– Badezeiten –

[52] Früh, wenn das Telephon läutet, heißt es immer todsicher: »Die gnädige Frau sitzt im Bad.« Es muß Frauen geben, die den ganzen Morgen im Bad Platz nehmen, denn sie werden nie fertig, so oft man anruft.

Aber das ist verständlich. Die Reize des täglichen Bades sind unbeschreiblich. Sie verlocken zu ausgefallensten Dingen. Im Bad kann man nicht gestört werden, man kann nachdenken, Pläne entwerfen, ganze Intriguen spinnen und wieder fallen lassen – man kann sich ablenken, mit Gummischwämmen Fangball spielen, die leeren Badesalztuben auf Schwimmsicherheit prüfen, zwei – drei Seifen ausprobieren, kaltes und warmes Wasser zulaufen lassen oder sich kritisch betrachten, kann Zeitung lesen oder ganz sanft weiter dösen. Nach durchwachten Nächten ist das Bad besser als ein Pyramidon, und die kalte Dusche hinterher – ich schwöre Ihnen allen, sie muß kalt sein – ist die prachtvollste Stählung des Körpers für kommende Anstrengungen.

Auch am Abend kann man es kaum lassen. Besser zweimal – als keinmal. Je öfter – je lieber, je länger – um so besser. Und man gibt es nur auf für das – Bad im Freien.

Am sommerheißen Strand fliegt das Sonnenbadkleidchen schneller weg, als man denkt, im anliegenden zweifarbigen Trikot jagt die wassersüchtige Schöne den Wellen entgegen – ein Kampf, in dem sie oft unterliegt, der sie aber immer wieder aufs neue reizt, wie alle Dinge in ihrem Leben, die zwischen Spiel und Gefahr liegen.


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Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 52-53.
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