Kenntniß seiner selbst

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Kenntniß seiner selbst

das erste Erforderniß eines klugen, bedächtigen Pilgers auf der Lebensbahn. Ohne sie bleibt der Mensch ein Spiel der muthwilligen Willkühr, und man findet keinen Plan, keine Einheit in seinem Lebenszweck; Einheit ist aber das, worauf alles in der physischen und moralischen Welt, in allen Verhältnissen wieder zurückkehrt, und an die Einheit schließt sich unwillkührlich die Einfachheit, das Einfache. Man hat ein Sprichwort: er sieht den Wald vor allen Bäumen nicht; und eben so wird der Lebenswanderer den einfachen, schmalen, einzig richtigen Steg durch das Waldgebirge des Lebens ohne Kenntniß seiner selbst, ohne genaue Aufmerksamkeit auf sich selbst nicht finden. Das γνοτι σεαυτον der griechischen, das nosce te ipsum der römischen Weltweisen steht immer noch bewährt an der Spitze der Erfordernisse. In einem Werk, welches den Menschen als väterlicher Freund begleiten soll, aus welchem er die Wahrheiten schöpfen soll, welche ihn selbst beruhigen, klüger und weiser machen, und die vielen kleinen Vortheile ihm zeigen, die er kennen und auffassen soll, um in dem geselligen Umgang für sich und andere zu gewinnen, in einem solchen Werk mit Axiomen, mit nackter Aufstellung der Weisheits- und Klugheitsregeln anzufangen, ohne das – warum sie es sind – zu geben, verfehlt den Zweck, und dringt das Buch nur als Glaubenslehre auf. Der Leser muß vielmehr, so viel es sich thun läßt, seinen eignen Lebensgang, sich selbst darin wieder finden, es muß ihm eine Rückerinnerung der Vergangenheit, ein Spiegel seiner[2] Zukunft sein, und dann führt es ihn zweckmäßig zu seinem gegenwärtigen Selbst zurück.

Die Mißgriffe, sich wohl zu betten, sind unzählbar, und es giebt wenige Menschen, welche von sich sagen können, ich mußte so und nicht anders handeln, so und nicht anders mich benehmen, um meinen Zweck, ungestörte, auch andern wohlgefällige Lebensruhe dauernd zu gewinnen. Da nun diese Mißgriffe immer von uns selbst ausgehen, indem wir, bei Licht besehn, aus entschuldigendem Eigendünkel häufig dem Zufall, den Umständen, einem widrigen Geschick das aufbürden wollen, was wir selbst verschuldeten, so ist nichts für uns nöthiger als Selbstkenntniß, Aufmerksamkeit auf unsere Handlungen und Benehmen, um aus deren Folgen, Wirkungen und Eindrücken auf andere, uns Resultate für die kommenden Tage zu ziehn. Denn es ist schlimm, daß der Mensch eher den Splitter in des andern Auge, als den Balken in seinem eignen sieht, und es ist schlimm, daß es so wenige aufrichtige Freunde, Bekannte und Verwandte giebt, die uns gerade hin fügen: da und darin fehltest du, da und darin mußtest do so dich benehmen, das und das urtheilt die Welt von dir, wenn du so fortgehst als jetzt, wirst du auf die und die Abwege gerathen u.s.w. Doch aber bemerkt der Dritte immer schneller und sicherer, als wir selbst. Zu spät schöpfen wir aus der Vergangenheit Resultate für unsere Zukunft, indem diese Vergangenheit schon feindliche Folgen in unsere Zukunft legte und diese verspätete, eigne Erfahrung macht wohl klüger, weiser, aber nicht immer glücklicher. Das Lernen aus Erfahrung stellte schon unser Gerücht,[3] unsern Ruf, unsern Namen, wovon im bürgerlichen Leben, zu dem wir geboren sind, zu welchem wir immer wieder hingezogen werden, so viel abhängt, fest, und einen einmal aus Unkunde oder Unbesonnenheit oder Unachtsamkeit, oder aus thörigter Geringschätzung der allgemeinen Meinung verlornen Ruf wieder zu gewinnen, hält unendlich schwer. Es ist eine zwiefache Arbeit, denn wir müssen erst den schlechten Ruf, in welchem der größte Theil der selbst schwachen, alles befeindenden Menschen uns lieber sieht, niederreißen und ein neues Gebäude aufführen, wozu niemand gern Steine reicht, weil er fürchtet, daß es größer und schöner werden mögte, als sein Schwalbennest, aus dem er heraus zwitschert.

Sein eignes »Ich« in uns selbst, und dessen Wirken in den Verhältnissen außer uns in reiner Anschauung kennen zu lernen, ist keine leichte Mühe. Schon bei dem Kinde hält es schwer, ihm das Abstractum seines »Ich« begreiflich zu machen. Es hat bereits viele Anschauungen und Begriffe, es fällt schon Urtheile, und sagt immer noch nicht, ich will das haben, ich habe das gethan; sondern, Carl will das haben, Carl hat das gethan.2 Eben so geht es dem erwachsenen Menschen mit seinem »Ich!« Es ist das, was er gewöhnlich zuletzt kennen lernt, und doch sollte es ihm das Nothwendigste sein, diesen Urquell des Egoismus, diese Spindel, um welche sein ganzes Leben sich drehet, kennen zu lernen.[4]

Daher sehn wir denn auch, daß die größten Gelehrten, welche die Wiederkehr eines Kometen für Jahrhunderte auf die Minute berechnen, in dem gesellschaftlichen Umgange anstoßen, und sich lächerlich machen; daß der anerkannt kluge Kopf da vergebens ringt und strebt, sich ein Wohlsein zu verschaffen, wo der Flachkopf gemächlich durch das Leben schreitet; daß der sparsame Hauswirth zu nichts gelangen kann, wenn der, welcher das Geld wegzuwerfen scheint, reich wird; daß der angestrengteste Fleiß unbelohnt bleibt, wo bei mäßiger Arbeit andere sich Gewinn verschaffen; daß der größte Denker in Amt und Würden dem oberflächlichen, aber practischen Kopfe den Vorrang lassen muß; daß die größte Mäßigkeit im Genuß Kränklichkeit nicht entführen mag, wenn der anscheinende Schwelger wohl lebt; daß der schärfste Witzling in Gesellschaft von einem flachen Schwätzer zum Schweigen gebracht wird; daß der weise Mann in die Gesellschaft und Gewalt schlechter Menschen geräth, und ihr sich nicht entwinden kann und will; daß der wahrhaft biedere, ehrliche, rechtliche Mann verkannt, gemißdeutet, seines Rufes, seines guten Namens beraubt wird; daß Weltweise die Sclaven unwürdiger Leidenschaften werden, und der Freidenker vor einem Gewitter zittert; daß der Held im Felde vor einer Maus, vor einer Spinne flieht; daß der Schriftsteller, wenn wir ihn persönlich kennen lernen, lange nicht der vollendete Mensch ist, wie wir ihn uns träumten. Seneca, der über Verachtung der Reichthümer schrieb, war einer der reichsten Männer in Rom; Cicero, der Verachtung des Todes lehrte, war ein furchtsamer Mensch; ein Deutscher,[5] der in seinen herrlichen Schriften den Gelehrtenstolz unerträglich findet, äußerte in Gesellschaften einen pedantischen Gelehrtenstolz, und ein anderer, nicht minder achtungswerther deutscher Schriftsteller, der gegen den Adelstolz eifert, war von seiner Particul »von« oft bis zur Lächerlichkeit eingenommen.3

Größtentheils fließt dieser Widerspruch aus dem Mangel an Selbstkenntniß her, und um so mehr müssen wir diesen Mangel bedauern, da wir ihn mehrentheils bei Menschen finden, die wohl werth wären, eine bessere Rolle in der bürgerlichen Gesellschaft und überhaupt in der Welt zu spielen. Dem geltenden Kopf wird es aber auch allerdings schwerer, diese, zu äußerer Ruhe führende Selbstkenntniß zu erlangen, als dem Altagsmenschen. Dieser nämlich wird schneller darauf hingeführt, eine Lebensklugheit aus dem Umgang mit andern Menschen für den fernern Umgang sich zu sammeln, denn das Gefühl seiner eignen Schwäche, seines Mangels an innerer Kraft zeigt ihm seine Abhängigkeit an andern Menschen und die Nothwendigkeit, sich in sie, und nach ihnen zu fügen. Daher wird er auch aufmerksamer auf sich selbst, der Trägheitssinn thut auch das seinige, er findet es bequemer, auf der gebahnten Straße mit dem Haufen fortzuziehen in feiner Zucht, Ordnung und Gemächlichkeit, und von ihm gilt die Gellertsche Fabel: er ward geboren, lebte, nahm ein Weib und starb. Mit einem Wort,[6] der Schwachkopf kann nicht Original sein; er bildet sich durch Nachahmung, und diese führt ihn bald auf den Weg bürgerlicher Bequemlichkeit.

Der Mensch aber, dem die Natur mehr Stärke des Geistes, mehrere Gaben verlieh, der weiter blickt, und in höhern Räumen berechnet, will aus sich selbst seine Welt hervorspinnen, seine eigne Bahn sich aufsuchen. Er beachtet die Kleinigkeiten des gesellschaftlichen Lebens nicht so, als sie beachtet werden müssen, denn er erwägt nicht, daß alles Ganze, alles Große aus Kleinigkeiten zusammengesetzt ist, und so sehn wir ihn überall anstoßen, woraus ein Mißverhältniß zwischen ihm und der wirklichen Welt entsteht.

Daher sagt man oft von einem solchen Menschen, er führe ein geniales Leben. Man darf aber unter dieser Bezeichnung nicht ein, wie es den Anschein hat, ihn selbst beglückendes Leben suchen wollen, denn ihm mangelt das, was manche Freude giebt, Ansprache, gesellschaftlicher Genuß, gesellschaftliche Mittheilung und überhaupt gesellschaftliche Harmonie und Verbindung mit den Menschen. Er ist bei dem Lebensmenschen nicht unter seines Gleichen. Der große, der geniale Kopf unterliegt gewöhnlich im wirklichen Leben, da die Flachheit, die Beschränktheit die Mehrzahl ist, so wie denn überhaupt die Welt ein Gut erst anerkennt, wenn sie es nicht mehr besitzt.

Niemand mag trotzend auftreten und sagen wollen: ich bin unabhängig, ich kann ganz leben, wie meine Laune es mir eingiebt, ich bedarf der Menschen nicht, und sie müssen sich nach mir, nicht aber ich mich nach[7] ihnen richten! Ein solcher Trotz rächt sich bald an uns selbst. Der Mensch ist dem Menschen unentbehrlich, und das non bene vixit, qui non latuit des Cartesius ist nicht wörtlich anzuwenden. Um beständig eingezogen zu leben, muß man etwas mehr als andere, oder etwas weniger als die Thiere sein. Mag unsere äußere Lage noch so unabhängig sein, so kommen doch Zeiten, wo wir nach gesellschaftlichem Umgang uns sehnen, wo wir gern in den Ton unserer Umgebungen uns einstimmen, oder nach unserer Meinung herabstimmen mögten, und geht dieses nicht, stoßen wir an, oder werden wohl gar zurückgewiesen, so rächt sich die Vermessenheit des Eigendünkels, selbst seine Welt sich bilden zu wollen.

Der größte Theil der Menschen ist aber in einer nothwendigen Abhängigkeit von den Menschen, und die äußere Lage erfordert, sich ihnen anzueignen. Gefallen wir ihnen nun, wollen sie uns wohl, so werden in unserm Lebensplan wenigere Hindernisse uns aufstoßen, mit leichterer Mühe können wir das von ihnen gewinnen, was wir wünschen. Auch muß es uns wohl thun, in guter Meinung bei ihnen zu stehn, und wer darüber sich hinwegsetzen kann, von seinen Mitmenschen nicht geachtet, oder geliebt, wohl gar gefürchtet zu werden, der ist entweder ein höchst gefährlicher Mensch, oder ein sehr unglücklicher Mensch, oft aber auch beides zugleich.

Da es nun, wenn wir als Männer in die Welt hinaustreten, schwer hält, die Lebensregeln, die zu unserm Frieden dienen, gleich mit bringen, aus uns selbst entwickelt sie in Anwendung bringen zu wollen; da eine kostbare Erfahrung sie uns erst giebt, und oft viel zu[8] spät; da aus mißverstandener Schonung die Wahrheit über uns selbst so selten uns gesagt wird, Eigendünkel und Eigenliebe, Selbstsucht und ein gefährlicher Stolz auch das ihrige thun, unsere Schwächen, die wir ablegen sollten, zu bemänteln, bei dem Mißglücken unseres Beginnens die Schuld von uns selbst abzuwälzen; so ist es gut, in den Büchern, in welchen die Lebenserfahrungen niedergelegt wurden, das für uns aufzusuchen, was der Freund uns nicht sagen mag, wir selbst uns nicht gestehen wollten.

Wenn es nun dem Reisenden zu dem großen Jahrmarkt Ernst ist, sich selbst kennen lernen zu wollen, – und es muß sein Ernst seyn, – so wird er zunächst wohl thun, sich ein Vorbild zu wählen. Diese Wahl muß aber auf einen Gegenstand gerichtet seyn, welcher sich den Verhältnissen, unter denen wir in die Welt treten, ohngefähr aneignet. Es würde daher thörigt seyn, wenn der angehende Kaufmann den Alexander von Macedonien, der Erzieher der Jugend einen Diogenes, der Rechtsgelehrte einen Kolumbus, der junge Krieger einen Leibnitz oder Kant zum Vorbilde wählen wollte. Sie muß ferner lange geprüft und reiflich erwogen sein, ehe wir danach zu handeln streben, ehe wir das Vorbild uns eigenthümlich zu machen suchen. Denn jeder Wechsel darin macht uns selbst unbestimmt, vielseitig, schwankend. Nichts wird von andern an uns leichter in der Außenwelt bemerkt, als dieses Vielseitige, Schwankende, indem sie nach dem, wie wir zuerst uns darstellten, unsere Eigenthümlichkeit sich entwerfen, und nach diesem entworfenen Bilde uns behandeln, handhaben; finden[9] sie uns nun auf Widersprüchen damit, so heißt es: er ist ein unbestimmter, launiger, characterloser Mensch, und dieser gewinnt kein Vertraun, kann in einer, den Menschen berechnenden Welt kein Vertraun gewinnen. Dieses Characterlose, Vielseitige vieler Menschen ist oft freilich eine Folge des Temperaments, der körperlichen Konstitution; oft aber auch eine Folge des Mangels an einem bestimmten Vorbilde, wo denn Nachahmungssucht, von welcher kein Mensch ganz frei ist, uns bald zu dieser, bald zu jener Gestalt führt. – Eben so müssen wir, was sich von selbst versteht, einen edlen Gegenstand zur Nachahmung aufgesucht haben. Fiel unsere Wahl auf einen Mann, den die Geschichte nennt, so vermeiden wir einen Fehler, in welchen man leicht fallen kann, wenn das Muster aus der wirklichen Welt entnommen ist. Die Geschichte nemlich zeigt uns nur die glänzenden Seiten, das nach außen wirkende Große des Mannes; der wirkliche Mensch aber hat seine kleinen Eigenthümlichkeiten, welche bei ihm um seiner Größe willen übersehn werden, oder ihn wohl gar kleiden können; glauben wir in deren Nachahmung unserm Vorbilde näher zu treten, so werden wir affectirt, geziert, und verlieren unsere Eigenthümlichkeit, sofern wir bei den Kleinlichkeiten des Vorbildes nicht in seiner Größe ihm uns gleich stellen können.

Besser ist es freilich, ein solches Muster unter den Männern unserer Zeit, und wo möglich unter denen, mit welchen wir in näherer Beziehung stehen, aufzusuchen, und fast ein jeder kennt wohl in seinem Verhältniß einen bewährten, geehrten Mann, an dessen Stelle[10] er wohl stehn mögte. Er ahme ihm nach, er lasse den Muth nicht sinken, ihn erreichen zu können, denn mit ernstem Willen und ausdauernder Beharrlichkeit vermag der Mensch viel, und auch jene Vorbilder waren Kinder, Knaben, Jünglinge wie wir!

Ist nun die Wahl fest, unwandelbar entschieden, ist sie bewährt, ist das Vorbild dazu nach und nach durch unsere Einbildungskraft zu einem Ideal erhoben, so gelangen wir dadurch zu einer Einheit in unserer Handlungsweise, zu der Selbstständigkeit und Festigkeit, welche, wenn sie nicht in Unbiegsamkeit und Starrsinn ausartet, dem Manne das größte Theil seiner Würde verleiht. Das Ausdauern bei der nach unserm Vorbilde uns vorgeschriebenen Handelsweise ist durchaus erforderlich. Mag das uns auch oft in augenblickliche Verlegenheit, Unannehmlichkeit setzen, mögen wir bei diesem oder jenem dadurch anstoßen, oder mag es von uns heißen, wir suchen das Auffallende, das Sonderbare; das alles verliert sich, wenn man uns fortgesetzt so handeln sieht, man achtet es, daß wir einen unwandelbaren Lebensplan haben, wir gewinnen Energie, und wir erreichen, vielleicht späterhin erst, doch wir erreichen das Ziel, wenn wir mit den kleinen Anstößen und Aufenthalten spielen. Dieses Vorbild sei unser beständiger Begleiter, unser Palladium, es sei der Mentor des Telemach, mit dem wir in Stunden der Weihe ein Geistergespräch führen. Sind wir zweifelhaft über unser Thun und Benehmen, so fragen wir uns: was würde in gleicher Lage dieser, dein väterlicher Freund, gethan haben, wie würde er sich benommen haben? Da wir nun einen[11] erhöheten, veredelten Gegenstand vor uns haben, so werden wir, wenn wir ihn von unserm »Ich« isoliren, auch finden, daß er anders gehandelt, anders sich benommen haben würde, und dies zeigt uns, wie weit wir noch von ihm entfernt sind, und lehrt uns Mißgriffe, Schwächen, Fehler kennen, und bewahrt uns vor Ueberhebung, Uebermuth, Unbescheidenheit.

Nicht minder wichtig ist die Aufrichtigkeit gegen sich selbst. Bei dieser sind Eigenliebe, Eigendünkel, und entgegengesetzt wieder Kleinmuth und Mißtraun gegen sich selbst zu bekämpfen. Von diesen Ausartungen des Guten wird späterhin die Rede sein.

In dem Augenblick des Handelns, in dem Geräusch der Gegenwart, verlieren wir oft die unmittelbare Achtsamkeit auf uns selbst aus den Augen, und am Abend machen die Ermüdungen des Tages, die Zerstreuungen aller Art, vielleicht auch noch eine Leidenschaftlichkeit es weniger möglich, und uns weniger dazu geneigt, Wahrheit über uns selbst uns geben zu wollen und zu können. Am folgenden Morgen aber, und das muß ununterbrochen geschehen, können und müssen wir einige Zeit der Rückerinnerung an den vergangenen Tag widmen.

Ganz muß er wieder entfaltet vor uns da liegen; wir müssen wieder zurückgehn in die Kleinigkeiten unsers Thuns und Benehmens; in gleicher Art müssen wir das Benehmen derer, mit welchen wir zu thun hatten, uns vergegenwärtigen, ihre Behauptungen, ihre Meinungen uns wiederholen, und prüfen, ob sie danach handelten, und nach unserer Ansicht auch recht handelten. Jetzt[12] urtheilen wir nüchterner, ruhiger, sicherer und freier über uns, wir stellen uns in ein richtigeres Verhältniß mit der Gesellschaft, und finden uns bei den Mißgriffen, welche wir gestern thaten. Diese Gewöhnung erleichtert es, aus den Erfahrungen Lebensklugheit zu sammeln, und zugleich lernen wir dadurch, mehrere Aufmerksamkeit auf die Wahrheit des Benehmens anderer zu richten. Stellten wir diese Prüfung am Abend an, so verwischt die dazwischen liegende Nacht schon manches wieder von den Vorsätzen für den folgenden Tag, von den kleinen Bemerkungen, die wir über uns selbst und über andere machten; so aber gehen wir mit eben genommener Ueberlegung sicherer in das Gewirr des neuen Tages hinein.

Fangen wir nun mit diesem Vorsatz mehrerer Aufmerksamkeit auf uns selbst den Tag an, statt ihn damit zu beschließen, so wird sie allmählig eine wohlthätige, leichte, andern und uns selbst unbemerkbare Gewöhnung. Denn, wird sie von andern bemerkt, so schreckt sie den Nebenmenschen von dem Umgang mit uns ab, und macht ihn mißtrauisch gegen uns, und wenn wir mit voller Gegenwart sie beständig für uns erzwingen wollen, so erlahmen wir entweder bald bei dem ermüdenden Werk, wo wir die leichten, schnell vorüberfliegenden Scherze der Freude nicht genießen können, oder wir erscheinen als kalt, steif, pedantisch, mißtrauisch.

Um die Aufmerksamkeit auf uns selbst, und die daraus herfließende Aufrichtigkeit gegen uns selbst zu einer unbemerkten Gewöhnung zu machen, ist es daher auch nothwendig, das Tagebuch über uns selbst nicht am Abend, sondern am folgenden Morgen zu führen.[13]

Wer die Führung eines Tagebuchs überhaupt, das des Feldherrn, des Seefahrers und des reisenden Handlungsgehülfen etwa ausgenommen, für kleinlich, für schülerhaft hält, spricht sich selbst das Verdammungsurtheil, daß er in die Welt hinein lebt, wie der Zufall sie ihm bringt; daß er so eigentlich nicht mit sich einig ist, ohne auch den Willen zu haben, es werden zu wollen, und wer da sagt, er habe keine Zeit dazu, ein Tagebuch über sich zu führen, der erklärt auch, daß er keine Zeit zum Gebet habe. Ein Mensch, der seine Zeit einzutheilen weiß, hat zu allem Zeit.

Wir selbst sind uns doch die Nächsten, und da die Führung eines Tagebuchs so überaus vortheilhaft für uns ist, so gehe dieses allen unsern Morgenbeschäftigungen voran. Die bloßen Betrachtungen über uns selbst im innern Anschaun gehalten, sind nicht so klar, verwischen sich leichter, und werden auch wohl gemach unregelmäßiger und ungetreuer; das Tagebuch aber ist ein strenger Aufseher, der eine genaue Haushaltung führt.

Ein solches Tagebuch muß nicht sowohl eine Postille, eine Chronik der Begebenheiten des vergangenen Tages, ein Zeitungsblatt sein, als vielmehr eine Auseinandersetzung dessen, was wir bei unsern kleinen Begebenheiten dachten, empfanden, wie wir uns benahmen, und welche Folgen davon wir entweder schon hatten, oder noch erwarten. Fanden wir uns nun dabei auf Leichtsinn, Unanständigkeit, unrichtiger Behandlung anderer Leidenschaft, und überhaupt auf linkischem Betragen, so müssen wir das getreulich niederschreiben. Das will man denn nun freilich nicht gern, aber es muß geschehen,[14] wenn der gute Zweck nicht verfehlt werden soll. Denn eben dieses Niederschreiben, dieses schriftliche Bekenntniß unserer großen und kleinen Mängel befreiet uns von einem großen Theil des Eigendünkels, der uns gegen uns selbst blind macht, und wodurch wir bei andern so oft anstoßen.4

Das Zurückblättern in unserm Tagebuch ist nicht nur eine sehr angenehme Beschäftigung, sondern auch wohlthätig und folgenreich für unsere ferneren Tage. Angenehm um deswillen, da nach einer weisen Einrichtung der Natur nur das Freudige, das Genußreiche in den Gedächtnißtafeln hervorleuchtet, und selbst das Herbe, das Bittere in den Schleier der Beruhigung gehüllt ist; folgenreich für unsere fernern Tage aber um deswillen, weil wir nun Schritt vor Schritt unser früheres Streben mit der Wahrheit des Erfolgs zusammenstellen, und deutlicher sehn können, ob wir unserm Ziel näher gekommen sind, und was in unserm Beginnen besonders uns nützte, diesem Ziel näher zu treten. Eine große Beruhigung für die Bedrängnisse der Gegenwart giebt auch dieses Zurückblättern. Der Mensch kommt nämlich aus[15] einer kleinlichen Sorge in die andere, und trübt sich die Freuden des Genusses, verliert sich oft sogar selbst aus den Augen um Beunruhigungen willen, deren Auflösung noch im Schooß dunkler Zukunft liegt. Zeigt uns nun aber der genauere Rückblick in die Vergangenheit, wie damals unsere kleinlichen Sorgen und Beängstigungen lächerlich waren, indem eine höhere Hand alles zum Besten lichtete, so gewinnen wir dadurch auch mehr Vertraun für die Gegenwart, mehr Glauben an die Zukunft, mehr Vertraun zu uns selbst, und tödten die kleinlichen, aufkeimenden, uns unnützer Weise beängstigenden Sorgen in der Geburt, um unser Ziel, uns selbst in hellerem Lichte der Wahrheit zu sehen, und nicht aus den Augen zu verlieren, um die Gegenwart voll zu genießen, – ein großes Studium, welches so viele verabsäumen. Man ist darum nicht leichtsinnig, nein, man ist ein wahrer Philosoph, wenn man in dem Augenblick froher Gegenwart schwelgt, und doch dabei die Waffen bereit liegen hat, der Zukunft, wenn sie uns den Krieg ankündigen sollte, was wir doch aber noch gar nicht wissen können, entgegen zu gehn; die Philosophie der Griechen, namentlich des Aristipp, selbst des Plato kann hierin späterer Engbrüstigkeit zum Muster dienen.

Die größten Männer, alter und neuer Zeit, führten unter dem Geräusch der Waffen, bei den Ermüdungen der Staatsgeschäfte, bei den größten Anstrengungen im Gewühl des bürgerlichen Lebens, ein Tagebuch, und bekannten, daß sie diesem Führer ein großes Theil ihrer Selbstkenntniß und ihrer genußreichen Selbstständigkeit zuzuschreiben hätten. Wir haben in dieser Hinsicht besonders[16] mehrere merkwürdige Diarien von Feldherrn und Gelehrten der neuern und alten Zeit, und um die Behauptung theilweise umzukehren, so mögte man fast annehmen, daß ohne Tagebuch viele dieser berühmten Männer nicht auf ihren hohen Standpunct gekommen seyn würden.

Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, daß unsere Religion eine treue Führerin durch das Leben ist. Von den Beruhigungen und Tröstungen, welche sie gewährt, reden wir an einem andern Ort; ihre Uebung aber giebt uns auch mehr Aufmerksamkeit auf uns selbst, mehr Aufrichtigkeit gegen uns selbst, und führt so zu der Selbstkenntniß. Die Lehren Christi, welche in den heiligen Büchern uns wieder gegeben sind, enthalten so viel practische Moral, daß sie für alle Zeitalter, für alle Verhältnisse der Urquell sind, aus dem wir schöpfen müssen, um uns für ein erfreuendes, uns und andern wohlthätiges Handeln in der wirklichen Welt vorzubereiten und zu stärken.5

Der Sinn für Verwandtenliebe wirkt an sich vortheilhaft auf uns zurück, und befördert eine, im gesellschaftlichen Leben uns unentbehrliche Selbstkenntniß. Der Staat besteht aus einer Reihe von Familien, und seiner Familie sich entschlagen zu wollen, heißt beinahe eben so viel, als kein patriotischer Staatsbürger zu[17] seyn. Nach außen hin empfiehlt jene Versäumniß uns nicht, wenn wir keinen Sinn für Verwandtenliebe darlegen, da der größte Theil der Menschen diese Verwandtenliebe besitzt, schätzt und ehrt. Man hält dich dann, und das mit Recht, für einen Menschen, der voller Eigendünkel ist, und der keine Empfänglichkeit für die sanfteren Gefühle der Theilnahme, der Mittheilung hat.

Die Familie war das Haus, aus welchem wir hinauswanderten in die Welt, und den Rücktritt in dieses Haus müssen wir uns offen erhalten. Es kommen einem jeden von uns Zeiten, wo er sich fremd fühlt in der fremden Welt, wo er mit Mißbehagen unter den Fremden fortgeht, und nach einem kleinern Kreise der Vertrauten sich sehnt. Diesen Kreis unter Fremden sich zu bereiten, wie schwer hält das! Die Familie ist dieser immer dauernde Kreis, nach dem wir uns sehnten, der den alten Bekannten mit vollem Vertraun empfängt, sobald er wieder eintritt. Diese Anhänglichkeit, diese Liebe für einander, wird von jedem Dritten geschätzt, sie wird bekannt unter den Menschen und ist ein Empfehlungsbrief bei ihnen; es thut mancher aus der Familie etwas für uns, nicht aus Rücksicht für unsere geringe Person, sondern aus Rücksicht für unsere Familie.

Diese Verwandtenliebe ist ein von der Natur gewobenes Band, das wir nicht aus Hochmuth oder Leichtsinn zerreißen dürfen.6[18]

Ein Vater, ein älterer Bruder, ein Oheim u.s.w., die uns aufwachsen sahen, kennen uns in unsern Schwächen, und haben ein Recht dazu, uns zu tadeln, uns zu warnen, auf uns selbst uns aufmerksam zu machen, wenn wir draußen in der Welt der Gefahr ausgesetzt seyn dürften, zu straucheln. Diese Warnungen dürfen wir nicht übel aufnehmen, wenn sie auch wohl oft nicht mit den sanftesten Worten uns gegeben werden. Wir dürfen sie auch nicht mißdeuten, als würden sie uns aus übler Laune, und um die geltende Stimme in der Familie dadurch zu bewahrheiten, gegeben, denn bei jeder dieser Warnungen meint der Warnende es gewiß gut mit uns, da der, welcher Familiensinn hat, wünscht, alle Mitglieder der Familie in der Welt geachtet, geehrt, im Wohlsein zu sehen. In jeder Familie giebt es gewiß einen solchen erfahrnen Rathgeber, an den wir uns kindlich anschließen dürfen, dem wir unser Thun enthüllen, dem wir gern zuhören, wenn er über uns selbst uns die Augen öffnet. Wir müssen eben so bescheiden sein, einen guten Rath zu geben, als gelehrig, dem uns gegebenen Rath zu folgen. Sey auch der Rathgeber strenge; in zu gefällige Worte gehüllt, verliert der Rath sein Gewicht. Selbst den schlimmen Rath, der nicht absichtlich schlimm gegeben wurde, dürfen wir nicht verhöhnen, da der Rathgeber dadurch abgeschreckt wird, uns fernerhin auch einen guten Rath mitzutheilen, und man kann es[19] nicht genug der Jugend, welcher die Lebensklugheit nothwendig noch mangeln muß, einprägen, daß der Rath und die Warnungen der Alten besser sind, denn die Systeme und Schriften mancherlei Art.

Eben so kleinlich, wie es ist, die Verwandten, und immer nur die Verwandten als sein Orakel, seine Welt ansehn zu wollen, eben so, wie der Verwandtenstolz einseitig und lächerlich macht, eben so straft es sich aber auch, wenn wir nicht mit Liebe an den Verwandten hangen, oder wohl gar uns ihrer schämen wollen. Stießen die Gekränkten uns dann aus, so stehen wir isolirt in der Welt da, ohne uns selbst einen Kreis der Vertraulichkeit, der Gemüthlichkeit unter Fremden bilden zu können, und doch wird die Sehnsucht nach einem solchen Kreise immer größer, je älter wir werden, je mehr die Sehnsucht nach Ruhe, und das Familienleben die Stimme erheben. Gelten wir auch etwas mehr, als die Familie, aus der wir hervorwuchsen, so ist dies nur ein Abstand für die Flittern der Formenwelt. Die edlern Menschen finden es schätzenswerth an uns, wenn wir, ohne die Verwandten äußerlich zu uns erheben zu wollen, doch in diesem Kreise gern leben. Viele aber, die in der großen Welt emporwuchsen, haben darum gern zuweilen in dem Familienkreise, um sich daselbst bewundert zu sehen, das große Wort zu führen; – ein unedles Benehmen gegen die Patriarchen der Familie, das uns, wenn die auflauernde Welt es erfährt, mindestens lächerlich, wo nicht gar verachtungswerth macht.

Aufrichtigkeit der Ehegatten unter einander[20] kann sehr viel dazu beitragen, uns selbst genauer kennen zu lernen und eine wahre, unverfälschte Kunde von uns selbst über uns zu erhalten. Das weibliche Geschlecht hat sehr viel natürliche Anlage für richtigen Gesellschaftstact; – eine Folge des ungestörter in ihnen erhaltenen feinen Gefühls. Viele von ihnen sind glückliche practische Psychologen; eine Folge davon, daß sie in einem beschränktern Kreise leben, und in dem Vielfachen der Wahrnehmungen bei wenigern Obiecten daher nicht so leicht irre geführt werden können. Hiernächst kommt noch hinzu die stille Betrachtung und innere Beschauung der äußern Verhältnisse, wozu der Frau in allen ihren Lagen mehr Zeit, weniger Störung wird, als dem Manne. Sollte daher nicht den Frauen schon aus dieser Hinsicht ein richtigerer Scharfblick in das wahre Leben zuzuschreiben seyn? Zudem sieht die Gattin den Gatten, entkleidet von seinem Weltschmuck, in allen seinen kleinen Eitelkeiten und Schwachheiten, er wird ihre Welt, ihr Studium. Sie beobachtet nur ihn in seinem Geschäftsleben, in seinem Verhältniß zu den Menschen. Sie findet seine Mißgriffe schnell und glücklich auf, und es ist ihr innigster Wunsch, ihn für die Zukunft vor diesen Mißgriffen zu schützen. Sie gewinnt selbst dabei, wenn dieses geschieht, denn sie fühlt sich um so glücklicher, je mehr der Mann die allgemeine Meinung der Menschen für sich hat, je mehr er ein Wohlsein sich bereitet; jede Störung dieses Wohlseins fällt unangenehm bei Männern, die nicht schon eine sehr kalte Konsequenz haben, auf sie zurück, und der Mann ist ja die Sonne, welche auch ihr Strahlen giebt. Gern wird[21] daher die Gattin als warnender Freund den Gatten auf das führen, was zu besserer Kenntniß seiner selbst ihn führt.

Dazu indeß, daß die Gattin die freimüthige, beobachtende Freundin des Gatten werden möge, dazu gehört aber auch von Seiten des Mannes, daß er nicht ein kleiner Tyrann im Hause sei, daß er die gutgemeinten Worte, die zu seinem Frieden dienen sollen, nicht empfindlich aufnehme, daß er selbst aufrichtig gegen die Gattin sei, und besonders, daß er sie nicht von seinem Weltumgang ausschließe, sie nicht blos als Hausfrau, als erste Magd im Hause betrachte.7

Durch die Stimme der Freunde aufmerksam auf uns selbst gemacht zu werden, das kann nur dem kleinsten Theile der Menschen glücken. Die Welt ist angefüllt mit Menschen, die von der Freundschaft großsprechen; ein jeder prahlt mit seinem Herzen, mit seinem Freundschaftssinn; es ist eine Eitelkeit nach der Mode. Sie ist der Handel, der am mehrsten Treue und Glauben[22] erfordert, und die am wenigsten angetroffen werden. Wie wenige bewährte Freunde giebt es, welche die Freundschaft so üben, daß sie reine Wahrheit über uns selbst uns geben mögen, und selbst wenn wir einen solchen Freund haben, so ist er doch mehrentheils mit uns in einem Alter, mit uns in ähnlichem Verhältniß gegen die Welt, er ist also derselben Gefahr ausgesetzt irre zu gehn; sein Urtheil über uns ist daher nicht immer das richtige.

Die Bildung durch eine gut gewählte Lectüre und der Besuch des guten Schauspiels tragen das Ihrige bei. In diesen idealen Welten wird der Mensch in einer erhöheten, verschönerten Natur dargestellt, und wir finden Stoff und Gelegenheit in Fülle, Vergleichungen zwischen ihm und uns selbst zu machen. Rechnen wir dazu, daß der Schriftsteller seine gesammelten Erfahrungen in dem Gewand des Romans, des Schauspiels mit den Folgen der Mißgriffe der Menschen uns wieder giebt, daß die Tendenz seines Gebildes moralisch gut ist, so bleibt diese Art der Beschäftigung, welche aber die Gränze der Erholung kaum überschreiten darf, von wesentlichem Vortheil für unsere Selbstkunde. Uebrigens ist hier für den Augenblick der Ort nicht, davon weiter zu reden, wie sehr es zu Mißgriffen, Ueberspannungen und fast Hirnverrückungen Anlaß geben kann, wenn man in die ideale Welt, so die Schriftsteller uns mit glänzenden Farben zeigen, in der wirklichen durchaus wieder finden will. Man muß durchaus im Leben sich früh daran gewöhnen, das Reich der Träume von dem Reich der Wahrheit wohl zu unterscheiden. Jenes Reich[23] ist die Poesie des Lebens, dieses hier die Prosa, und in dem wirklichen Leben wird die Prosa immer die Oberhand behalten.

Glauben wir nun endlich, uns ganz zu kennen, so müssen wir dieses Studium noch nicht als beendet betrachten. Wir müssen es ununterbrochen fortführen, denn unsere moralische Natur ist nach drei Jahren eben so wenig noch dieselbe, als die physische. Leichter wird aber fernerhin diese reichlich belohnende Mühe, wenn wir einen guten Grund legten. Blieben wir bei der Ueberzeugung, nun kennst du dich ganz genau, stehen, so würden wir bald zurück gehen, denn nirgends giebt es Stillstand in den Naturen, und wer nicht vorwärts geht, der geht zurück. Andere Verhältnisse im Aeußern, anderer Umgang, Familienereignisse, Krankheiten, einige Jahre des Alters mehr, Staatsumwälzungen sogar, haben Einfluß auf die Umänderung unseres »Ich,« daher müssen wir dessen Anschaun unablässig vor Augen haben, und in Verhältniß mit der Gegenwart und unsern Erwartungen und Ansprüchen auf die Zukunft stellen.8

Mit dem Wissen und den Mitteln, zu einer Selbstkunde zu gelangen, versehen, führe sich unser Mensch gemach in der Welt ein. Zunächst hängt hier viel von dem

Quelle:
Nicolai, Carl: Über Selbstkunde, Menschenkenntniß und den Umgang mit den Menschen. Quedlinburg, Leipzig 21818, S. 1-24.
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