Krebsessen

Krebsessen.

[52] Auch dies gewährt dem Gast eine reinere Freude als dem Wirt. Wer zu einem Krebsessen eingeladen ist, nehme die Einladung freundlich dankend an und sei überzeugt, daß der Wirt alles thun wird, größere Krebse anzuschaffen, als an der Wiege vorgesungen zu werden pflegen.

Man mache dem Wirt die Freude, ihm zu sagen, daß man den großen Krebs nicht höher als den kleineren schätze. Dies beruhigt den Wirt derart, daß man nun ganz ungestört ausschließlich nach den größten Krebsen langen kann.

Die Methode, nach der man dem Krebs den Panzer löst, die Scheren und den Schwanz entpanzert, jedes Bein gründlich leert und in anderer Weise das liebe Krustentier nützlich plündert, gebe man auch dann nicht auf, wenn man die Krebse nicht selbst[52] bezahlt. Man muß sich so weit überwinden können, zu zeigen, daß man mit fremden Krebsen ebenso gewissenhaft zu Werke geht, wie mit eigenen.

Ist man Krebsschnellesser, so sorge man dafür, daß der Teller, auf den man die sterblichen Überreste der Krebse legt, häufig geleert wird, da der Anblick großer Restehaufen die anderen Gäste beunruhigt, wenn ihnen ein Überblick über die noch vorhandenen Krebse fehlt. Denn das Bewußtsein, daß sich unter den Gästen ein Schnell-, Massen- oder Konzertesser befindet, mit welchem Schritt zu halten schwer ist, erschreckt die Tafelrunde und beeinträchtigt die zum Krebsessen wichtige Laune.

Erwischt man durch eigne Schuld einen Krebs, welcher sich nur einer einzigen nennenswerten Schere erfreut, so schelte man nicht gleich über einen Krebsschaden, da dieser Witz bereits ziemlich verbraucht ist. Es genügt, wenn man dem Wirt nicht wohl ist, zu sagen, wenn der letzte Krebs verschwunden, das Krebsessen sei eigentlich eine ermüdende Arbeit, für welche man bezahlt werden müßte. Man setze hinzu, der Wirt sei ein Arbeitgeber, der die Kraft der Arbeiter ausbeute. Auf eine Antwort nicht vorbereitet, muß der Wirt lächelnd schweigen.

Da der Krebs auf verschiedene Art gekocht wird, so versäume man nie, auf Kosten der gewählten eine andere Art zu loben. Vielleicht wird dadurch der Ehrgeiz des Wirtes gereizt, und er wiederholt das Krebsessen mit der anderen Zubereitungsart. Man kann allerdings das Unglück haben, daß der Wirt nicht ehrgeizig ist. Dann sei man dadurch getröstet, daß man seine Pflicht erfüllt hat.

Weist das Krebsessen, denn unter der Sonne ist nichts vollkommen, einige Mängel auf, so warte man ruhig das ab, was nach dem Krebsessen serviert wird. Vielleicht plädiert es für Annahme mildernder[53] Umstände. Man sei immer ein milddenkender Gast, der nicht vergißt, daß der Wirt doch vom besten Willen beseelt war. Oft kann noch eine gute Cigarre wieder gutmachen, was der Nachtisch zu tadeln gab, und es ist schön, auch dann alles zu verzeihen, wenn man nicht alles versteht.

Hat man nicht die nötige Krankheit, die nötige Zeit und das nötige Geld, eine Reise zur Karlsbader Kur zu unternehmen, so gebrauche man die


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1905, Bd. II, S. 52-54.
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