II. Ball.

[57] Bei den Bällen kommen selbstverständlich nur diejenigen hier in Betracht, welche als wirkliche Hoffeste gelten, und bei welchen von den bestehenden Rang-und Etiquette-Vorschriften in keiner Weise abgewichen wird, d.h. also solche, welche bei Ihren Königlichen Majestäten im Königlichen Schlosse zu Berlin stattfinden. Es sind dies entweder Bälle mit nachfolgendem Souper, oder Bälle, bei welchen nur Erfrischungen gereicht werden. Das zum Tanze bestimmte Appartement ist der Weisse Saal.

Was zunächst die Bälle mit nachfolgendem Souper anlangt, so wird als Beispiel für alle anderen Bälle dieser Art hier auf denjenigen Ball Bezug genommen, welcher am 28. Januar 1875 im Königlichen Schlosse stattfand.

Bei diesem Balle versammelten sich:


a) Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin, sowie Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen und die Prinzessinnen des Königlichen Hauses – im Kurfürstengemach;[57]

b) die Damen des Gefolges Ihrer Majestät der Königin, Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin, sowie Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessinnen des Königlichen Hauses – in der boisirten Galerie;

c) die Obersten Hof-, Ober-Hof-, Vice-Ober-Hof- und Hofchargen, die General- und die Flügel- Adjutanten und die Cavaliere der Prinzlichen Herrschaften – im Königs zimmer;

d) die Fürsten und deren Gemahlinnen, die Excellenzen-Herren und -Damen, sowie alle anderen Corps und die Herren, welche am Tanze Theil nahmen – im Weissen Saale;

e) die General-Majors und die Räthe erster Klasse – in dem Ausbau der Bildergalerie vor dem Königinnengemach und

f) die andere Gesellschaft – in der Bildergalerie.


Derjenige Theil der Gesellschaft, welcher den Aufgang über die Wendeltreppe genommen hatte, wurde von einem Ceremonienmeister und einem Kammerherrn empfangen resp. weitergeleitet. Den Empfang im Weissen Saale bewirkten ein Vice-Ober-Ceremonienmeister, zwei Ceremonienmeister und ein aide des cérémonies, während ein am Eingange des Weissen Saales zum Königinnengemach aufgestellter Kammerherr dafür Sorge trug, dass letzteres Behufs der daselbst stattfindenden Präsentation der inländischen vorzustellenden Herren und Damen ganz frei blieb. Demgemäss wurden die für den Weissen Saal bestimmten Personen dorthin dirigirt, während die andere Gesellschaft, welche zum Theil über die Treppe in der Ecke des grossen Schlosshofes (der Wache gegenüber) heraufgekommen war, in der Bildergalerie zurückgehalten wurde.

Die unter Portal No. 4. heraufgekommenen Personen wurden in der alten Kapelle von einem Ceremonienmeister und einem aide des cérémonies empfangen und nach der Bildergalerie resp. nach dem Weissen Saale dirigirt.

Im Weissen Saale wurde die Gesellschaft, wie immer, in folgender Weise aufgestellt:


1. vom Throne links – die Damen des diplomatischen Corps, an der Spitze die Gemahlinnen der Botschafter;

2. auf der Kapellenseite des Weissen Saales – die Herren des diplomatischen Corps, an der Spitze die Botschafter;[58]

3. dem Throne gegenüber – die Excellenzen- Damen und alle anderen Damen; die Damen, welche am Tanze Theil nahmen, auf der Estrade;

4. auf der Lustgartenseite, vor dem Arcaden, nach den Fenstern zu – die Minister und die Wirklichen Geheimen Räthe;

5. auf derselben Seite, nach dem Königinnenzimmer hin anschliessend – die General-Feldmarschälle, die Fürsten, die Generale der Infanterie und der Cavallerie und die General-Lieutenants;

6. rechts vom Throne – die Fürstinnen, und vor denselben die Gemahlinnen des Kanzlers des Deutschen Reiches, der General-Feldmarschälle und der Obersten Hofchargen;

7. in der Ecke zwischen 3. und 4. – die Herren, welche am Tanze Theil nahmen.


Die Aufstellung wurde bewirkt durch einen Vice-Ober-Ceremonienmeister, durch einen Ceremonienmeister, welcher zugleich die vorzustellenden Damen empfing, durch einen zweiten Ceremonienmeister und durch einen aide des cérémonies.

Die vorzustellenden Herren wurden im Königinnenzimmer durch einen Kammerherrn zurückgehalten und aufgestellt.

Nachdem Ihre Königlichen Majestäten im Kurfürstengemach erschienen waren und daselbst den Thee eingenommen hatten, begaben Allerhöchstdieselben Sich im Zuge nach dem Königinnenzimmer. Sobald dieser Zug sich der Bildergalerie näherte, wurden der Vice-Ober-Ceremonienmeister und die anderen im Weissen Saale beschäftigten Ceremonienmeister etc. von einem hiermit beauftragten Ceremonienmeister durch ein Zeichen von dem Nahen Ihrer Majestäten benachrichtigt.

Der Vortritt bildete im Weissen Saale unter den Arcaden Spalier, worauf der cercle event. die Polonaise begann.

Das Zeichen zum Beginn der Polonaise, bei welcher der Flügel-Adjutant vom Dienst und eine der dienstthuenden Damen Ihrer Majestät den Allerhöchsten Herrschaften vortanzten, ertheilte ein Ceremonienmeister, welcher die Tanzordnung leitete und mit allen bei dem Empfange der Gesellschaft und der Aufstellung im Weissen Saale beschäftigt gewesenen Ceremonienmeistern, Kammerherren und aides des cérémonies auf die Freihaltung des Raumes für die Tanzenden besondere Achtung gab.

Als Vortänzer unterstützten ihn hierbei zwei Offiziere.[59]

Auch wurde dafür Sorge getragen, dass bei dem Abtanzen Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzen und der Prinzessinnen (bei Rundtänzen) niemals mehr als 3 Paare sich anschlössen.

Nachdem nach 11 Uhr das Souper angesagt worden war, begaben Ihre Königlichen Majestäten Allerhöchst Sich, unter Vortritt der Pagen, der Hof-, Vice-Ober-Hof-, Ober-Hof- und Obersten Hofchargen, welche im Königszimmer, Spalier bildend, stehen blieben, nach der an das Kurfürstengemach angrenzenden neuen Galerie.

Allerhöchstdenselben folgten die Chefs fürstlicher Häuser, sämmtliche fürstlichen Damen, die Botschafter und deren Gemahlinnen, die am hiesigen Königlichen Hofe accreditirten Minister und Minister-Resi denten und deren Gemahlinnen, die General-Feldmarschälle, die activen Generale der Infanterie und der Cavallerie, die activen Minister, die Ritter des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler, sowie sämmtliche Excellenzen-Damen. Dieselben wurden von dem Ober-Ceremonienmeister, dem Hofmarschall Seiner Majestät und einem Vice-Ober-Ceremonienmeister im Königszimmer erwartet und nach der neuen Galerie dirigirt.

Die Geschäftsträger und die anderen Mitglieder des diplomatischen Corps, sämmtliche den vorgedachten Kategorien nicht angehörigen Excellenzen-Herren, sowie diejenigen Mitglieder der fürstlichen Häuser, welche nicht Chefs derselben waren, wurden von einem Vice-Ober-Ceremonienmeister nach dem Braunschweigischen Saale, die Höfe von einem Ceremonienmeister nach der ersten Braunschweigischen Kammer, die Herren und Damen, welche an dem Tanze Theil genommen hatten, durch einen Ceremonienmeister und einen aide des cérémonies nach dem Schweizer Saale, die andere Gesellschaft aber, und zwar die Damen, welche nicht am Tanze Theil genommen hatten und nicht das Prädicat Excellenz besassen, von einem Ceremonienmeister und einem aide des cérémonies nach den beiden Zimmern der Königin Elisabeth, sowie die Herren, welche nicht am Tanze Theil genommen hatten und nicht das Prädicat Excellenz besassen, von einem aide des cérémonies nach der Galerie und dem grossen Saale der Königin Elisabeth zu den in den genannten Räumen servirten Buffets geführt.

Gegen den Schluss des Soupers wurden, und zwar noch ehe die Allerhöchsten und die Höchsten Herrschaften Sich wieder[60] nach dem Weissen Saale begaben, dorthin die Damen und die Herren, welche im Schweizer Saale gespeist hatten, durch die betreffenden Herren zurückgeführt.

Dem Zuge Ihrer Majestäten, welcher, wie vorher, unter den Arcaden eintrat, schloss der andere Theil der Gesellschaft sich an.

Nach Beendigung des Balles verliessen Ihre Majestäten unter dem Vortritt der Obersten Hof-, Ober-Hof-, Vice-Ober-Hof- und Hofchargen den Weissen Saal, und zwar nunmehr durch die dem Throne zunächst gelegene Thür.

Der Anzug bei den Hofbällen ist für die Damen im Ballkleide, für die Herren in Gala, für die Militairs im Hofball-Anzuge.

Die Einladung zu den Hofbällen ressortirt von dem Königlichen Ober-Hofmarschall-Amte, die Instruction zu der dabei zu beobachtenden Ordnung ertheilt der Ober-Ceremonienmeister.

Schliesslich muss hier noch eines Balles gedacht werden, welcher der aus Anlass der Vermählung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria, Princess Royal von Grossbritannien und Irland, am 9. Februar 1858 im Rittersaale, den angrenzenden Gemächern und der Bildergalerie des hiesigen Königlichen Schlosses abgehaltenen Cour sich unmittelbar anschloss. Es war dies ein Polonaisen-Ball im Weissen Saale, der einzige dieser Art, welcher bisher stattgefunden hat. Derselbe zerfiel in zwei Abtheilungen. In der ersten Abtheilung erfolgten die Umgänge Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzen und der Prinzessinnen des Königlichen Hauses, sowie der anwesenden Hohen Gäste, ganz in der Art des Fackeltanzes. In der zweiten Abtheilung, welche von der ersten durch eine Pause getrennt war, erfolgten die Umgänge der geladenen Gesellschaft. An denselben nahmen jedoch nur die Fürsten und die Fürstinnen, die Excellenzen-Herren und Excellenzen-Damen, darunter auch die fremden Minister und deren Gemahlinnen, Theil. Der Anzug bei diesem Balle war genau so, wie bei der vorangegangenen Cour, d.h. für die Damen im Hofkleide (robe de cour), für die Herren in Gala mit Ordensband, für die Militairs wie bei den gössen Hof-Couren.

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 57-61.
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