Eltern, Vaterland und Herkommen Judas des Erzschelmen, und wie es seiner Mutter von ihm geträumet.

[10] Zu Jerusalem in der weltkundigen Stadt, welche die göttliche Weisheit zu einem Platz der höchsten Geheimnisse auserkiesen, war wohnhaft ein Paar Ehevolk, mit Namen Ruben und Liboria, beede aus dem unglückseligen Geschlecht Dan, aus welcher danitischen Schlangenbrut und Zunft auch der Antichrist herstammen wird.

Erst benannte Liboria, als sie großen Leibs gegangen mit dem Judas, hatte bei nächtlicher Weil einen unvermuthen Traum, welcher ihr in dem Schlaf mit einem prophetischen Pinsel vormalte, als trage sie unter ihrem Herzen einen so lasterhaften Bösewicht, welcher eine Schand und Schad der gesammten Freundschaft seyn werde, auch mit seinen verdammten Unthaten das ganze Haus beflecken, woraus sattsam zu schließen, daß auch der finstere Nachttraum gar oft die helle Wahrheit an den Tag bringe.

Es ist aber förderist nothwendig, zu wissen, daß dreierlei Traum dem Menschen in seinem ruheseligen Schlaf können vorkommen, welche eigentlich[11] entweder von der Natur, dem bösen Feind, oder Gott herrühren.

Der natürliche Traum wird zum öftesten von dem unterschiedlichen Geblüt vorgebildet: es träumet manchem, er habe einen ernstlichen Befehl von dem türkischen Kaiser, unter Kopfverlieren, daß er alle Mauslöcher der ganzen Welt mit jetziger Treu und Redlichkeit solle zustopfen, und dafern eines offen bleibe, werde man von dem Baum seines Leibs den Gipfel abstutzen: in was Aengsten befindet sich nit ein solcher? Diesen Traum aber verursachte das melancholische Geblüt. Einem andern träumt ganz lebhaft, wie er das Meer, in welchem der halsstärrige König Pharao ersoffen, habe mit dem Rheinstrom verheirathet und haben auf der Hochzeit alle Flüß der ganzen Welt getanzt. Diesen Traum brüten aus die phlegmatichen Humores und übrigen Feuchtigkeiten. Einem träumet, er fliege mit schnelleifrigem Flügel über den ganzen Deutsch-Boden; allein es seyen ihm etliche Federn ausgefallen, als man so erbärmlich geschossen zu Straßburg, wie selbige Festung anno 1681 erobert worden. Diesen Traum veursachen die subtilen Humores und trockne Complexion[12] des Menschen. Solche Träume zu anatomiren gehet eigentlich die erfahrenen Medicos an, woraus sie dann, als aus einem wahrhaften Zeugen, ganz scheinbar können abnehmen, wie das innere Uhrwerk der menschlichen Gesundheit behaftet sey. Noch andere natürliche Träume gebähret die unruhige Phantasey des Menschen, als welche fast niemalen keinen Feiertag hält, und protokolliret bei nächtlicher Weil dasjenige worin sich einer des Tags zum mehrsten beschäftigt: als, einem Jäger träumet, wie er in einem furchtbaren Eichwald ein wohlgewaffnetes Wildschwein anträfe, dessentwegen mitten im Schlaf aufschreiet: Hui Sau, daß auch darüber das Weib erwacht, und fragt: Mann, was willst? Einem Maler träumet, wie er eine wohlgestalte Dame in einem prächtigen Aufzug, mit sonders emsigem Pinsel abmahle, und als er auch einen Schleier um den Hals wollte führen, stielt ihm der Teufel die Farben, daß dessenthalben der Hals blos geblieben. Einem liederlichen Schlemmer träumet, der gewöhnlich in allen Wirthshäusern einen steten Umkreis macht, wie daß er beim goldenen Hufeisen das beste Pferd versoffen. Noch mit andern verwickelten, verwirrten, verwechsleten, verwildten, verwegenen Träumen mattet sich die menschliche Phantasey ab, denen aber keineswegs ein[13] Glaub noch Wahrheit beizumessen. Ja es ist ziemlich lachenswerth, die aberwitzige Meinung der alten Weiber, welche in dergleichen Schlafgrillen einen prophetischen Geist suchen. Sie geben vor, wenn es einem träumet, es fallen ihm die Zähne aus, so sey es ein unfehlbares Anzeigen, daß jemand aus der Freundschaft sterben werde; sie sagen aus: wenn es einem träumet, als werde er an den Galgen gehenkt und mit den Füßen die Luft trete, so seye es eine genaue Weissagung, daß er zu höherer Würde gelangen werde; sie schwören: wenn es einem träumet, daß ihm ein Pfannenstiel aufs Maul falle, so sey gewiß, daß er den morgigen Tag bei einer vornehmen Mahlzeit werde als Gast sitzen; sie wollen es hartnäckig behaupten: so einem träumet, er esse hart's Eisen, und kaue krumme Hufnägel, so sey es unfehlbares Vortrapp eines langen Lebens. Tausend dergleichen Schlafflaufen, Kinderrollen, Schattengewicht und Possen dichten etliche Abergläubige, und vermeinen es seye lauter Sybillenwahrheit was die von dem überfüllten Magen aufsteigenden Dämpfe in der Phantasey bei nächtlicher Weil ausschnitzlen.

Ein anderer Traum ist, welcher von dem bösen Feind als einem Gründer und Erfinder alles Uebels herkommt. Solcher verkündet wohl zuweilen in aller[14] Wahrheit künftige Begebenheiten, gar oft aber ist es ein bloßer vermantleter Betrug, und verzuckerte Falschheit, zumal dieser Fürst der Finsterniß nichts anderes sucht, als die unbehutsamen Menschen hinter das Licht zu führen. Er machts auf die Art eines vortheilhaften und gewinnsüchtigen Spielers, welcher anfänglich dem Gegentheil freimüthig den Gewinn läßt, nur durch solche Speckschwarten denselben mehr zu locken, bis er endlich unvorsichtig in die Falle kommt, und ihm der Eichel-Ober den Untergang weiset. Also vermaskirt sich gar oft der böse Satan, schicket den Menschen in dem Schlaf einen Traum, welcher nachgehends einen wahrhaften Ausgang nimmt und zeiget, daß die Träum nicht leer seynd, wodurch der leichttrauende Mensch also bethört wird, daß er allen Träumen einen festen Glauben gibt.

Zu Dortrecht in Holland war nicht gar vor vielen Jahren ein Gesell, welcher fein sauber all das Seinige verschwendet durch stete Schlemmerei und Unsauberkeit; denn diese beede gemeiniglich verwandt seynd, und wenn Bachus hinter dem Ofen sitzt, so heizt die Venus ein, und seynd diese so nah beieinander wie der Knopf bei den Hosen; auch zeigt es die öftere Erfahrnuß, daß Feuchtigkeit und Nässe den Kalk anzünde: nit weniger thut das Uebermaß des Weintrinkens[15] ungebührende Venusflammen in dem verwandten Leib erwecken; die Weiber aber und Weinbeer machen mehrstentheil alle Beutel eitel; und gleichwie in dem Kalender auf den Weinmonat der Wintermonat folgt, also auf vieles und ungezähmtes Weinsaufen geht es gemeiniglich kühl her, und schleicht die Armuth ein, wie ein stummer Bettler. Dessenthalben soll Bachus von Rechtswegen in einer Hand einen Regimentsstab, in der andern Hand einen Bettelstab führen. Nit weniger auch Venus thut die Taschen leeren; bringen also die Kandel und Andl einen Menschen zu einem armen Wandel. – Auf solchen Schlag ist es begegnet obbemeldetem Holländer, welcher durch sein unmäßiges Leben nit allein das Gewissen beschweret, den Beutel geringert, sondern auch noch dazu sich mit großen Schulden überladen, dergestalten, daß er zu Winterszeit nicht Noth hatte, vor seinem Haus eine Bahn zu führen, zumalen ihm ohnedieß die überdrüßigen Schuldenforderer durch vieles Laufen den Weg gebahnet. Die Sache kam also so weit, daß er wie die Fledermäus den Tag haßte und sich nicht traute sehen zu lassen, aus Ursachen, weil männiglich ihn mauloffen anschaute, auch mit Finger auf ihn deutete. Dieser Schwärmer in seiner tiefen[16] Melancholey hatte bei nächtlicher Weil einen Traum, und gedunkte ihm, als sehe er einen Mann mittlern Alters und feiner Leibsgestalt, welcher ihm seinen sträflichen Wandel sattsam zu Gemüth führte, beinebens stark befehle und einbinde: er soll sich unverzüglich nach der Stadt Kempen befügen, allda werde er auf der Brucken einen Menschen antreffen, der ihm gewisse Mittel werde an die Hand reichen, wodurch er zu dem vorigen Vermögen gelangen konnte. Der erwacht endlich, vermerkt beinebens, daß es ein Traum, bildet sich dennoch ein, es müßte etwas dahinter seyn, gehet deßwegen geraden Weg von Dortrecht nach der Stadt Kempen, verweilet daselbst einen ganzen Tag auf der Bruck, wird endlich über sich selbsten zornig, daß er einem nichtigen Traum einen so festen Glauben gebe, und beschließt bei sich, wieder mit dieser langen Nasen nach Haus zu kehren. Indem aber redet ihn ein Bettler an fragend, warum er eine geraume Zeit so bestürzt auf und nieder gegangen? Ei, sagt er, es hat mir getraümet, daß ich an diesem Ort werde ein Pflaster über meine Wunden, will sagen einen Schlüssel zum vorigen gehabten Glück finden. Finden? – ja finden, sagt der Bettler, eine Narrenkappen wirst du da ertappen: ist das nicht eine ungeräumte Thorheit, auf einen Traum glauben, und deßwegen eine solche Reis' auf sich nehmen? Du mußt wohl ein leichtgläubiger Tropf seyn, sagt der Bettler. Auf solche Weis' hätt ich schon längst müssen nach Dortrecht reisen, alldort einen Schatz zu graben unter einer Dornhecken in diesem und diesem Garten, wie es mir geträumet; – und erzählt den Traum mit allen[17] Umständen, aus welchen der Holländer augenscheinlich wahrgenommen, solcher Ort sey seines Vaters Garten, stellt sich aber, als achte er all dieß wenig, gibt dem Bettler ein freundliches: »Behüt' dich Gott,« und eilet nach Haus auf Dortrecht, gräbt unter dem gedachten Dorngesträuß, und findet wahrhaftig einen großen gold- und silberreichen Schatz.

Daß dieser Traum, auf welchen solche gewünschte Wahrheit gefolgt, soll seyn von Gott kommen, ist ein harter Zweifel, glaub' es dann erst, wann die Eselinn des Propheten Balaams wird ja dazu sagen; denn dieser gewissenlose Schlemmer solche Gnad von dem beleidigten Gott nicht verdienet hat; sondern allem Ansehen nach hat der arglistige Satan, dem dergleichen verborgene Schätz wohl bekannt, diesem lasterhaften Gesellen solches offenbart, damit er wiederum Mittel und Gelegenheit habe, seinen verdammten Luderwandel ferners zu treiben, und an die alten Sünden neue Missethaten zu knüpfen.

Vor Zeiten bei den Heiden war allgewöhnlich, daß man in dem Götzentempel das Nachtquartier genommen, darin geschlafen, zu dem End, damit ihnen der Traum einige Wissenschaft künftiger Dinge einblase, sodann öfters durch die bösen Feind' geschehen. Absonderlich in den gefährlichen Krankheiten hat der Teufel offenbaret gewisse Kräuter und heilsame Mittel, dadurch solche Leibespresten zu wenden, wie es Alexandro Magno und Andern begegnet. Mit solchen[18] phantastischen Gesichtern nächtlichen Gestalten und öftern Traumwerken betrügt annoch die alte Schlang manchen unbedachtsamen Menchen, wovon es kommt, daß bei Vielen der Traum gleichsam mit der heiligen Schrift in gleichem Gewicht ist, und sündigen förderst hierin die vorwitzigen jungen Töchter, welche den mehrsten Träumen von den Heirathen einen hartnäckigen Glauben stellen: Wie dann vor wenig Jahren in dem Unterösterreich einem solchen Kittelaffen geträumet, sie werde denjenigen heirathen, den sie zu Morgens nach der Frühmesse wird sehen vor der Kirche stehen. Wie sie nun eifrig aufgestanden und ganz schleunig nach dem Gotteshause geeilet, trifft sie bei der Kirchenpforte einen an in langer schwarzer Kutte und einem Chorrock, worüber sie dergestalten erbleicht, in närrischer Meinung, sie muß einen Geistlichen heirathen, daß sie kraftlos zur Erde gesunken. Es war aber bei ihr ein blinder Irrthum; denn dieser nur der Meßner desselbigen Orts war, welcher pflegte im wirklichen Kirchendienst dergleichen Kleidung an zu tragen.

Kaum hat Absalon so viel Haar in seinem Strobelkopf, kaum quackten so viel Frösche in Aegypten zu Pharaonis Zeiten, wie viel Weis' der höllische Raubvogel gebrauchet, dem Menschen zu schaden, absonderlich in dem Traum; denn gleichwie unterschiedliche[19] Aemter unter den bösen Feinden seynd ausgetheilt, also finden sich nit wenig unter dieser satanischen Schaar, welche den Namen und Titel tragen der Traumteufel: wie es dann einst die heil. Maria dam leidigen Satan, welcher einen gottseligen Mann stets durch verwegene Träume überlästigte, so weit getrieben, daß er in ganz trutziger Gestalt vor ihr erschien, und als sie fragte, wer er sey? geantwortet: Ich bin derjenige, den du Verfluchte mit deinem Gebet genöthet, zu dir anhero zu kommen, die du mir meinen Freund abzudringen dich unterfängst, ich werde genannt der Traumteufel, bethöre und führe nicht wenig Menschen hinter das Licht.

Es ist leicht zu glauben, daß jener grobe Bauren-Lümmel in Elsaß seinen Traum von dergleichen Schmutz-Engel geschöpft habe: Dem Stocknarren träumte, als sehe er im Schlaf eine ohnzählbare Menge der Mäus, so auf den Aeckern und Traid-Feldern großen Schaden verursachten, ja es dünkt ihm, als habe er mit seiner Kühnheit alle diese schädliche Traid-Dieb vertrieben. Solchen Traum legte er eigensinnig dem Baurenvolk aus, und bewies, wie daß durch die Mäus die Edelleut verstanden seyen, welche dem armen Unterthan sein Stückel Brod immer abnagten; es sey demnach Gottes Willen, daß sich der gemeine Mann rechtmäßig wider seine Obrigkeit auflehne, und zum Gewehr greife; woraus dann ein so blutiger Krieg entstanden, daß sehr viel aus dem hohen Adel umkommen, der Bauren aber fast in die hundert tausend ins Gras gebissen: ist also des bösen Feinds einige List und Lust,[20] den Menschen im Traum, durch Traum und mit Traum zu bethören, daher der Prophet Jeremias uns schon längst gewarnet mit diesen Worten: Dieß sagt der Herr der Heerschaaren, der Gott Israel, las set euch eure Propheten und Wahrsager, die unter euch sind, nicht betrügen, und achtet auf eure Träume nicht, die ihr träumet.

Gleichwohl aber sind nit alle Träum zu verwerfen, aus Ursachen, weil Gott der Herr gar oft dem Menschen im Traum große Geheimnisse offenbaret, ja nit selten durch seine Engel solche Träum zuschicket, welche zuweilen einen Unterweis oder Verweis geben.

Von Gott ist gewest jener Traum des Josephs, welchem im Schlaf vorkommen, als binde er mit seinen Brüdern Garben auf dem Feld, und scheine endlich, daß seine Garbe allein sich aufrichte, der Brüder aber ihre Garben rings herum die seine anbeten, tiefe Referenz und Compliment machen. Durch solchen Traum wollte Gott schon von fern andeuten, wie daß der gerechte Joseph zu hohen Würden soll gelangen, seine Brüder aber der Lakeien Stell verrichten, denen der Schneidermeister Neydhart die Livree verfertiget.

Von Gott ist gewest sein anderer Traum, den er seinen Brüdern erzählte, worin er eigentlich sah, daß Sonn und Mond sammt eilf Sternen ihn angebetet,[21] in welchem Nachtgesicht die helle Wahrheit verhüllt gewesen; denn es war eine vermantelte Prophezeihung, daß er werde sehr hoch steigen, die eilf Brüder aber werden sich müssen auf Eilfe legen, und in niederträchtigem Stand vorlieb nehmen, ja es soll noch dazu kommen, daß Vater, Mutter und alle Brüder ihm gebührmäßig werden aufwarten.

Von Gott ist gewest jener Traum des königlichen Mundschenken, wie auch des Hofbäckers bei dem großen Pharao, welche beede durch Königlichen Befehl in der Keichen verhaftet lagen, und einst zwei ungleiche Träum hatten, benanntlich: dem Mundschenk hat geträumet, als sehe er vor ihm einen Weinstock mit drei Reben, auch solche Presse, nach dem sie genug gezeitiget, in dem Mundbecher des Pharao, und reiche dieses Trinkgeschirr wirklich dem König. Joseph, der gleichmäßig ein Gefangener war in solchem Kerker, wird höflich ersucht, als ein von Gott erleuchteter Traumausleger, was doch dieses möchte bedeuten? Du, antwortet er, wirst nach dreien Tagen wieder zum vorigen Amt gelangen: Bruder memento mei, »mach dir einen Knopf auf die Nasen und vergiß meiner nicht.« Der Hofbäcker erzählt auch ganz umständlich seinen Traum, wie das daß er gesehen im Schlaf als trage er drei Körb auf seinem Haupt, und waren in dem obern Korb allerlei Brode, Leib, Mund-Semmeln,[22] Pretzen, Wecken, viel lange, kurze, krumme und gerade Kipfel etc.; auch hats ihm gedunkt, als fressen die Vögel aus diesem Brodkorb. Joseph was hältst du davon? Du, sagt Joseph, du wirst den König um Gnad flehentlich ersuchen, wirst aber einen Korb erhalten, und nach dreien Tagen wird der Henker auf deiner Hochzeit tanzen. Der Galgen wird dir im obern Stock ein Logement vergönnen; in der Luft wirst du das Luftschöpfen vergessen, und die Raben werden bei dir eine Freitafel haben. Auf beiden Seiten ist ein solcher Ausgang gefolget, wie es der gerechte Joseph angedeutet.

Von Gott ist gewest der Traum des Salomon, des Abrahams, des Nabuchodonosors, des Jakobs etc. Es wird herentgegen in Zweifel gestellt, von wem jener Traum verursachet worden, welchen gehabt hat die Frau Gemahlinn des Pilatus, damalen, als sie in aller Früh den Pagen zu ihrem Herrn geschickt, da er schon im Rath gesessen, ihm die Ordinaripost lassen ablegen und beinebens ernstlich ersuchen, er wolle sich doch nicht vergreifen an Christo von Nazareth, noch weniger ein unreifes Urtheil über ihn fällen; denn sie habe heut Nacht einen erschrecklichen Traum deßhalben gehabt, und nehme ab in Allem ganz handgreiflich, daß er ein gerechter und unschuldiger Mensch seye. Es seynd wohl etliche der Meinung, als habe dieser Traum von dem bösen Feind hergerührt, der durch solches Weib gesucht, den seligmachenden Tod des[23] Herrn zu verhindern; es ist aber der mehrsten Lehrer einhellige Aussag', daß solcher von Gott kommen, denn so der Satan hätte wollen hinterstellig machen den Tod Christi, so hätte er die Gemüther der Hebräer nit also mit Neid und Haß gegen ihn angefeuert: Folget demnach, daß solchen Traum Gott habe geschickt, zumalen diese des Pilatus Frau eine gottselige Dame war, mit Namen Claudia Procula, welche nachgehends an Christum eifrigst geglaubt, und den Namen einer Heiligen verdient.

Gott der Herr ist nicht ungleich einem Magnet; denn gleichwie dieser wunderseltsam das harte Eisen ziehet, also ziehet der mildherzigste Erlöser die harte Sünde zu sich. Moses war auf eine Zeit ganz heißbegierig, die Glorie Gottes zu sehen; dem aber Gott den Bescheid geben, er solle ihm auf den Rücken schauen: Gott der Herr aber trägt auf dem Rücken und Achseln nichts anders, als das verlorne Lämmlein, welches er als ein guter Hirt wiederum gefunden. Es hält dieß also der Höchste für seine Glorie, wenn er einen irrenden Sünder wieder auf den rechten Weg bringet; ja Gott ist wie der Agtstein: solcher zieht durch verborgene Wirkung an sich das Stroh. Nit weniger zieht Gott der Herr an sich den Sünder, welcher dem unfruchtbaren Stroh ganz gleich, ja wohl ein Stroh-Kopf selbst zu benennen, indem er um ein geringes Affenspiel der Welt so unweislich das Ewige vertändelt.[24]

Unzählbar aber scheinen die Manieren, wodurch der Allmächtige das sündige Adams-Kind zu sich locket, und geschieht gar oft durch einige Träum', die er manchem Lastergemüth zuschicket:

Die selige Margarita von Cortona hat Gott zu sich gezogen durch einen Hund, welcher sie bei dem Saum des Rocks geführet hat hinter ein dickes Gesträuch, und ihr allda gezeigt den todten und bereits mit Würmern überhüllten Jüngling, den sie so unsinnig geliebt hat: Hat ihr also der Hund gesagt, was ein Mensch sey. – Den heiligen Ignatium Lojola hat Gott zu sich gezogen durch eine starke Wunde an seinem Fuß in der Pampelonesischen Belagerung, wovon er liegerhaft worden und zur Vertreibung der Zeit geistliche Bücher gelesen, welche ihn also in der Liebe Gottes angefeuert: Hat demnach Ignatius mit krummen Füßen lernen besser Christo nachfolgen, als mit geraden. – Den gottseligen Petrum Consalvum in Spanien hat Gott zu sich gezogen durch eine Kothlachen; denn als er einst vor großer Menge Volk mit absonderlichem Gepräng' auf einem stolzen Klepper den Damasen zu Ehren daher trappte, fällt er unverhofft in eine wüste Kothlache, worin er als in einem Saubad herumgewälzet, und einem Mistfinken nit ungleich gesehen, welches denn jedermann zu einem ungestümmen Gelächter bewogen. Er aber wahrgenommen, daß ihn die Welt also auslachet, resolvirt sich augenblicklich,[25] dieselbe hingegen wieder auszulachen, tritt in einen heiligen Orden, und lebt gottselig: Dem hat gleichsam die Kothlachen das Gewissen gesäubert. – Den seligen Johannem aus dem heiligen Orden des Franziscus hat Gott durch die Schwein zu sich gezogen; denn als dieser ein vornehmer Advokat war, und einmal gesehen, wie daß einer die Schwein' wollte in den Stall treiben, solche aber auf alle Weise widerspenstig sich weigerten hineinzugehen, sagte der Hirt aus Unwillen: Ey daß euch der Teufel hineinführe, wie die Advokaten in die Hölle. Kaum daß solche Worte vollendet, seynd die Säu' haufenweis hineingedrungen, und eine über die andere hinein geeilt, welches diesen Advokaten dergestalten erschreckt, daß er von Stund an der Welt den Rücken gezeigt, und in den strengen Orden des heiligen Franziskus getreten: Ist also dieser durch die Säue in den Schafstall Gottes kommen. – Den muthwilligen Clericum hat Gott zu sich gezogen durch die Würfel. Denn als ihm der heilige Abt Bernhardus begegnete, und zur ernstlichen Bekehrung anfrischte: Meinethalben, antwortete er, Herr Pater, wir wollen würfeln, und so ihr mehr Augen werft als ich, so will ich euer Mönch werden; dafern aber ich euch an Wurf überwinde, so gehört euer Roß mir zu. Der heilige Abt läßt sich in diese Bedingnuß ein. Der freche Clericus ziehet heraus drei falsche Würfel, und wirft gleich das erstemal 18 Augen, der heilige Bernhardus wirft auch voll der Hoffnung, da fallen zwei Würfel, ein jeder mit 6 Augen; der dritte aber ist mitten von einander gesprungen, und ein Theil 6 und der andere 5 Augen gezeigt, welches Wunder den[26] Clericum in das Kloster gezogen: Er hat also durch dieses Verspielen das Beste gewonnen.

Noch viel' andere Weisen hat der allgütigste Gott, wodurch er den irrenden Menschen zu sich locket; absonderlich aber pflegt er solches zu thun durch den Traum, und schicket manchem einen Traum, der ihm anstatt eines apostolischen Predigers ist; der ihm anstatt eines klaren Spiegels ist, worin er die Wahrheit ersiehet; der ihm anstatt eines Sporens ist, welcher ihn auf dem Weg' Gottes besser antreibet; der ihm anstatt eines Weckers ist, und von dem Schlaf der Sünden aufmuntert. Gesetzt, es ist jemand, der mit dem Kain neidig, mit dem Absalon stolz, mit dem Ammon buhlerisch, mit dem Achan diebisch, mit dem Joab falsch, mit dem Dathan lügenhaft, mit dem Nabal liederlich und in allem sündig: dem träumet einmal oder zweimal, wie daß er vor Gottes Richterstuhl stehe, und sehe das große Protokoll seiner Sünden, das zornige Angesicht des Richters, die verschwendeten Blutstropfen des Erlösers, die versäumte güldene Zeit, die triumphirenden höllischen Geister, den aufgesperrten Rachen des Teufels, ja es träumet ihm, als wäre er wirklich in dieses ewige Weh hineingestürzt, ängstiget sich dermaßen ab im Schlaf, daß er hierüber erwacht, und findet das Angesicht mit kaltem Schweiß überloffen: Glaub du mir, dieser Traum rühret nicht anderswo her, als von Gott, welcher sucht, dich verlorenes Lämmlein, mit solcher Weis' auf den rechten Weg zu bringen, dich aus dem sündigen Egypten ins gelobte Land zu führen, dich in dem Jordan der[27] Pönitenz von dem sündigen Aussatz zu reinigen, und deine Seele als eine Sclavinn des bösen Feindes wiederum zu einer Bürgerinn des Himmels zu machen. – Es träumet einem Jüngling, wie daß er eine große Weltkugel vor sich sehe, mit unterschiedlichen Schubladen, die er alle auf das genaueste durchsucht, und träumet ihm, als habe er in dem ersten gefunden eine Larve mit Schellen verbrämt, in dem andern lauter faule Fische, in dem dritten Staub und Asche mit etlichen zerbrochenen Glasscherben untermenget, in dem vierten einen wurmstichigen Lebzelten mit einem Gläslein Wermuth, im fünften ein Zettelchen, darauf diese Worte stunden: reim dich Bundschuh; die andern Schublädlein waren alle leer etc., welches ihn also verdrossen, daß er die Weltkugel mit Füßen getreten, und als er im währenden Schlaf den Fuß an die Bettwand gestoßen, wird er wach: Glaub du mir, entdecke diesen Traum deinem verständigen Beichtvater, begehre und bitte von Gott dessenthalben eine Erleuchtung, du wirst augenscheinlich finden, daß der Traum nit leer, sondern Gott will auf solche Weis dich vor der öden und schnöden Welt absondern, damit du ihm in einem geistlichen Stand desto eifriger dienst. Einem, der gefährlich krank lieget, und dem der Doctoren Recept und Concept keine Linderung bringen, träumet und kommet im Schlaf vor, als soll er sich verloben nach Maria Zell in Steiermark, nach Maria Einsiede in der Schweiz, nach Maria Alten-Oetting in Bayern[28] nach Maria Täferl in Oesterreich etc.: dort werde er unfehlbar bei der Mutter der Barmherzigkeit seine gewünschte Gesundheit erhalten, als welche gar recht in der Lauretanischen Lobverfassung, Salus infirmorum, ein Heil der Kranken benennet wird: Glaube du mir, dieser Traum ist nicht leer, und hat solchen unbezweifelt dein lieber Schutzengel dir eingegeben, als der da sucht sein liebstes Pflegkind unter dem Marianischen Schutzmantel zu verhüllen, und den Eifer zu dieser mildesten Himmelsköniginn mehr anzuflammen.

Zu wissen aber eigentlich, welcher Traum gewiß von Gott herrühre, können unfehlbare Kennzeichen nit beigebracht werden, weilen auch der böse Feind unter heiligen Larve pflegt zu spielen; doch ist dieses wohl in Obacht zu nehmen: Wenn man mit guten Gewissen und nüchterm Magen schlafen gehet, auch sich mit gewöhnlichem Gebet und Weihwasser bewaffnet, daß selten den höllischen Laurern in solchem Fall ein Zutritt von Gott gestattet wird, auch wohl zu merken: wann Gott einem einen Traum schicket, daß er gemeiniglich pflege auch desselben Gemüth zu erleuchten, wie begegnet dem Abraham, dem Jakob, dem Salomon, dem Daniel, dem Joseph, dem frommen Herzog in Bayern, Wilhelmus, von welchem Drexel. Protr. Paragr. 38.

Die Mutter des heiligen Eligius, die Mutter des heiligen Furseus, die Mutter des heiligen Bonifacius, des heiligen Willebrordus, des heiligen Bernhardus, des heiligen Dominicus, Andreas, Corfinus, Franziskus, Robertus, Pabst Pius II. Leo X. etc. haben Träume gehabt, daß sie werden Kinder gebären,[29] welche zu großer Ehr' und Heiligkeit sollen gelangen. Zweifels ohne seynd solche Träum von Gott gewest.

Wie es aber Ciboria der Mutter des Judas geträumet hat, daß sie werde einen Erzschelmen auf die Welt bringen, von wem solcher Traum herkommen, laß ich es dem verständigen Leser über, von welchem mir geträumet, daß er es zum besten werde erörtern und auslegen.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 1, S. 10-30.
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