ein höfliches Benehmen ebenfalls zu empfehlen. Man kann dort, besonders in den Bahnhofs-Restaurants, bei Benutzung der Schnellzüge unglaubliche Ungezogenheiten wahrnehmen. Die Menschen treten, stoßen, begießen einander, ohne nur mal ein Wort der Entschuldigung zu finden und doch würde sich mit etwas Rücksicht die Sache weit leichter ordnen lassen, und Jeder würde zu seinem Recht, resp. Glas Bier oder Butterbrot kommen. Derjenige, der erhalten hat was er wünscht, hat zurück zu treten, und während er ißt oder trinkt, dem Andern Platz zu machen, nicht aber am Buffet Posto zu fassen und Niemanden neben sich zu dulden. Leben und Lebenlassen heißt es auch hier.

Ehe man einen Laden betritt, entschließe man sich, ob man wirklich kaufen will, im andern Falle sage man offen, daß man nur etwas zur Ansicht wünsche, den Preis erfahren wolle u.s.w. Nicht aber lasse man sich immer und immer wieder neue Waaren vorlegen, nehme die Geduld und Zeit des Verkäufers über Gebühr[74] in Anspruch und gehe dann fort, ohne etwas zu nehmen. Es kann gewiß vorkommen, daß wir den Artikel, den wir suchen, nicht finden. Ein Wort der Entschuldigung ist da freundlich. Ebenso soll aber auch der Verkäufer freundlich bleiben und mit Aufmerksamkeit einen Kunden bedienen, der nur wenig nimmt, oder dem das nicht paßt, was man ihm vorlegt.

Dem Kaufmann ist es nicht zu verdenken, wenn er durch Anpreisen seiner Waare das Publikum zum Kaufen zu animiren sucht. Aufdringlich sollte er indessen nie werden. Dieses gilt besonders für die Commis voyageurs, denen mancher durch Verleugnen, Verstecken u.s.w. zu entgehen sucht.

Für den Käufer bemerke ich, daß er ruhig zu warten hat, wenn der Verkäufer eben mit einem andern Kunden beschäftigt ist, nicht aber diesen zur Seite und sich vordrängen muß. Verläßt der Vorhergekommene den Laden, hat der Wartende zu beanspruchen, dann sofort bedient zu werden und darf der Kaufmann nicht einen später eingetretenen, vielleicht vornehmeren Kunden, ihm vorziehen.

Alle Personen, die bei Kassen, Schaltern, Laden oder Büreaus angestellt sind, bitte ich stets und immer zu bedenken, daß sie des Publikums wegen da sind und nicht das Publikum ihretwegen. Sie werden dann geduldig Auskunft geben, auch denen, die schwer begreifen oder nicht verstehen können. Sie werden sich einer deutlichen Sprache befleißigen und Niemanden mit halben Worten Bescheid geben, sie werden diejenigen Menschen, die eilig sind, schnell abfertigen und nicht etwa eine Unterhaltung mit einem Kollegen führen oder ihr Frühstück verzehren, während Jemand vor dem Schalter wartet. Sie werden sich hüten vor einer Grobheit, über die sich das Publikum so häufig und mit Recht beklagt.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 74-75.
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