Franz Marc 13.08.1911

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Sindelsdorf, 13. VIII. 11


Lieber August,


unsre Schreiben haben sich gekreuzt; ich schicke meinem gestrigen gleich eine Antwort auf den Deinen nach. Das Benehmen Koehlers ist, wenn der Wortlaut seines Briefes wirklich so ist, wie Du schriebst, so unverschämt, dass Du nur eine Antwort hast, die Dich wieder in Achtung setzt vor Deinem ›Onkel‹: Du musst ihm glatt 500 M. zurückschicken und die Bilder zurückverlangen. Ich denke, Eure Mutter wird Euch in diesem Falle schon helfen; ich finde, Du musst das unbedingt tun. Es gibt durchaus keine andere Form, um Dich vor ihm in Respekt zu setzen; Du wirst sehen, er wird noch einmal weich. Was in meiner Macht steht, werde ich dazu tun und das gehörig. Der Prophet gilt nichts in seiner Familie und seinem Vaterlande; das gilt wahrhaftig von Dir. Ich fühle ganz aufrichtig, dass ich sowohl im Falle Koehler wie im Falle ›Rheinland‹ Obst aus Deinem Garten esse; Dein trockener Bericht über Reiches Besuch scheint mir dasselbe zu erzählen. Hast Du denn gar nicht mit ihm über eine Ausstellung Deiner Sachen gesprochen? Es bestätigt dies alles jedenfalls meine Idee, Du müsstest Dich zu uns schlagen, um auf diesem Umwege die Leute anzugehen. Reiche sagte Munter, er käme im Herbst nach München, da will ich ihn einmal auf die Nieren prüfen, was er sich »eigentlich von seinem Landsmann denkt«.[68]

Schreib mir doch auch bitte genau, wie Du den Eindruck, den Deine Arbeiten auf Munter gemacht haben, einschätzt, – nicht um der besonderen Wichtigkeit halber, die ich Münterschem Urteil beimesse, sondern nur, um mir aus den beiden Berichten (Deinem schriftlichen und dem mündlichen von M.) ein klares Bild dieses Eindrucks zu machen. Sie ist schliesslich der einzige fremde Künstler, der Deine ganzen Arbeiten jetzt kennengelernt hat und völlig unbefangen vor sie getreten ist.

Kandinsky mag Deine beiden Sachen, die bei mir hängen, recht gut, aber er möchte, glaub ich, daran ›weitermalen‹, auf irgend ein malerisches Zentrum hin, das das Bild vertieft. Er sprach das nicht so aus, aber ich hatte das Gefühl, das er so was dachte. Aber beide Sachen haben ihn sichtlich gefreut.

Kandinskys Art, Bilder anzusehen, ist nie einseitig; ich hab aus seiner Art zu urteilen, viel gelernt; ich kann es hier nicht mit ein paar Worten beschreiben, aber ich glaube, Du wirst Dich in diesem Punkt mit ihm gut verstehen.

Ich mache jetzt die verschiedensten Sachen, auch eine Menge kleiner Skizzen und Versuche und arbeite ziemlich viel draussen, vor allem im Wald. Von den Bildern, die ich nach Weimar schicke, hätte ich Dir so gerne vor allem das eine (Stier) gezeigt. Wohin es von Weimar aus gehen wird, weiss ich noch nicht. Die kleine Kollektion der Vereinigung soll aber weiter reisen, evt. Schames in Frankfurt, den ich vorschlug. Ob viel Gutes in der Kollektion ist, weiss ich nicht. Sie ist wesentlich von Erbslöh und Kanoldt kombiniert. Jawlensky hat eine grosse Ausstellung (80 Bilder) in Barmen im September. Schreib bald, tu das, wenn es irgend geht (und es muss gehen), mit Koehler. Good bye lady, good bye gentleman! Your


›dschent‹.

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 68-69.
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