»Und dann die Dessous und so weiter ...«

[43] Besser gesagt: ein Hors-d'œuvre der Spitzen – ein Dessert der Seiden. Der doch etwas degenerierte Körper unserer Generation behauptet, keinen Batist, keine Baumwolle, kein Fil d'Écosse mehr zu vertragen, die Haut sträube sich ostentativ dagegen – fröstle und friere, jedoch Seide, Crêpe de Chine, Seiden-Georgette und künstliche Seide seien prädestiniert, Wohlbefinden, Wärme und Erfrischung zu erzeugen.

Und deshalb – in der kleinsten Kommode, in dem prachtvollsten Kleiderschrank ruhen die weichen, zärtlichen Stoffe, die kleinen, modern zugeschnittenen Hemdhofen, die Schlüpfer, in Einzelfällen die fast überflüssig gewordenen Hemden und Untertaillen, die Nachthemden nicht zu vergessen.

Unsere Mütter und Tanten rümpften seinerzeit die Nasen: »Kein solides Stück, lauter Tand, die Aussteuer einer Halbweltdame – wie geschmacklos – Seide!« Und heute? Unsere Mütter und Tanten tragen genau dieselben Dinge, die ehemals verwerflich galten.

Sprechen wir offen – die Kultur der Unterwäsche war an der Zeit. Eine gut gewachsene Frau in elegantem Kleid und unerfreulichem Dessous ernüchtert. Ein Zimmer ohne Teppiche, Kissen, Bilder, Blumen läßt kalt; dasselbe gilt für den Körper, der unbedingt einer »Ausstattung« bedarf. Unser Jahrhundert ist typisch für die Verfeinerung der Sinne – Fingerspitzenerotik verdrängt primitiven Sexualtrieb.

Die Dame weiß, was sie tut, wenn sie den »naheliegendsten« Dingen ihres Seins liebevollste Beachtung widmet!


»Und dann die Dessous und so weiter ...«

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»Und dann die Dessous und so weiter ...«

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 43-44.
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