In Geschäften.

[36] Helga meinte zu ihrer Mutter, sie ginge ungern einkaufen. »Daran mußt du dich aber gewöhnen!« sagte die Mutter. »Denn nur, wenn die Hausfrau sparsam und vorteilhaft einkauft, kann der Hausstand gedeihen.«

»Ich bekäme es nicht fertig, etwas vom Preise abzuhandeln!« warf Helga ein.

»Das hast du nicht nötig, wenn du in einem reellen Geschäft kaufft.«

»Und dann das Bemängeln der Ware, dies Fleisch ist nicht zart genug und das ist zu fett...!«

»Dazu ist die Ware da, daß man sich das Geeignetste aussucht. Mian darf sich eben nichts in die Hände stecken lassen. Das merken sich die Verkäuferinnen gar bald. Und letzten Endes bist du immer diejenige, die das nimmt, was kein anderer will.«

»Auch das ewige Stehen und Warten!« beklagte sich Helga.

Die Mutter sagte: »Man soll sich nicht vordrängen, das gibt leicht Zank, aber auch nicht zurückschieben lassen: denn jedes Menschen Zeit ist kostbar, auch die der Hausfrau.«

Vermeide in Geschäften Unterhaltungen über andere Personen und wichtige Dinge. Du weißt oft nicht, wer hinter dir steht.

Bemühe die Verkäufer nicht wer weiß wie lange, wenn du nicht die ernste Absicht hast, etwas zu kaufen, oder gar, wenn du kein Geld hast. In diesem Falle stiehlstdu den Leuten die Zeit. Und da der Inhaber seine Leute nach Zeit bezahlen muß, bestiehlst du ihn um sein Geld.

Andrerseits sei nicht derartig rücksichtsvoll, daß du meinst, du darfst das Geschäft nicht wieder verlassen, ohne gekauft zu haben, auch dann, wenn dir die Ware nicht zusagt. Eine solche[36] Rücksichtnahme ist bestimmt nicht angebracht. Du verlangst, daß das Personal zu dir höflich ist. Mit Recht. Nun behandele du aber die Angestellten nicht etwa von oben herab, wegwerfend, schnöselig. Bei jungen Menschen wirkt eine Ueberheblichkeit geradezu lächerlich.

Seid höflich und bestimmt in euren Wünschen. Laßt euch aber auch von niemanden übers Ohr hauen. Das kann euch nicht passieren, wenn ihr in ein Geschäft geht, das als gut und reell bekannt ist.

Denkt auch nicht, daß ihr billig kauft, wenn ihr für die Ware einen geringen Preis gezahlt habt. Meistens ist das Teuerste das Billigste. Wie das zusammenhängt, laß dir einmal von deiner Mutter erklären.

Vom vielen Anfassen und Anpassen wird die Ware nicht besser. Selbstverständlich muß man: wenn man sich Bekleidungsstücke, Anzug, Kleid, Mantel, Schuhe kauft, solange anprobieren, bis man das Passende gefunden hat. Bücher und Kunstblätter dagegen verlieren leicht an Ansehen, wenn sie andauernd durchblättert oder befaßt werden. Lebensmittel mit den Händen zu berühren, ist höchst unappetitlich. Es ist auch polizeilich strengstens verboten. Moderne Bäcker und Fleischerläden haben daher ihre Ware schon alle hinter Glasscheiben.

Gehörst du auch zu der Gruppe der »Umtauscher«, die zu jedem Einkauf fünfmal mindestens erscheinen, einmal zum Ansehen, einmal zum Weggehen, das drittemal zum Kaufen und das vierte- und fünftemal zum Umtauschen? Das sind Leute, die nicht wissen, was sie wollen. An denen hat der Geschäftsmann seine besondere Freude; das könnt ihr euch wohl lebhaft denken!

Quelle:
Schütte, Carl: Willst du erfahren was sich ziemt? Caputh-Potsdam [o. J.], S. 36-37.
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