Abendhüllen.

[26] Die großen Modehäuser haben es so gewollt! Man betritt den Festsaal mit Pelz, Cape oder Mantel. Je wertvoller, je kostspieliger das Material, desto besser. Je raffinierter und ausgefallener die Phantasie jeder einzelnen – tant pis – für die »haute couture«, tant mieuxpour elle! Ich habe schon angebliche Patouschöpfungen für 50 Mark entstehen sehen – bei Damen von Geschmack, – aber nicht alle verstehen etwas davon!

Man will der Frau von heute Gelegenheit geben, durch edle Gesten sich in Szene zu setzen, bildlich gesprochen: »Rad zu schlagen« oder »Volte zu reiten«. Im bloßen Abendkleid geht das schwer. Aber im Brokatcapchen, im seidenbestickten Damastmantel mit Zobelbesatz, im Hermelinpelz oder Nerz – im venezianischen Prachtschal, da läßt es sich machen – mit lässigem Gleiten, sanften Wendungen, im Umschlingen und Anlegen, im Abwarten der Sekunde, bis sich alle Augen auf die Trägerin richten: Was für ein Kleid?? – ja, da lassen sich ungeahnte Erfolge erzielen. Dieses kleine Spiel geht nie zu Ende. Ganz sorgsam legt man die Hülle um – dort kommt ein Flirt, der deine Chiffonrobe noch nicht bewundert hat, schwupp – fort mit dem Umhang! Der Tango lockt – »ohne«, natürlich, doch an die Bar – »mit« –. Wenn man seine modischen Pflichten absolviert hat, wenn man ein ganz klein wenig müde oder ein ganz klein wenig sensationslustig geworden – dann sind die Abendhüllen Brücken für galante Männerhände, die so gerne die weichen knisternden Stoffe halten, fühlen und immer wieder streicheln ...[26]

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 26-27.
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