Kaiserin Friedrich und die Büste der Prinzessin Urbino

[71] Im Anfang des Jahres 1887 machte sich bei unserem hohen Protektor eine andauernde Heiserkeit geltend, deren verhängnisvoller Grund von den deutschen Ärzten gar bald erkannt wurde, und schon im Frühjahr ein öffentliches Geheimnis war. Daß trotzdem ein englischer Spezialarzt auf Verlangen der Kronprinzessin hinzugezogen wurde und seitdem den Kranken behandelte und in falschen Hoffnungen wiegte, erregte die Entrüstung des ganzen Volkes, dessen Liebling der Kronprinz war. Im Anfang des Frühjahrs präsidierte der Kronprinz noch in Berlin einer Sitzung, der ich beiwohnte; er sprach schon so heiser, daß man ihn kaum verstehen konnte. Seither habe ich ihn, auch nach seiner Rückkehr als Kaiser, nicht mehr gesehen. Doch war Generaldirektor Schoene mehrere Tage bei ihm an der Riviera, um unsere Baufragen mit ihm zu besprechen. Da wir während seiner Abwesenheit im Süden Desiderios Büste der Prinzessin von Urbino erhalten hatten, ließ sie der Kaiser nach seiner Rückkehr in sein Charlottenburger Palais kommen. Ich war gerade abwesend, weshalb Tschudi sie ins Schloß brachte, doch war der Kaiser durch eine Besprechung vorher schon zu ermüdet, um die Büste anzusehen; die Kaiserin nahm sie in Empfang. Unter Tränen über das traurige Befinden ihres Mannes tat sie doch einen kurzen Blick auf die Büste. »Aber wie können Sie solche Fälschung kaufen?« waren ihre einzigen Worte. Mehr als zehn Jahre später stand sie im Alten Museum zufällig einmal vor[71] der Büste und äußerte, sie sei doch das schönste Stück unter allen unseren Renaissancebüsten. Ich platzte erstaunt mit der Bemerkung heraus: »Aber Euere Majestät haben sie doch früher für eine Fälschung erklärt«, worauf die Kaiserin erwiderte: »Wie können Sie so grausam sein, mir das aufzumutzen! Ich bin ja selbst leidenschaftliche Sammlerin; da können Sie sich doch denken, wie mich ein so glücklicher Fang von Ihnen neidisch machte!« Erst jetzt wurde mir verständlich, warum die Kaiserin Viktoria regelmäßig nur abfällige Bemerkungen gerade über unsere besten Erwerbungen hatte, wenn ich annehmen mußte, daß sie sie besonders interessieren würden.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 71-72.
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