Ambra

[44] Ambra.

Ambra grisea.

Ambarum griseum.

Ambra cineritia.

frantzösisch, Ambre gris.

teutsch, Ambargries, grauer Amber.

Ist eine kostbare Materie, trucken und fast so harte als ein Stein, leicht, dunckelgrau und wohlriechend, findet sich in Stücken von unterschiedener Grösse, schwimmet auf dem Wasser in dem grossen Weltmeere, an unterschiedlichen Orten, zum Exempel, an den Moscowitischen und Rußischen Gräntzen, vornehmlich aber an den Flüssen in der indianischen See. Wie man sagt, so soll im Jahr 1692. ein solches Stücke von 182. Pfunden nach Irrland seyn überbracht worden.

Die Naturbeschreiber sind wegen des Ursprunges und wegen der Natur des Ambers gantz uneinig, indem einige ihn für einen Seeschaum angeben, welcher durch die Sonnenstrahlen bald mehr, bald weniger gehärtet und getrocknet worden. Andere sprechen, es sey der Schaum von Seekälbern, der also dick geworden. Andere geben vor, es sey ein flüßiger Balsam, welcher aus den Ritzen gewisser Klippen in der See heraus rinne, und hernach durch das drein gemischte Saltzwasser dicht und Harte werde. Andere glauben, es sey ein Erdsaft oder Hartz, welches von dem unterirdischen Feuer, oder von der Sonnen ihren Strahlen fließig gemachet, ins Meer rinne, und allda gantz unvermeckter Weise vollkommen zubereitet werde. Noch andere geben vor, es sey ein zusammen gesammleter Hauffen Unrath von allerley Vögeln, die sich in den Maldivischen Inseln mit wohlriechenden Kräutern nähreten. Die beste und mit der Wahrheit am meisten übereinstimmende Meynung ist wol diese, die auch am meisten von den heutigen Scribenten angenommen wird, das nämlich der Ambragries seinen Ursprung von einem Hauffen Wachs und Honig nehme, so die Bienen an den grossen Klippen am Strande des indianischen Meers zusammengetragen: diese Honigweben lägen lange an der Sonne, würden von derselbigen gekochet, und unter einander gemischet, verlöhren also ihre vorige Gestalt. Endlich löseten sie sich selbsten ab, oder würden von dem Winde herunter gerissen, oder auch von den Wellen herabgeschmissen, und fielen ins[44] Meer, da sie dann auf ein neues durcharbeitet, und von dem Meerwasser und Triebe der Wellen vollkommen zubereitet würden, bis der Ambragries daraus entstünde, so wie wir ihn zu sehen kriegen.

Es wird auch diese Meinung durch mancherley Experimenta und Proben bestätiget. Dann erstlich versichern einige, wie daß sie Stücken Ambragries gesehen hätten, so zur Helffte Ambra, zur Helffte Wachs gewesen, dieweil es noch nicht völlig ausgekochet und seine Vollkommenheit erhalten hätte.

Zum andern sind manchmahl grosse Stücken Ambragries gefischet worden, in deren Mitten, wann sie aufgebrochen, Wachs und Honigwaben zu befinden gewesen, indem sie noch nicht zu ihrer gäntzlichen Vollkommenheit gelangen mögen.

Drittens, wann man den Ambragris im Weinspiritus zergehen läst, so findet sich am Boden ein honig-dickes Wesen.

Den Ambra soll man erwehlen, welcher sauber, recht trocken, leicht und inwendig voll schwartzer Puncten ist, anbey einen lieblichen annehmlichen Geruch hat. Den aber muß man lassen, welcher feuchte ist, weichlich und häßlich. Er führet viel starcken Schwefel und etwas flüchtiges Saltz. Weil er noch an einem Stücke ist, hat er keinen eben so gar starcken Geruch, wann er aber zerstossen und mit andern Sachen vermenget worden, so zertheilen sich die Theilgen, daraus er bestehet, und breiten sich dergestalt als, daß sie einen trefflich lieblichen, angenehmen und überaus guten Geruch geben. Ambra cineritia, grauer Ambra, wird er genennet, weil er so grau ist, als wie Asche.

Er stärcket das Hirn, Hertz und Magen, macht munter und frölich, mehret den Samen, widerstehet dem Gift. Die dosis ist von einem halben Gran bis auf vier Gran. Für Mannspersonen wird er als ein Parfum gebrauchet: Weibspersonen aber verursacht er Ubelkeit.

Bey den Specereyhändlern trifft man manchmahl weissen Ambra, frantzösisch, Ambre blanc an, der von dem grauen nicht nur durch die Farbe unterschieden, sondern auch, weil er um ein grosses Theil schwächer ist. Sonst dienet er zu eben solchen Gebrauch.

Es findet sich auch schwartzer Ambra, frantzösisch, Ambre noir, der wird aber nicht zur Artzney gebraucht, sondern nur von den Parfumirern.

Ambra ist ein arabisches Wort: auf griechisch heist es ἄμβαρ.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 44-45.
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