[26] Ebenso wichtig, wie die Reinlichkeit, ist die Ordnung, und ebenso, wie diese, ist sie eine Pflicht des Anstandes und der Wohlerzogenheit. Mit der Reinlichkeit gehe daher Hand in Hand die Ordnung. Ordnung ist von hohem Wert und[26] großem Nutzen. »Ordnung«, sagt ein Sprichwort, »ist das halbe Leben,« und, sagen wir, Ordnung ist halbe Arbeit. Ordnung erleichtert die Arbeit, gewinnt Zeit, spart Geld und macht uns bei jedermann beliebt. »Halte Ordnung und die Ordnung wird Dich erhalten.« In der Ordnung begründet sich äußerer und innerer Friede und aus dem Frieden erwächst Kraft zu allem Guten. Ordnung fördert Fleiß und Pflichtgefühl, Herzens- und Geistesbildung und jegliche andere Tugend. Ordnung im Aeußeren läßt schließen auf Ordnung im Inneren. Welche Nachteile bringt dagegen die Unordnung! Ein plan-und ordnungsloses Leben, ein Leben der Willkür und der Laune, ist oft ein müßiges und deshalb ein unnützes, ein böses, der Hölle wertes Leben; es ist vielfach ein sündhaftes, weil den Leidenschaften zugängliches und deshalb zur Verdammung führendes Leben; es ist jedenfalls ein unschönes und deshalb dem himmlischen, wohlgeordneten, das wir auf Erden nachahmen sollen, sehr unähnliches Leben. Wer aber der Ordnung lebt, lebt für Gott; er wird weniger sündigen, weil er seinen Berufsgeschäften treuer nachkommt, weil ihm mehr Zeit erübrigt, für sein Seelenheil zu sorgen; er lebt für Gott, weil er Ihm, dem Gott der Ordnung, passender nachahmt; er lebt für Gott, weil er auf eine Ihm gefällige Weise lebt; er lebt für Gott, weil er sich größere Verdienste sammelt; das Leben der Ordnung verlangt ja gar manches Opfer und kann auf die Dauer nur unter Abtötung und Selbstverleugnung Bestand haben. Und wie viele zeitliche Nachteile[27] hat die Unordnung im Gefolge! Ein unordentlicher Mensch wird nie sein richtiges Fortkommen in der Welt finden, weil es ihm unmöglich ist, seine Standes- und Berufspflichten in der erforderlichen Weise zu erfüllen; denn, wer die Unordnung liebt, beweist, daß er nicht richtig zu denken versteht und zerstreuten Geistes ist. Ein unordentlicher Mensch bringt es zu nichts: er erschwert sich selbst seine Geschäfte und zieht sich Unehre, Verdruß, Schaden und Beschämung zu, kurz, er kommt im Leben nicht vorwärts, sondern rückwärts. Auf Geist und Körper von wohlthätigstem Einfluß, sollte deshalb die Ordnung von frühester Jugend schon angewöhnt, das ganze Leben hindurch praktisch geübt, überall sichtbar und sozusagen zur zweiten Natur werden. Daher merke:
1. Ordnung hast Du, wenn Du alles zur rechten Zeit und in der richtigen Art und Weise thust, und wenn Du für jeden Gegenstand, den Du brauchst, einen bestimmten Platz hast.
2. Thue alles zur rechten Zeit. Die Zeit ist eines der kostbarsten Güter, welche uns der liebe Gott geschenkt hat, und wir müssen sie weise benützen. Dies geschieht, wenn man sie weise einteilt und wenn man alles zur rechten Zeit thut.
3. Stehe daher zur rechten Zeit auf, gehe zur rechten Zeit zu Bette, habe bestimmte Stunden zum Essen, zum Arbeiten, zur Erholung, kurz habe eine bestimmte Tagesordnung, wir möchten sagen, einen bestimmten Stundenplan, den Du bestimmt und gewissenhaft einhältst. Die Tagesordnung[28] verleiht dem ganzen Tagewerk Einheit und Ebenmaß. Zu diesem Behufe muß sie aber notwendig nach der gesunden Vernunft, nicht nach bloßer Laune eingerichtet sein.
4. Es sind aber nicht bloß die Zeitfristen zu ordnen, die Beschäftigungen selber müssen geregelt werden. Zuvörderst das Notwendige, dann das Nützliche, zuletzt das Angenehme; die Pflicht gehe dem Nutzen und dieser der bloßen Annehmlichkeit voraus.
5. Thue alles in der rechten Art und Weise, d.h. verrichte Deine Geschäfte nach einem bestimmten Plane, nach festen, bestimmten Grundsätzen, treu, gewissenhaft, pünktlich und prompt. Sei weder zu rasch und flüchtig, noch auch zu langsam und träg in Deinen Arbeiten.
6. Habe für jeden Deiner Gebrauchsgegenstände einen bestimmten Platz, für Kleider, Bücher, Schlüssel usw. Wirf beim Auskleiden Deine Kleider nicht umher oder durcheinander, sondern lege sie wohlgeordnet zusammen, jedes an seinen Platz, damit Du sie im Notfall zur Hand hast und selbst im Dunkeln findest. Ueberhaupt stelle alles so auf, daß Du es jederzeit nur zu nehmen brauchst, und bringe jeden Gegenstand sofort nach dem Gebrauche wieder an seinen bestimmten Platz.
7. Beobachte aber in Deinem Thun und Handeln, wie schon vorhin bemerkt, eine vernünftige Ordnung. Laß die Ordnungsliebe nicht in Pedanterie und starren Eigensinn ausarten, so daß Du Dich unter allen Umständen steif und[29] fest an Deine einmal festgesetzte Tagesordnung bindest und so ein minder wichtiges Geschäft vor dem wichtigen erledigst. So geht z.B. die Pflicht, dem Nebenmenschen in der Not zu helfen, der Pflicht, jetzt gerade zu beten, vor.
8. Gewöhne Dich frühzeitig an Ordnung. Der Mann der Ordnung ist gewöhnlich auch der Mann der That. Er ist der Mann, der viel wirkt, weil er weise wirkt; er ist der Mann, der nachhaltig wirkt, weil er mit Bewußtsein und unter Opfern wirkt. Hast Du Dich erst an Ordnung gewöhnt, so wird sie Dir süß, sie wird Dir zum Bedürfnis. Das Leben der Ordnung ist süß, weil es das Bewußtsein des Opfers und der Selbstbeherrschung in sich trägt und weil in ihm und durch dasselbe Früchte reisen, welche des Himmels wert sind. Zum Bedürfnis kann es dergestalt werden, daß man nur glücklich ist, wenn man es führen kann, und daß in den verschiedensten neuen Verhältnissen, in die man gerät, die Ordnung das erste ist, was wiederhergestellt sein will.