Reise nach Athen und Konstantinopel

[189] Das Jahr 1907 war für mich besonders unruhig, aber auch erfolgreich. Mitten im Winter hatte ich mich auf ein paar Tage nach Prag begeben, da mich Baron von Lanna wegen der Zukunft seiner Sammlung um Rat gebeten hatte. Ich bestärkte ihn in der Absicht, seiner Vaterstadt die herrliche Glassammlung zu vermachen und stellte ihm die Chancen eines Verkaufs der übrigen Sammlungen in Berlin dar, der ja nach seinem Tode, einige Jahre später, wirklich stattfand, dank der Bemühungen von Direktor von Falke und dem Auktionshause Rudolf Lepke, und uns die Gelegenheit zu einigen wertvollen Erwerbungen bot. Im Februar war ich einige Tage in London, um Otto Beit bei der Übersiedlung der Sammlungen seines Bruders von Park Lane nach Belgrave Square zu helfen. Damals gelang mir die Erwerbung unseres stattlichen Raeburn und der köstlichen kleinen Kreuzigung von Konrad Witz, welche die National Gallery gerade abgelehnt hatte. Ende März fuhr ich, von meiner Frau begleitet, nach Florenz, um zunächst der Vorstandssitzung unseres Instituts beizuwohnen und dann über Rom und Neapel nach Athen und Konstantinopel zu gehen. Beide Städte kannte ich noch nicht und hatte daher seit langem wieder einmal die Freude, einen ganz neuen frischen Eindruck zu bekommen, wie ich ihn eigenartiger und anziehender kaum je gehabt habe. Eine Woche in Athen verrann uns, unter der liebenswürdigen Führung von Professor Caro, nur allzu rasch. In Konstantinopel wollte ich die Beziehungen zum allmächtigen Generalkonservator Hamdy Bey, die durch Mißverständnisse mit der deutschen Orientgesellschaft sehr unerfreulich geworden waren, durch persönliche Aussprache wieder ins Geleise zu bringen suchen, was mir namentlich mit[189] Hilfe unseres dortigen Museumsvertreters Dr. Wiegand schließlich gelang. Das Mißtrauen freilich, das jeder Türke gegen die Giaurs, auch gegen seinen Freund und Wohltäter, hat, haben wir in unseren Beziehungen zu Hamdy und mehr noch zu seinem in Deutschland erzogenen Nachfolger, dem Bruder Halil Bey, damals nicht überwinden können. Was wir an Kunstwerken aus der Türkei erworben haben, – ja, selbst unsere ganze islamische Abteilung –, erschien ihm wie ein Raub, den wir an der heiligen Türkei gemacht hatten, gleichgültig, ob sie im Osten, in Italien oder auf den westeuropäischen Kunstmärkten erworben waren. Freilich, viel anders verhalten sich die Italiener den fremden Museen, namentlich dem Berliner Museum gegenüber, auch nicht. Sprachen doch gelegentlich der Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums die offiziösen Zeitungen Italiens ganz offen von »Raub«, obgleich selbst unse re neueren Erwerbungen an Werken der italienischen Kunst zum größten Teil nicht in Italien gemacht wurden, und wenn es geschah, kaum je ohne staatlichen Permiß ausgeführt worden sind.

In Konstantinopel wohnten wir in dem gastfreien Hause des Kollegen Wiegand, durch den wir die rasch zu einem Antikenmuseum ersten Ranges anwachsenden Sammlungen wie die malerischen Ruinen der Stadt und die herrliche Umgebung wenigstens oberflächlich kennenlernen konnten. Bei dem Zusammensein bot sich Gelegenheit, die Pläne für weitere Grabungen in der Türkei und für den Ausbau unserer Antikensammlungen zu entwerfen, für den Fall, daß dort in der Leitung eine Änderung eintreten sollte. Daß Wiegand allen Anspruch darauf hatte, zumal damals schon seit einem Jahrzehnt die meisten und wichtigsten Erwerbungen der Abteilung ihm zu verdanken waren, darüber waren wir damals nicht im Zweifel.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 189-190.
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