Kegeln

Kegeln

[90] zu zählen, welches ein Gesellschaftsspiel ist, das entweder im Freien oder in einem Garten auf gedeckter Kegelbahn getobt wird. Außer dem Kegeljungen gehören dazu mehrere nur mittelmäßige Regler, wenn man mit Erfolg kegeln will. Nach dem Urteil eines Meisterkeglers ist das Kegeln nämlich sehr gesund, wenn man gewinnt.

Trägt man gute und saubere Wäsche, so hält man es auch für gesund, vor dem Beginn des Spiels Rock und Weste abzulegen. Wer dies nicht thut, hält es gewöhnlich für gesundheitschädlich, minderwertige oder gar unsaubere Wäsche sehen zu lassen.

Will man sich bei guten Kegelspielern beliebt machen, so schiebt man die bekannten Kegeltiere Sandhase und Ratze. Geschieht dies oft oder gar gewohnheitsmäßig, so darf man sicher sein, immer wieder eingeladen zu werden und zwar unter der Versicherung, man sei ein liebenswürdiger Gesellschafter.

Will man die Nerven auf eine Generalprobe stellen, um sie zu prüfen, ob sie stark genug sind, in[90] schwierigen Momenten Widerstand zu leisten, so höre man zum tausendsten Mal die sich immer gleich bleibenden Scherze, Redensarten und Bemerkungen, welche von einigen lieben Mitkeglern zu dem großen Vergnügen beigesteuert werden, ohne daß man die Geduld verliert. Schon beim neunhundertsten Mal kann man sagen, daß man Nerven wie Schiffstaue hat.

Will man nicht unangenehm auffallen, so komme man mit keinem neuen Scherz auf die Bahn. Trotzdem das Kegelspiel erst vor etwa sechs Jahrhunderten zuerst erwähnt worden ist, stehen doch Scherze und Anekdoten, welche kaum so alt sind, bei den Keglern in hohem Ansehen.

Trotzdem es Kegelklubs aller politischen Richtungen giebt, herrscht doch in keinem der Respekt vor dem König. Von den konservativen Keglern wird der König mit demselben Behagen umgestoßen, wie von den anarchistischen. Nimmt man nun an, daß eines Tages nicht in der gutgesinnten Presse gegen diesen Unfug Protest erhoben werden wird, so beweist dies, daß man die Menschen, welche dekoriert sein möchten, nicht kennt.

Der Kegler, nach der Unterhaltung auf seiner Bahn nur oberflächlich beobachtet, ist gewöhnlich ein Lebemann und Don Juan. Das hindert ihn aber nicht, mit Aufbietung aller Intelligenz und Willenskraft das weibliche Geschlecht vom Kegeln fernzuhalten. Die Frauen, welche sich bereits aus ihrer bisherigen Hilflosigkeit zu den Höhen der Omnibusse emporgeschwungen haben, die offenen Thüren de Sports einrennen und auf dem Wege zur Gleichstellung mit den Männern immer weiter radeln, an der Holzwand der Kegelbahn müssen sie Halt machen, so sehr überzeugt sie sind, daß sie ein Keglerkostüm sehr schön kleiden würde. Ja, wenn die Kegler nicht so klug wären!

Ist man verheirateter Kegler, so schwebt man in[91] einer gewissen Angst, daß die Frauen eines Tages auch in die Kegelbahn eindringen. Damit verlöre man eine der letzten Freistätten, die vor den Frauen sicher sind, und man hätte dann kaum noch einen Ort, wo man gewesen sein kann, wenn man anderswo gewesen ist.

Wenn sich der moderne Knigge erst jetzt den


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1905, Bd. II, S. 90-92.
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