Umbau der Galerie

[20] Gegen Ende des Jahres 1884 war endlich der Umbau der Galerie fertiggestellt, er hatte uns nahezu zwölf Jahre beschäftigt. Am 10. Dezember wurde die Galerie feierlichst vom Protektor wieder eröffnet. Da die Mittel immer nur spärlich dafür flossen und da es galt, trotz des Umbaus die Gemälde dem Publikum doch möglichst vollständig zu zeigen, konnten immer nur ein oder zwei Oberlichtsäle oder wenige Kabinette in Angriff genommen werden. Die Schinkelsche Galerie hatte bis dahin lauter gleichmäßige Kabinette mit Seitenlicht gehabt. Jetzt waren noch zehn Kabinette geblieben, die übrigen waren in acht Oberlichtsäle verwandelt, in der Weise, wie ich früher schon angedeutet hatte. Die Kabinette (nach Osten und Westen) hatten die Kabinettsbilder, vor allem die altniederländischen und holländischen Gemälde, die Oberlichtsäle namentlich die großen Bilder der italienischen und vlämischen Schule aufgenommen.[20]

Bei Wiedereröffnung der Galerie im Dezember 1884 konnte schon eines der Bilder, um die wir uns im Laufe des Jahres bemüht hatten, mit gezeigt werden: das bekannte Triptychon des Jüngsten Gerichtes von Fra Angelico aus der Sammlung Dudley, das wir einige Zeit vorher um 10000 £ erworben hatten. Die langen Unterhandlungen über einen größeren Ankauf aus der Sammlung Marlborough kamen erst im Anfang des folgenden Jahres zu einem Abschluß. Eine Verständigung mit der National Gallery auf gemeinsamen Erwerb der Galerie, mit der der englische Finanzminister Goschen sich mir gegenüber einverstanden erklärt hatte, scheiterte an dem außerordentlichen Mißtrauen des kurz vorher zum Direktor ernannten Frederic Burton. Infolgedessen entschied sich der Besitzer schließlich für den Einzelverkauf, und sein Unterhändler, der zugleich ein Agent der Familie Rothschild war, Mr. Davis, nahm für Alphonse Rothschild die beiden herrlichen Familienbildnisse von Rubens vorweg. Die National Gallery entschied sich für Raphaels »Madonna Ansidei« und das große Reiterporträt Karls I. von A. van Dyck (obgleich sich ein zweites Exemplar in Windsor befindet), beides in England damals überschätzte Bilder. Unsere Auswahl beschränkte sich schließlich auf einige wenige Gemälde, die alle für den Londoner Handel ihr »aber« hatten: Rubens' großes Bachanal sowohl wie die »Andromeda« galten als »shocking«. Der auf Papier gemalte Studienkopf von Joos van Cleef, der in der Sammlung Holbein hieß, wurde dort nicht beachtet, weil er ja zweifellos nicht von Holbein stammte. Die unter Raphaels Namen berühmte »Fornarina« (das weibliche Bildnis von Sebastiano del Piombo), die unmittelbar neben dem Kamin hing, war an diesem Platz so verräuchert und unscheinbar geworden, daß sie allgemein als Ruine galt. Nur sehr ungern hatte deshalb die National Gallery und hatten Liebhaber wie George Salting (der mich peinlicherweise noch wenige Tage, ehe wir abschlossen, nach meiner ehrlichen Meinung über das Bild fragte) darauf verzichtet, so daß wir für die »Fornarina« statt der ursprünglichen Forderung von 20000 £ nur 2000 £ zahlten.[21] Der Preis von 20000 £ für diese vier Bilder, die jetzt zu den Perlen der Berliner Galerie zählen, war auch damals schon als mäßig zu bezeichnen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 20-22.
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