Judas der Erzschelm lobet das Almosengeben, und rühmet, dem äußerlichen Schein nach, den Dativum, da er doch ein schlimmer Vocativus war etc.

Es ist erstlich sich hoch zu verwundern, daß wegen des lasterhaften Iscarioth kein Mensch mehr will den Namen Judas tragen, indem doch sattsam bekannt ist, daß viel dieses Namens heilige und vollkommene Männer gewesen: Judas, ein Sohn des Jacobs, war ein so werther Patriarch in den Augen Gottes, daß die andere Person in der Gottheit von seinem Stamm die Menschheit hat wollen annehmen, auch von diesem, als von einem Erz-Vater, alle Israeliten seynd Juden genennet worden. Judas, ein Sohn Saphiräi, war zu seiner Zeit der eifrigste Schutzherr dem mosaischen Gesetz', und zeigte sich steinhart gegen diejenigen, welche den Geboten der steinenen Tafeln zuwider lebten, wessenthalben er eine Geißel genennet[9] worden des lasterhaften Herodis. Judas, mit dem Zunamen Esäus, war ein vortrefflicher Mann, eines sehr unsträflichen Wandels, welcher nie ein Haar darnach gefragt, wie er den König Antigono die Wahrheit in Bart gerieben. Judas, mit dem Zunamen Hebräus, folgendes aber nach der h. Tauf ist er Quirianus genennt worden, führte ein sehr auferbauliches Leben, welches genugsam aus dem erhellet, da er denjenigen Ort umständig entdecket, allwo der h. Kreuzstamm begraben lag. Judas Alphäi ist gewest der vierzehente Bischof zu Jerusalem nach dem h. Jacobum, als welchen Petrus, damals schon gevollmächtigter Vicarius Christi, zum ersten Bischof geweihet. Gedachter Judas ist mit größtem Ruhm und Heiligkeit der Kirche zu Jerusalem vorgestanden. Judas Machabäus wird nit allein von den Lebendigen als ein streitbarer Heiliger gepriesen, sondern auch bei den Todten und Abgestorbenen verdiente er ein unsterbliches Lob, massen er dero Seelen auch in dem Fegfeur Hülf geleistet hat. Judas, sonst ins gemein genannt der Bruder Christi zu Jerusalem, hatte einen besondern von Gott erleuchten Verstand und allbekannten prophetischen Geist, war auch den zweien heiligen Lehrern Paulo und Barnabä wegen seiner apostolischen Doctrin sehr bekannt. Judas endlich mit dem Zunamen Thaddäus, ein Bruder Jacobi des Mindern, ist von Christo Jesu zu einem Apostel erkiesen worden, welcher nachmals mit großem Eifer durch ganz Judäa, Galiläa, Samaria, Idumäa, Arabia, Syria, Mesopotamia den christlichen Glauben ausgebreitet.

Seynd demnach viel heilige Männer, welche den[10] Namen Judas getragen. Doch ungeacht dieses seynd die wahnwitzigen Adams-Kinder und eigensinnigen Menschen bereits also beschaffen, daß sie auf keine Weis' den Namen Judas erdulden wollen; aber was können die heiligen Juden dafür, daß Judas Iscarioth ein Schelm worden?

Der h. Apostel Petrus kann es nit entgelten, daß Petrus Brabantinus ein Sch. gewest. Der h. Apostel Paulus kann es nit entgelten, daß Paulus Crau ein Sch. gewest. Der h. Apostel Andreas kann es nit entgelten, daß Andreas Seramita ein Sch. gewest. Der h. Apostel Jacobus kann es nit entgelten, daß Jacobus Grisus ein Sch. gewest. Der h. Apostel Joannes kann es nit entgelten, daß Joannes Faustus ein Sch. gewest. Der h. Apostel Thomas kann es nit entgelten, daß Thomas Münzer ein Sch. gewest. Der h. Apostel Philippus kann es nit entgelten, daß Philippus Melanchton ein Sch. gewest. Der h. Bartholomäus kann es nit entgelten, daß Bartholomäus Patavinus ein Sch. gewest. Der h. Apostel Matthäus kann es nit entgelten, daß Matthäus II. Vice Comes ein Sch. gewest. Der h. Apostel Simon kann es nit entgelten, daß Simon Magus ein Sch. gewest.

Also soll auch und kann auch es nit entgelten des hl. Judas Thaddäus oder Machabäus, daß Judas Iscarioth ein Erz-Schelm gewest. Nichts desto weniger seynd die Menschen also genaturt, daß sie den Namen Judas, ungeacht auch heilige und apostolische Männer solchen getragen, in allweg verwerfen, und ein Grausen und Ekel darob schöpfen, auch bereits die allerschlimmesten[11] Leut mit dem Juden Prädicat als mit einem sondern Schandfleck zu zeichnen pflegen.

Ist demnach dieser Iscariothische Bösewicht nie allein von dem allmächtigen Gott ewig verworfen, sondern das Unglück hat ihn wegen seiner selbst eignen Bosheit also getroffen, daß er auch bei der Welt dergestalten verhaßt, daß solche auch seinen Namen mit Unwillen anhöret, welches aber der lasterhafte Gesell nur gar zu wohl verdient hat, massen sein verrucktes Gemüth mit allem Sündenwust bekothiget. Forderist aber hatte hierin seine falsche Heiligkeit den Vorzug, welches man dazumal leichtlich konnte abnehmen, wie er das Almosen so hoch hat herfür gestrichen, als Maria Magdalena am Palm-Samstag zu Bethania in dem Haus Simonis ein ganzes Pfund der edlesten Salben über das Haupt und Füß Christi ausgossen. Der kostbare Geruch dieser Salben hat das ganze Haus erfüllt; insonderheit aber ist solcher dem saubern Judä dergestalten in die Nase gerochen, daß er hierüber spöttlich gemurrt, auch so gar der freche Lümmel in diese Wort ausgebrochen: ut quid perditio haec? »worzu dienet dieser Verlust?« dann diese Salben hätte man theuer verkaufen und den Armen geben können?

Vermuthlich ist es, daß auch andere Apostel, als dazumal nit gar vollkommene Leut, geschmählt haben, jedoch aber aus guter Meinung; denn sie gar wohl wußten, daß der Herr Jesus dergleichen wohllustbare Ergötzlichkeiten bishero nit geachtet: also hielten sie dieses Weib dermal für eine Verschwenderinn und glaubten, es wäre besser gewest, wann man mit dem Geld,[12] was diese Salben gekost, wäre den Armen beigesprungen. Dießfalls waren die Apostel noch erleidliche Murmulthier; aber der iscariothische Fuchs war eine Bestia, weil er das Almosen gelobt, und dessen so ernstliche Meldung gethan nit aus Lieb gegen die Armen, sondern damit er von demselben Geld, nach alter Diebsart, seinen Particul der Particular-Schelm möchte zwacken. Was aber dieser Galgali Orator aus falschem Herzen hervor gestrichen, dasselbige soll mit redlicher Feder folgsam gepriesen werden, benanntlich das h. Almosen, dari Pauperibus. Matth. 26.

Vor Zeiten seynd viel aus dem weiblichen Geschlecht gefunden worden, welche durch Eingebung eines göttlichen Geistes von künftigen Dingen haben geweissaget, wessenthalben ihnen der Name Sybilla geschöpft worden. Dergleichen war die Sambethe, die Herophylis, die Phemenoe, die Amalthäa, die Marpesia, die Albunäa, die Cassandra, die Xenoclea, die Helissa, die Lampusa, deren Namen sehr unterschiedlich von denen Scribenten werden angezogen. Bei unsern Zeiten gibt es gar wenig dergleichen von Gott er leuchte Matronen, wohl aber seynd einige zu finden, welchen ohne Irrthum folgende Namen können geschöpft werden, nemlich Altophila, Hexasia, Zauberillis, Liegangula, Gablreita etc.; ich will sagen: viel alte Zibethkatzen, abergläuberische Spinnweben, zahnlose Murmulthier, forderist viel zigeunerisch Lumpengesind trifft man aller Orten an, welche mit einem prophetischen[13] Geist wohl aufziehen, und meistens durch Brillen an einer wassersüchtigen Nase die Hand eines und des andern durchsuchen, durchgaffen, durchgrüblen, und folgsam kraft einer verlognen Chiromantie künftige Begebenheiten aussagen. Wann sie in dem Triangel der Hand zwei lange Linien mit etlichen Zwerchstrichlen ersehen, welches fast einer Leiter gleichet, so prophezeien sie, daß dieser Mensch ins künftig werde wegen des Ablativum nach Stricks-Burg reisen, und daselbst mit des Seilers Halstuch beschenkt werden. Wann sie etliche Sternl beobachten in der Fläche der Hand, nächst bei der Linie des Lebens, so sprechen sie mit gähnendem Maul aus: dieser werde bei den Weibern so viel gelten, wie viel ein Speck in einer Juden-Kuchel, und müsse über Willen Korbinian heißen, wann ihn schon die Leut den Veitl nennen. So diese etwann ein oder zwei Kreuz ergaffen unter dem Ohrenfinger in der mittern Linie, alsdann sagen sie ganz beherzt, daß dieser arme Schlucker bald werde auf dem Freithof das Quartier nehmen, und thue ihm der Rippen kramerische Tod schon wirklich das Ladschreiben verfertigen. Wann der Tisch der Hand bezeichnet ist mit vielen durcheinander gekrümmten Linien, welche den hebräischen Buchstaben nicht ungleich sehen, auch beinebens auf dem Berg des kleinen Fingers viel Tüpfel vermerkt werden, solches gibt ihnen Anlaß zu prophezeien, daß dieser im drei und[14] zwanzigsten Jahr werde heirathen, und bis in das drei und fünfzigste Jahr 4 Weiber überleben, worunter ihn eine mit mehr Kindern als Rindern bereichen werde. Wann eine im Mittelfinger zwischen dem andern und dritten Glied eine schwarze und tiefe Linie hat, sey es gewiß, sagen sie, daß solche keine Lucretia werde abgeben, sondern ihr Mann sey im Zeichen des Widders geboren. Wann der Tisch einer Hand (verstehe die Fläche der Hand) gar schön glatt ist, und auf dem Berg des Zeigfingers ein Zeichen wie dieser lateinische Buchstab H erblickt wird, sodann geben sie vor, als werde dieser lang leben und zu großer Würdigkeit und Ehrenstand gelangen.

Ei so lügt, ihr unverschamten Goschen, ihr lugenhafte Zungen, ihr kothige Höllschnäbel, ihr teufelsartige Mäuler, wollt ihr dann dem freyen Willen des Menschen einen Nothzaum anlegen? habt ihr dann das Protokoll der göttlichen Vorsichtigkeit gänzlich durchblättert? was für eine Wildtaube ist euch auf das Ohrwäschl gesessen? wie nennt sich der Geist, welcher euch solche Sybillenstückl eingeben? was ist das für ein Blasbalg, worvon diese eure verfluchte Propheten-Stimm erweckt wird? Für euch gehört ein hölzernes Unterbett, worauf der Vogel Phönix stirbt, ihr schändliche, schädliche, schinderische Satans-Brut![15]

Aber ich will mit festerer Wahrheit, ohne Beleidigung göttlicher oder menschlicher Satzungen zu mehr Seelen-Heil aus den Händen wahrsagen: Wann ich nemlich eine Hand sehe, welche aus mitleidender Bewegung gegen den Armen ausgestreckt ist, und mit heiligen Almosen der Nothdurft beispringt, alsdann aus solcher Hand thue ich unfehlbar prophezeien: dieser Mensch werde Glück haben, lang leben, zu großen Ehren gelangen, ja ewig leben und die Kron der unendlichen Seligkeit erwerben.

Den Spielern sollt man gar nit hold seyn, sondern glauben, daß das Wort liederlich von dem Wort ludere herrühre; gleichwohl muß ich mit euch Spiellumpen, Spieläner, Spielaffen, Spielgel, Spieligel discuriren: Sagt her, ihr sauberen Karten-Brüder, was für eine Karte bringt das mehreste Glück? etwann ein S, vulgo eine Sau? Nein; dann der verlorne Sohn mit den Säuen verspielt. Etwann ein König? Nein; dann Herodias mit ihrem buhlerischen König verloren. Etwann ein Caval? Nein; dann Pharao mit allen seinen Cavalen zu Grund gangen. Etwann ein Bub? Nein; dann jene Eltern haben gar wenig gewonnen, dero unerzogne Buben den Propheten Elisäum haben ausgehöhnt. Etwann ein Do? Das[16] wohl. Wann jemand ein Do wohl anbringt, der zieht ein. Dem Zachäo hat nichts mehr über sich geholfen als ein Do: Domine, do pauperipus; – wie er nemlich das entfremd'te Gut vierfach erstattet, und das Uebrige alles unter die Armen ausgetheilt. Dieses Do hat ihm Glück gebracht; und dieses wird auch dir, lieber Christ, nit allein ein ewiges Glück, sondern auch eine zeitliche Fortun eintragen.

Wann einer heißt Liberalis gegen die Armen, so will ich ihm aus der Hand wahrsagen, er werde Glück haben viel Jahr mit gewünschter Gesundheit im besten Ruhestand herrschen und regieren. Also hat viel Jahr mit Lob und Lieb regiert der König Eduardus in Engelland, und weil er gegen die Armen barmherizig war, und so gar auf eine Zeit, weil er dazumal kein Geld bei sich tragte, einem armen Bettler den guldenen Ring vom Finger gespendirt.

Wann ein Reicher heißt Herr Donatus gegen die Armen, so will ich ihm unfehlbar aus der Hand wahrsagen, daß ihm werde ein großes Glück zustehen, und mit seiner Freigebigkeit gegen die Armen seine zeitliche Habschaft merklich vermehren. Als hat sein Reich und Reichthum vermehrt Kaiser Tiberius, welcher einmal einen unschätzbaren Schatz aus der Erden graben, weilen er so gutherzig gegen die Armen gewest.[17]

Wann ein junger Gesell heißt Benignus gegen die Armen, so will ich ihm gar gewiß aus der Hand wahrsagen, daß ihm eine sondere Fortun werde zu Theil werden, und eine reiche Heirath erwerben. Also hat erworben jener Jüngling zu Constantinopel, welcher eines sehr reichen Herrn einige Tochter derenthalben bekommen, um weil er sein väterliches Erbgut unter die Armen ausgetheilt.

Wann einer heißt Clemens gegen die Armen, dem will ich ganz glaubwürdig aus der Hand wahrsagen, daß er werde glückselig leben, und an seiner ehrlichen Unterhaltung niemals einen Mangel leiden. Das hat erfahren jener, welcher in allem seinem Vermögen nichts mehrers hatte als einen Groschen, jedoch solchen einem Armen mitgetheilt; welches ihm Gott also reichlich erstattet, daß er bald hernach in einem Fisch einen Edelstein gefunden, wormit er sich nachgehends herrlich erhalten.

Aus solchen barmherzigen Händen gegen die Armen, wie unter den Päpsten gehabt hat Gregorius Magnus zu Rom, unter den Kaisern Henricus in Deutschland, unter den Königen Stephanus in Hungarn, unter den Herzogen Amadäus in Savoien, unter den Fürsten Ludovicus in Thüring, unter den Grafen Theophanius zu Centucell, unter den Freiherren Rochus zu Narbona, unter den Edel-Leuten Martinus zu Ambian, unter den Burgern Macharius zu Alexandria, unter den[18] Bauern Isidorus in Spanien rc, aus solchen Handen ist gar leicht wahrsagen, daß sie werden Glück haben.

Ja, wer da will, daß sein gutes Vorhaben soll gerad gehen, der erbarme sich über alle die armen Krummen; wer will, daß er in seiner Wirtschaft nichts übersehe, der erbarme sich über die armen Blinden; wer will, daß sein Geld und Gut solle ganz bleiben, der erbarme sich über die armen Zerrissenen; wer will, daß man gut von ihm rede, der erbarme sich über die armen Stummen; wer will, daß er groß werde, der erbarme sich über die armen, kleinen Waisel; wer will, daß er soll Glück haben, der erbarme sich über die armen Unglückseligen; wer will in zeitlichen Gütern fortkommen, der thue mit zeitlichen Mittlen den Armen forthelfen.

Bandera ein Hund, Hylax ein Hund, Mariolena ein Hund, Barbatilla ein Hund, Bellina ein Hund, Melissus ein Hund, Griffus ein Hund, Loderus ein Hund, Adamantilla ein Hund etc., diese seynd in so großem Werth und Ansehen gewest, daß man sie nach ihrem Tod an ehrliche Ort begraben, und nachmals gar schöne Epitaphia oder Grabschriften aufgericht. Dergleichen Hunds-Narren seyn gewest Naugerius, Auratus, Cotta etc. Bei unsern schwindsüchtigen Zeiten ist auch kein Abgang solcher Hunds-Gemüther, welche mehrmal größere Sorg tragen und Lieb schöpfen gegen die Hunde als Menschen. Man muß bisweilen nit ohne nasse Augen ansehen, daß der Hund einen sammeten Polster für ein Unterbett hat, da unterdessen dem Armen, so nach Gottes Ebenbild erschaffen, nit ein Strohsack vergunnt wird. Nicht selten trifft man an, daß dem[19] Bellerl, Wellerl seine eigene Speis wird zugericht, und entgegen dem armen Bettler die Spülsuppe versagt wird; eigne Kuchl, eigne Küchl, eigne Köchl für dergleichen Schoßaffen und Polsterstänker stehen in Bereitschaft, und wann der Arme um Gottes willen bittet, ist nichts vorhanden. Ei so gehet hin in aller Hunds-Namen zum Teufel! wird es einmal heißen am jüngsten Tag. – Esurivi »ich bin hungerig gewest,« und ihr habt mich nicht gespeist, wohl aber Hund und Hündinn. Daß mir die Hebräer den lasterhaften Barabbam haben vorzogen, ist mir sehr schmerzlich vorkommen; daß aber bei euch die Hund und vernunftloses Vieh mehr gilt als ich, kommt mir noch schwerer vor. So geht dann hin etc.; für euch gehört nicht das venite, sondern vé-ite in ignem aeternum. Ich betheuere es mit meinem Gewissen, daß ich selbst bei einer adelichen Person, so bereits mit dem Tod gerungen, in Beiseyn zweier Priester der Socität Jesu gestanden, und ganz deutlich vernommen, daß diese elende Tröpfinn unter dem kalten Todschweiß die Augen erschrecklich hin und her geworfen, und öfters mit halb gebrochnen Worten und Stimm sich hören lassen: Hund, Hund, Hund, Hund! welches allen Anwesenden nit einen geringen Schrecken eingejagt, forderist, weil fast allen gar zu wohl bekannt war die unordentliche Lieb, welche solche Person zu diesem Vieh getragen.[20]

Allhier will ich nur diejenigen beschuldigen, welche eine gar zu übermessene Lieb gegen die Hunde haben; dann nit ganz und gar zu verwerfen einiger Affect gegen diese Thier, dafern nur solcher die Schranken der Manier nit übersteiget: Der Hund ist dem gerechten Tobiä gar angenehm gewest, welcher seinem Herrn, einen so treuen Geleitsmann hat abgeben. Die Hund so dem armen Lazaro seine offenen Geschwür mit ihren heilsamen Zungen haben abgeleckt, seynd in der Wahrheit gute Hund gewest. Die Hund, welche der vernichten Jezabel die Haut abgezogen und ihre stolzen Beiner abgenagen, seynd gute Hund gewest, als welche den gerechten Willen Gottes vollzogen. Jener Hund zu Ulisipon ist wohl zu lieben gewest, welcher allemal das höchste Gut, da man es zu Kranken getragen, begleitet hat, und nur dieselbigen angebellt und gebissen, welche nit thäten niederknien. Jener Hund war lobenswerth, welcher das Brod von seines Herrn Tafel genommen, und darmit eine geraume Zeit den hl. Rochum in der Wüste gespeist. Derselbige Hund nebst seinem Kammeraden ist wohl zu lieben gewest, welcher bei der maltesichen Festung, St. Peter genannt, stete Schildwache gehalten, und durch seinen Geruch so gar die verkleidten Türken von den Christen zu unterscheiden gewußt; ja, als auf eine Zeit ein Christ wegen ankommender Saracener sich in die Flucht begeben, und in eine tiefe, jedoch ausgedörrte Cistern gesprungen, auch etlich Wochen darin verbleiben mußte, weil er durch eigne Kräfte nit[21] mächtig war heraus zu steigen: also hat gedachter Hund alle Tag seine gewöhnliche Portion Brod dem bedrängten Tropfen dahingebracht, bis endlich solches wegen Abmerglung des Hunds vermerkt worden, und man diese Treu nit genug konnte preisen. Jenes Hündl ist in aller Wahrheit zu lieben gewest, welches Margaritam de Cortona, als einen verbuhlten Schleppsack, bei dem Rock gezogen, und sie durch einen ziemlichen Weg geführt an den Ort, allwo ihr gwester Galan ermord't, und als ein stinkendes, und mit Würmern bereits überhäuftes Aas gelegen, worvon Margarita also bewegt worden, daß sie nachmals wie eine andere Magdalena in strengister Bußfertigkeit gelebt, und nunmehr in die Zahl der Seligen verzeichnet worden. Jener Hund ist zu lieben gewest, welcher, ob schon hungrig, geweigert hat, ein Stuck Fleisch aus den Händen Ottonis von Brandeburg zu nehmen, um weil solcher excomunicirt ward.

Diese und dergleichen Hund seynd lieb und lobenswerth, und so fern die Astrologi oder Sterngucker nit schon hätten einen Hund zwischen den Wassermann und Steinbock im Himmel gestellt, so hätt ich mich unterfangen, diese zu recommendiren.

Ich aber, o eifrige Christen, zeige euch weit bessere Hund, und diese Hund, ich bitte euch, liebet aus ganzem Herzen; diese Hund, ich rathe es euch, speist nach aller Müglichkeit; diese Hund, ich sags euch, verehret ihr wie Gott den Herrn selbsten: es seynd die armen Bettel-Hund! Also pflegt eine übermüthige Welt die mittellosen Leut und nothleidenden Tropfen zu nennen. Mit diesen Hunden könnt ihr mehr jagen,[22] mehr hetzen, mehr fangen, mehr gewinnen, als Nemrod, als Carolus Magnus, als Kaiser Henrich, als Maximilianus, als alle anderen berühmtisten Welt-Männer; mit diesen Hunden könnet ihr auch alles zeitliches Glück, nach welchem der Menschen Zähn meistens wässern, unfehlbar bekommen!

Ich sehe es aber euch lauen Christen an der Stirn an; daß ihr dießfalls einen kleinen Glauben gebet; dann einem Menschen, (was ist dann ein Mensch?) einem Menschen glaubet ihr und vertrauet ihm große Kapitalien, eine namhafte Summa Geld, der euch das jährliche Interesse 4 pro Cento verspricht, und sich etwann mit einem schwachen Papier oder rauschenden Pergament verpfändt, woran ein wächsernes Zeugnuß hangt; einer solchen geschabenen Schafhaut, einem solchen rothen Brocken glaubt ihr; und Gottes Sohn, der ewigen Wahrheit, Jesu Christo, glaubt ihr nit, welcher verspricht nit 5, sondern 100 pro Cento noch auf der Welt zu geben! O Christen, keine Christen, weil ihr Christo nit glaubt! Gott verspricht das allermindeste Almosen hundertfach auf der Welt zu erstatten; er verspricht es, und hat es bishero allezeit gehalten.

Frag derohalben, du kleingläubiger Tropf, frag zu Sarepta in Sidonia. Dort wird dir eine arme, beinebens aber fromme Haut, eine verlassene bedrängte Wittib sagen, daß ihr der Oelkrug, wann sie ihn alle Tag auch hundertmal hätt ausgeleeret, allzeit durch ein Wunderwerk sey wieder angefüllt worden; auch das Mehl, wann sie es stündlich bis auf den letzten Staub hätte verzehret, wieder miraculoser Weis' sey ergänzt worden; in Summa: hat ja niemal nichts gemangelt,[23] um weil sie dem hungerigen Eliä bei der theueren Zeit ein Bißl Brod hat gespendirt. Frag in Hetruria zu Castell Florentin. Allda wird dir eine arme Jungfrau, benanntlich die hl. Verdiana, ein Dienstmensch bei einem Kaufmann, sagen, daß sie eine halbe Truhe voll Arbes unter die Armen ausgetheilt, den andern Tag aber die Truhe ganz voll gefunden habe. Frag in dem Kloster Nazvol. Alldort wird dir der heil. Joan. Gualbertus sagen, daß er einmahl 6 Kühe von der Herd' getrieben, dero Fleisch unter die Armen ausgespendirt, gleichwohl sey die Zahl der ganzen Kühe-Herd nit allein nicht gemindert, sondern alle Kühe und Rindvieh merklich feister worden. Frag zu Renns den seligen Cozvinum. Dieser wird dir andeuten, daß er einen einzigen Kreuzer im Beutel gehabt, denselbigen aber mildherzig den Armen dargestreckt, welches Gott dem Herrn also gefallen, daß nachmals derselbe Beutel nie ohne Geld gewest, auch auf keine Weis' denselben konnte ganz ausleeren. Frag zu Prag. Daselbst wird dir der heiligmäßige Joannes Lohelius bekennen, daß er manchesmal, ja gar oft, einen ganzen Sack voll Reichsthaler in dem versperrten Kasten gefunden, welche Gott durch die Händ, der lieben Engel dahin gelegt, weil gedachter Lohelius so gern Almosen geben hat. Frag bei den P.P. Capucinern; so werden sie dir nach der Länge und Breite erzählen von ihrem Matthäo a Bascio, von ihrem Josepho a Colle, von ihrem Bainerio a Burgo rc, und vieler anderen mehrern, daß sie manchesmal ein halbes Stückel Leinwath von frommen Weibern ausgebettlet, und doch das ganze[24] Stückel nit um ein Viertel kürzer worden, ja manchesmal dieselbe Leinwath viel länger gewährt als andere. Frage zu Vissenach in Niederland. Alldort wird dir eine fromme Köchinn eines Pfarrherrn sagen, daß sie einmal einen Trunk Wasser vom nächsten Brunn gehohlt, unterwegs aber einem armen durstigen Fremdling darvon zu trinken geben, worvon geschehen, daß das überige Wasser in den auserlesensten Wein ist verkehrt worden. – Die hl. Brigitta von Kildarien, die hl. Jungfrau Lidwina, der hl. Nicolaus Finus aus unserm Orden, der hl. Franciscus de Paula, der hl. Abt Alferus, die hl. Ida, der hl. Abt Robertus, der hl. Odilo, der hl. Bischof Maurilius, der hl. Theodosius Cänobiarcha haben nit nur einmal, sondern allemal erfahren, je mehr sie Almosen geben, je reicher seynd sie worden.

Glaubst du es noch nicht, so stell' ich dir denselbigen Abt Henrich, Prämonstratenser-Ordens, welcher jederzeit handgreiflich vermerkt, daß sein Treidboden reicher worden, so oft er etwas darvon den Armen geschenkt: ja, das Treid hat ihm Gott etlich Wochen vor der Zeit lassen zeitigen auf dem Feld, damit er nur den Armen konnte beispringen.

Glaubst du es noch nit, so führe ich dir vor eine fromme Wittib zu Leiden, dazumal bei der Fischbrucken wohnhaft, welche sehr mitleidend gegen die Armen war, auch viel Treid den armen Leuten mitgetheilt. Indem solche auf eine Zeit bei der Tafel gesessen, und ein armes Bettelweib samt zweien Kindern sehr elend und ausgehungert bei der Hausthür angeklopft, befiehlt sie alsobald, daß man die arme Haut samt den zweien Kleinen soll zu Tisch führen[25] und selbige nach Möglichkeit speisen. Nach vollendtem Mittagmahl schafft sie noch der Dienstmagd, sie soll schleunig von der Treidkammer ein Säckl Korn vor diese arme Tröpfinn herab bringen. Das Mensch sagt, klagt, schwört und betheuert hoch, daß nicht mehr ein Körnl vorhanden, auch sey deßhalben kein Wunder, weil ihre Frau so verschwenderisch. Die gute Wittib legt dieser bereits gronenden, greinenden, grimmenden Ursel mehrmal auf, sie sollt mit dem Bartwisch Alles fleißig zusammen kehren, und das wenige Uebrige dem armen Weib bringen. Diese voller Ungeduld lauft hinauf, und siehe Wunder! die Treidkammer war dergestalt gestrotzt und angefüllt, daß sie die Thür nit konnte aufmachen, sondern das Treid ist ganz häufig gegen ihr heraus geschossen; worüber sie ein unerhörtes Geschrei erhoben, welches in dem ganzen Ort dergestalten kundbar worden, daß jedermann unläugbar bekennen muß, daß man durch das Almosen geben nit ärmer, sondern reicher werde.

Das ist auch geschehen mit dem h. Eutychio, Patriarchen zu Constantinopel, auch mit dem h. Juliano, auch mit dem h. Thoma de Villanova, auch mit dem h. Beichtiger Gerardo, auch mit dem h. Grafen Elzeario, auch mit dem h. Abt Cunano, auch mit dem h. Wonedulpho; das ist geschehen und geschieht noch auf heutigen Tag, Stund und Augenblick mit unzahlbaren Vielen, welche durch das Ausgeben mehr eingenommen, und durch die Armen seynd reicher worden.[26]

Anno 1197 hat der h. Abt Gevardus bei großer Hungersnoth große Sorg getragen über die Armen, und weil er in Forcht gestanden, es möcht mit der Zeit das Mehl nicht mehr klecken, den armen Leuten Brod zu schaffen, also hat er dem Pfistrer anbefohlen, er sollt die Laibl forthin kliener machen. Ja, sagt der Bäck, das hab ich schon lang gethan, und mach sie täglich kliener, allein das Brod wächst augenscheinlich im Ofen, und wann ich zwei Unzen einschieb, so nehm ich vier heraus. Gott läßt demnach sich nit überwinden in der Cortesi: je mehr man ihm gibt, je häufiger erstatt' er es wiederum. Die lieben Jünger setzen ihm ein Stückl Bratfisch vor, »obtulerunt ei partem piscis:« solches hat der liebste Jesus ganz reichlich vergolten, indem er denselben einen so großen Fischfang geschickt, daß so gar das Netz vor Menge der Fisch zerrissen. Je mehr du dann aus dem Kasten nimmst, je völler wird derselbe, je öfter du den Beutel ziehest, je gefüllter wird derselbe, je gütiger du gegen den Armen bist, je begüter wirst du. Deine Habschaft, deine Wirthschaft, deine Baarschaft, deine Herrschaft, deine Handelschaft, deine Kundschaft, deine Gewerbschaft, deine Bürgschaft, deine Gerhabschaft, deine Freundschaft, deine Nachbarschaft, deine Wissenschaft, deine Bekanntschaft ist alles zum besten geschafft, wann du den armen Hungerigen Brod schaffest, den Nackenden[27] Kleider schaffest, den Fremden Herberg schaffest, und den Nothleidenden Hülfe schaffest.

Zu Cana in Galliläa ist das Wasser zu Wein worden; zu Poliaster ist das Brod des hl. Thomä Aquinatis zu Rosen worden; in Hebernia ist ein Sauschunk durch den hl. Bischof Silai zu einem Fisch worden; bei dem Abt Fechino ist, salvà venià ein Butzen aus der Nasen eines Aussätzigen zu Gold worden; zu Alenques seynd die Rosen der h. arangonischen Elisabeth zu Geld worden; bei dem h. Atilano ist sein alter zerlumpter Rock zu einem kostbaren Meßgewandt worden. Diese gedunken dir freilich große Wunder zu seyn; aber gib Almosen, gib, gib, alsdann wirst du Wunder über Wunder sehen! Du wirst sehen, daß dir dein Kreuzer zu einem Thaler wird; du wirst sehen, daß dir dein Korn zu einem Weizen wird; du wirst sehen, daß dir dein Zwilch zu Sammet wird; du wirst sehen, sehen und greifen, greifen und hören, hören und empfinden, daß all dein Auskommen, Einkommen, Zukommen, Fortkommen vermehrt wird durch das Wegkommen: wann nemlich ein Almosen von dir kommt in die Schoß der Armen.

Der künstliche und köstliche, der schöne und scheinende Sitz des Königs Salomon ist gewest von dem edelsten Helfenbein. Willst du gut sitzen, mein frommer Mensch, willst du ruhig sitzen, willst du in großem Reichthum sitzen, so gib Acht, daß dein Sitz auch sey von Helfenbein; thue helfen den armen Bettlern; thue helfen der armen Katterl, die wird dir[28] Glückrad anheften; thue helfen der armen, wassersüchtigen Aperl, die wird machen, daß du und deine Erben allzeit werden genug haben zu nagen und beißen; thue helfen dem armen, krummen Peter, der wird dir die Schlüssel zum Reichthum einhändigen: thue helfen der armen, blinden Martl, die wird dir deine Kuchl spicken; thue helfen dem armen, thörischen Stephel, der wird dich steinreich machen; thue helfen dem alten, armen Jörgen, der wird dir vom Esel aufs Pferd helfen!

Diesen Rath hat geben der fromme und gottselige Capuciner Aegidius Turrianus, welcher mehrmal gar freundlich mit einem armen Weber pflegte zu reden und ihn bester Massen in seiner Armuth trösten. Unter andern gab er diesem bedrängten Tropfen folgenden Rath: wann er wolle seiner großen und harten Armuth entgehen, soll er sich keines andern Vortheil gebrauchen, als des Almosen geben. Solchem guten Rath ist dieser ohnedas gar tugendsame Weber gar emsig nachkommen, und alle Tag einen Pfenning Almosen geben (ein schönes Kapital). Nichts desto weniger tragte ihm diese winzige Summa ein stattliches Interesse; dann, nachdem er im benannten Almosengeben eine kleine Zeit verharret, hat er alsobald handgreiflich wahrgenommen, daß sein Wirthschäftl in einem merklichen Aufnehmen sey, welches ihn dann veranlasset, daß er nachgehends zwei Pfenning täglich unter die Armen ausgetheilt, worvon er dergestalten bereicht worden, daß er ein sehr reicher und vornehmer Handelsmann worden. Dazumalen war in der ganzen perusinischen Gegend und Landschaft eine sehr große[29] Hungersnoth, wessenthalben eine überaus häufige Anzahl der armen Leute bei seinem Haus täglich sich eingefunden, welchen er ohne Unterschied Brod und nöthige Lebensmittel ganz mildherzig dargereicht. Dem Teufel war solche Wohlgewogenheit und Lieb gegen die Armen sehr mißfällig; suchte demnach diese alte Schlange durch das Weib den Mann zu hintertreiben, wie dann solche bereits dem Mann stark zugeredt, er soll und woll nicht gleich obenhin das Seinige verschwenden, sondern mit mehrerm Bedacht das Almosen austheilen, und fein den Armen von den Armen unterscheiden. Der gute Handelsmann vermerkte bald, daß diese Rathschläg in des Teufels Kanzlei concipirt, dahero schafft er ihr, sprechend: mein Weib, nimm du einen Sack voll Brod, und nach deinem so reifen Verstand und stattlicher Bedachtsamkeit theile solchen unter diejenigen Armen aus, welche nach deiner Meinung die bedürftigisten seynd; ich entgegen will dergleichen Säck voll Brod aufnehmen, aber einem jeden anlangenden Bettler ohne fernere Nachforsch mittheilen; laß sehen, mein Weib, welcher Sack ehender leer wird. Der Ausgang hat es zeigt: das Weib aus angeborner Kargheit hat gar wenig Brod ausgetheilt, der Mann aber in der Menge; gleichwohl ist der Frauen Brodsack bald ausgeleert worden, des Herrn Sack aber eine lange Zeit ganz, unangesehen so viel daraus genommen worden, voll mit Brod, auch ohne Abgang eines einigen Laibs,[30] gefunden worden. O Wunder! schrie auf das karge Weib; ich aber schrei: nit Wunder ein bös Weib!

Die mehresten kargen Christen wenden vor einige Entschuldigung, und erscheinen mit diesem Einwurf: wie daß sie derenthalben nicht können Almosen geben, weil sie selbst bei kleinen Mittlen seyn, auch bei solchen Zeiten hart sey zu leben; zu dem so seyn ihre Kinder vermehrt, wie die Kinder Israel, und klagt sich niemand wegen des Zahnwehe, als eben der Laib Brod; man höret die ganze Zeit im Haus immerzu gut papstisch reden, indem eins um das ander Päpn, Päpn, Päpn schreit; über das muß gleichwohl noch etwas im Vorbehalt restiren und in die Sparbüchs gelegt werden für einen Noth-Pfenning; dann die Zeiten seynd nit mehr, bei welchen das Manna von Himmel falle, Elias von Raben gespeist, und Daniel vom Habakuk tractirt werde, oder den Israeliten die Vögel ins Maul fliegen; das »Nolite esse soliciti in crastinum« habe bereits eine andere Auslegung: laß reiche Leut Almosen geben, welche den Ueberfluß an Geld und Gut haben!

O ihr laue Christen! ich sehe wohl, ihr seyd weit eifriger im Klauben als im Glauben! eben derenthalben, merkts euch wohl, derenthalben sollt ihr Almosen geben, weil ihr bei kleinen Mitteln seyd; dann durch das Almosen wachsen die Mittel! Dives kommt her von dividendo: Mittel rühren her von Mitleiden; die Güter vermehren sich durch die[31] Gutherzigkeit; die Reichthumen nehmen zu vom Darreichen; das Geld wachset vom Vergelts Gott der Armen! Nit allein, o bethörte Adams-Kinder, gibt Gott um das Almosen den Himmel, und im Himmel die Kron, und in der Kron die Seligkeit, nit allein dieß – es wäre zwar dieß überschwenglich genug bezahlt – sondern noch darüber verspricht er, verlobt er, verheißt er, daß er es auch auf der Welt wolle hundertfach bezahlen. Cui Judaeo negares, o homo, qui in vanum accepisti Nomen Domini nostri Jesu Christi? »Wann dir ein Jud zu Prag, wann dir ein Rabbiner zu Dresden, wann dir ein Talmudist zu Nickelsburg, wann dir ein Lappadiner zu Frankfurt, wann dir ein Hebräer zu Leipzig, wann dir ein Präputiant aus Polen verspricht, das ihm geliehene Geld zehenfach zu bezahlen, dem gibst du es mit gierigem Herzen, mit lachendem Mund, mit festem Vertrauen, – und deinem Jesu willst du es nit anvertrauen, welcher es hundertfach verspricht zu erstatten?«

Was trägst du Margaritta von Mutina? fragt ihr geiziger Bruder, als sie etliche eingewicklete Stückl Brod zu den Armen getragen. Margaritta antwortet: Rosen, und siehe Wunder! die Scherzel Brod seynd wirklich in schöne Rosen verändert worden. – Was trägst du, Thomas von Aquin? fragt sein Herr Vater, als er mit etlichen verborgenen Scherzlen Semmeln zu den Armen geeilt. Thomas antwortet vor Schrecken: er trage Rosen, und siehe, die Semmeln seynd in die schönsten Rosen verwandlet worden! – Was trägst du, Petre [32] Regalate? fragen seine vorwitzigen Mitgespän, als er etliche Tag nacheinander das übergelassene Brod einer armen Wittib mit dreien Kindern zubracht. Petrus antwortet: er trage Rosen, und wahrhaftig, alle diese geübrigten Scherzl Brod seynd in die wohlriechenden Rosen verkehrt worden! – Mas tragst du, Nicolä de Tolentino? fragt sein gronender Prior, als er etliche Stückl Brod im Mantel zu der Porte für die armen Leut getragen. Nicolaus antwortet: Rosen, und siehe, die seynd in purpurfarbe Rosen verändert worden!

Diesen und vielen andern ist das Almosen durch ein Wunderwerk in Rosen verkehrt worden. Aber glaub du mir auch, o barmherziger Christ, glaub du fest, daß dein Almosen, welches du den Armen darreichest, gleichmäßig zu Rosen werde: es wird dir gewiß Rosen tragen in deiner Wirthschaft!

Dem Job hat es Rosen tragen; dann weil er ließ Woll' spinnen und daraus Kleider machen für die Armen, also hat ihm Gott geschenkt eine große und häufige Herd' Schaf. Dem lieben Mann hat das Almosen Rosen getragen, welcher den hl. Dominicum in die Herberg hat aufgenommen und ihn nach Möglichkeit tractirt; dann dazumal ein geh entstandenes Wetter mit hartem Schauer und schädlichen Rieselsteinern alle Weingebirg in selber Gegend gänzlich zu Grund gericht, der Weingarten aber des gedachten gutherzigen Manns ist nit ein Haar groß verletzt worden. Childeberto, Roberto und Ludovico, Königen in Frankreich, hat das Almosen Rosen getragen, indem sie kraft dessen ihre meisten Feind überwunden und allemal[33] siegreiche Waffen nach Haus gebracht. Rambaldo, einem Cavalier in Hibernia, hat das Almosen Rosen getragen, daß, als einst durch des bösen Feinds Anstiftung sein Pallast mit Feuer angesteckt worden, hat solches auf keine Weis' mögen gelöscht werden, bis die armen Bettler beigeloffen und das kurz zuvor von diesem Herrn gespendirte Geld und Brod in die Flammen geworfen, worvon augenblicklich alles erloschen. Dem Sem, nachmals Melchisedech genannt, hat das Almosen Rosen getragen; dann er etlich hundert Jahr alt worden, im besten Ruhestand und Wohlstand sein Leben zugebracht, keinem Unheil, keinem Unglück, keinem Unstern unterworfen, und als die Ursach dessen der große Patriarch Abraham gefragt, gab er die Antwort, wie daß er in der Arche Noe einen allgemeinen Futtermeister abgeben und alle Thier darinn gespeist, damit sie nit vor Hunger gestorben. Derenthalben habe ihn der allmächtige Gott auch auf der Welt also beglückt, Si Deus adeo beneficus est in eos, qui cum brutis animantibus misericordiam faciunt, quanto magis remunerabit eos, qui in homines sunt liberales! »Thut es der Allmächtige also reichlich vergelten auf der Welt, so man nur den wilden und unvernünftigen Thieren etwas Gutes erweiset, wie wird er erst belohnen dieselbigen, welche sich freigebig gegen den nach dem Ebenbild Gottes erschaffenen Menschen erzeigen!« Folge nach, o frommer Christ! es wird dir gewiß auch Rosen tragen, folge nach diesem Melchisedech, und speise gleichfalls die Thier wie dieser, so wirst du ebenfalls wie er auf dieser Welt glücklich leben! Aldort vor der Kirchen-Thür sitzt ein armer Blinder, der heißt Philipp Haß;[34] dort am Eck der Herrngasse leinet ein krummer Bettler, der heißt Rupert Hirsch; dort auf der Brücken hockt ein alter Bettler, der heißt Christoph Ainkhirn; dort beim Wasser-Thor liegt ein armer Wassersüchtiger, der heißt Stephan Lämpel; dort unfern dem Burger-Spital sitzt ein altes Mütterl, die heißt Anna Cammelin; hie geht ein armer Pilgram, der heißt Christian Adler; da singt vor der Thür ein bene pallidus und male palliatus Studiosus, der heißt Ferdinand Fink; da zieht dich bei dem Mantel ein armes Büberl, das heißt Benedict Zeisl etc., – diese und dergleichen Thier, mein lieber Christ, thue speisen; alsdann wird dich Gott wieder speisen, ja du und die Deinigen, du und das Deinige wird niemalen abnehmen, so lang die Armen von dir das Almosen einnehmen.

Thue dich um Gottes Willen nit entschuldigen: wann du möchtest Almosen geben, so blieb mit der Zeit der Bettel-Sack dir selbst nit aus, Hola parola, die nichts als lugenhaft. 25 Buchstaben überweisen dich, daß diese Wort mehr als 5tausendmal nit wahr seyn; 25 Buchstaben setzt der h. Geist in 5 Wort; diese 5 Wort stehen in göttlicher h. Schrift; nach diesen 5 Worten sollst du alle 5 Finger schlecken; an diesen 5 Worten sollen alle deine 5 Sinn sich begnügen lassen, benanntlich: Qui dat Pauperi non indigebit, »wer den Armen gibt, wird nie Mangel leiden.« Diese Wort seynd so wahr, als Gott nit kann die Unwahrheit reden.[35]

Ein Reicher kann wohl verderben, wie der Feigenbaum am Weg, ein Reicher kann wohl abnehmen, wie der Wein zu Cana in Galliläa, ein Reicher kann wohl um das Seinige kommen, wie der Reisende von Jerusalem nach Jericho; aber der sich der Bettler annimmt, kann nimmermehr zu einem Bettler werden: qui dat Pauperi non indigebit.

Kaiser Andronicus ist so arm worden, daß er bei kalter Winters-Zeit hat müssen neun Gulden zu leihen nehmen, wormit er einen alten Fuchs-Pelz hat kaufen können. Das kann einem Almosengeber nit begegnen: non indigebit.

Zu Anneberg wird man von einem erzählen, welcher daselbst also reich war, daß er sich mehrmal in lauter Malvasier gebadet, und so er ausgeritten, mußten seine Diener ihm allemal auf dem Weg mit Gold sehr reich gestickte Teppich aufbreiten, worüber er ganz herrlich passirt; endlich aber ist er so arm worden, daß er das Brod von Haus zu Haus mußte sammlen. Das kann einem Barmherzigen gegen die Armen nit begegnen: non indigebit.

Zu Schemnitz in Ober-Ungarn zeigt man noch eine Saul, dermal aber fast einem alten Steinbruch gleich, worinnen die Frau gewohnt, dermassen so reich an Silber und Gold, daß solches Schinnenweis bei ihr wie die Scheiter gelegen. Solche ist aber mit[36] der Zeit also erarmet, daß sie allda in dem Spital wie eine Bettlerin gestorben. Das kann einem Mitleidenden gegen die Armen nit widerfahren: non indigebit

Belisarius war ein solcher reicher und mächtiger Herr, daß man seine Bildnuß gar auf die öffentliche Münzen geprägt, und also auf einer Seite Kaiser Justinianus, auf der andern Belisarus zu sehen gewest. Er ist aber endlich so arm worden, daß er mit einem hölzernen Schüsserl auf dem Weg gesessen und bettlen müssen: date obulum Belisario.


Hie sitzt der arme Belisari,

Bitt um ein Bissel Brod;

Sein Glück ist worden Lari fari

Und steckt in größter Noth.


Dieß hat ein Freigebiger gegen die Armen nit zu förchten: non indigebit.Der sich der Armen annimmt, kann niemal erarmen. Wo seyd ihr, ihr gewinnsüchtigen Menschen, ihr geldgierigen Adams-Kinder, ihr wucherischen Weltaffen? wann ihr doch nach dem Gewinn schlecket, wie der Saul nach dem Honig, wann euch doch die Zähn wässern nach dem Interesse, wie den Israeliten nach den ägyptischen Zwiefeln, wann bei euch Knöpf doch die Goldblumen den Vorzug haben, wann ihr Büffel doch das guldene[37] Kalb mit des Aarons Pfarrkindern anbetet, wann bei euch doch das beste Recept ist das Cupio capio mit Aesculapio; so kommt her, treibt solchen Wucher, welcher euch nit allein an dem Ewigen nit schädlich, sondern noch hundertfach das Zeitliche vermehrt: nemlich durch das Almosengeben wird das Zeitliche nit verloren, sondern auserkoren, durch das Almosengeben wird das Geld nit geleert, sondern vermehrt, durch das Almosengeben wird die Wirthschaft nit geschwächt, sondern erhöcht, mit einem Wort: wer reich will werden, der nehm sich der Armen an.

Wie der gebenedeite Jesus von Nazareth zwölf Jahr alt war, hat er sich auch wegen der gewöhnlichen Solennität nach Jerusalem begeben, woselbst er von Maria und Joseph nit ohne sondere Herzes-Wehemuth verloren, nicht weniger erst am dritten Tag, nach allem möglichist angewend'ten Fleiß und emsigister Nachforsch im Tempel zu Jerusalem gefunden worden, allwo er in Mitte der hochwürdigen und hochgelehrten Herren Doctorn wurde angetroffen, als der ihnen dazumalen die tiefsinnigisten Fragstuck vorgetragen, über welches sich die hebräischen Spitzköpf und Witzköpf nit wenig verwunderten! Es haben die bedrängten Eltern ihren allerliebsten Sohn Anfangs gesucht bei den Befreund'ten und Anverwandten, der gänzlichen Meinung, als habe etwann der Herr Vetter Samuel oder die Frau Maim Rebecca den zwölfjährigen Knaben nach[38] Haus geführt, und ihm daselbst eine Ehr angethan. Es war aber dem nit also, wie man es leider noch erfahret, daß einem von landfremden Menschen mehr Guts erwiesen wird, als von eignen Freunden und Bluts-Verwandten. Als nun die sorgfältigste Mutter Maria an allen Orten und Porten nachgefragt, ob sie nicht einen fremden Knaben, der eines holdseligisten Angesichts und mehr als englischer Gestalt, hätten gesehen; da hat sie endlich so viel erforscht, daß eine sich verlauten lassen: ja es habe vorgestern ein Knab, ihres Gedunken nach mit 12 Jahr, bei ihrer Hausthür angeklopft, und um eine Nachtherberg gebeten, dem sie es wegen einer so lieben Gestalt und angenehmsten Gebehrden nicht hab können versagen; auch habe solcher ihr das Herz dergestalten eingenommen, daß sie Zeit ihres Lebens keines so fröhlichen Gemüths sey gewest, als bei diesem Gast. Da, Frau, sagt sie, hab ich ihm mit eignen Händen ein Bettl zugericht, und mit lindem Feder-Polster wohl versehen. So hat aber der guldene Knab solches auf alle Weis' geweigert, sondern er hat auf der harten Erd mit einem steinernen Hauptkiß' Vorlieb genommen. Zu Morgens bei anbrechender Morgenröth hat er sich höflichist beurlaubt, und allem Vermuthen nach in den Tempel gangen. So viel kann ich euch, meine liebe Frau, Nachricht geben. – Eine andere sagt: meine Frau, erst gestern bin ich eines solchen Knabens ansichtig worden. Da ich auf den Platz gangen, sah ich ihn bei des Burgers Zachariä Hausthür um Mittags-Zeit ein Stückl Brod bettlen; muß bekennen, so er wäre in meine Armuthei kommen, hätt ich ihm[39] nach meinem Vermögen ein Mittagsmahl zugericht, dann er ja gar ein holdseliger Knab. So viel ich von Andern vernommen, sey er heut Nacht im Spital, nit weit vom Eisenthor, geblieben, in der Frühe aber der allererst im Tempel gewesen; allwo ihn nachmalen mit unbeschreiblichem Herzens-Trost Joseph und Maria angetroffen. Also hat derjenige, so Himmel und Erden erschaffen, so alles was lebt und schwebt, ernähret, einen armen Bettler abgeben, und die drei Täg hindurch das Almosen gesucht.

Hättest du auch, lieber Christ, hättest du auch diesem bei der Thür ein Stückl Brod vergonnt, forderist, wann dich jemand hätte vergwißt, daß dieser Gottes Sohn sey? Ja, ja, tausendmal ja, unendlichmal ja, sonst ein jeder Alles und Alles hätt ihm gutwilligist, treuherzigist gespendirt. O hätte ich einmal die Gnad vom Himmel, daß Gott zu meiner Thür komme, ich wüßt nit, gar nit, was Guts ich ihm erweisen sollte; ich wollt, so es ihm beliebig wäre, mit dem Messer mir die Brust eröffnen, urbietigist das Herz heraus heben und ihm darreichen, mehr hätt ich nicht!

Mein eifriger Christ, solche erst erwünschte Gnad hast du alle Tag; dann so oft ein armer und bedrängter Tropf dich um ein Almosen ersucht, so glaube vor gewiß, daß Gottes Sohn in eigner Person dich anrede und bitte, und was du den Armen gibst, das hast du Gott selbsten geben! Dieses ist so wahr, als wahr ist, daß dich Gott erschaffen und erlöst. Ja, Gott schwört hierauf, damit du Ihm sollest glauben: Amen, amen dico vobis, quod uni ex minimis[40] meis fecistis, mihi fecistis. Glaub du sicher, daß oft dein Heiland Jesus in Gestalt eines krummen oder lahmen oder blinden oder sonst elenden Bettlers dich anspreche um ein Almosen, glaub es unfehlbar!

Der h. Ethbinus ging einst mit seinem frommen und h. Vater Uvinvaloro ins Feld spazieren, zu beederseits Trost einen geistlichen Discurs zu führen. Da sahen sie ungefähr einen armen, todtblichenen, aussätzigen Bettler, welcher voller Geschwür am ganzen Leib fast einem Job auf seinem Mistbett'l gleichte. Diese zwei gottseligen Männer umarmten alsobald den armen Tropfen, trösteten ihn nach aller Möglichkeit, und nachdem sie ihm seine rinnenden Geschwür gewaschen und gesäubert, hat sich Ethbinus also verliebt in diesen elenden Bettler, daß er so gar wollte das Eiter aus dem Geschwür und zeitigen Aisen heraus saugen, und siehe Wunder! als Ethbinus vermeinte, diesen rinnenden Wust und faule Materi schon im Maul zu haben, so fand er anstatt desselben ein kostbares Edelgestein auf seiner Zunge, erblicket beinebens ein glänzendes Kreuz auf der Stirn dieses Bettlers, und nehmen alle beede wahr, daß dieser der gebenedeite Jesus selbst gewesen, welcher in Begleitung unzählbarer englischer Geister vor ihren Augen in Himmel gefahren.

Der h. Papst Gregorius Magnus, der h. Papst Leo, der h. Joannes Columbinus, der h. Abt[41] Robertus, der h. Bischof Martinus, der h. Bischof Julianus, die h. Catharina Senensis, der selige Andreas de Galleranis, der h. Franciscus von Asis, der h. Ivo, der selige Joannes Dei etc. und viel unzählbare mehr haben Jesum Christum in Gestalt eines Bettlers gespeist, bekleid't, beherbergt und beschenkt.

Der gebenedeite Heiland saß auf eine Zeit bei einem Brunn allermüd und matt wegen der Reis' und großen Sonnenhitz. Da kommt ein samaritanisch Weib, Wasser zu schöpfen, welche der demüthigste Herr ganz freundlich bewillkommet, von ihr aber nichts anderst, als ein saures Gesicht und unhöfliches Anschnarchen erhalten; auch da er von ihr einen frischen Trunk Wasser billig verlangte, warf sie ihm noch schimpflich vor, wie daß er ein Jud sey, die Sprach samt dem Aufzug verrathe ihn, die Juden aber pflegten den Samaritanern nit viel bona dies zu geben, viel weniger, daß sie aus dero Geschirren möchten essen oder trinken. Worauf der sanftmüthigste Heiland mit diesen Worten zu ihr gesprochen: Si scires, quis est, qui dicit tibi, da mihi, forsitan dedisses: »Wann du wüßtest, wer der ist, welcher zu dir sagt, gib mir, vielleicht hättest du ihm geben.«

Du, mein lieber Herr Gebhart, es bittet dich ein armer alter Tättl so schön, daß es scheint, als trage er den Ciceronem auf der Zung und nit im Sack; er bittet dich um Gottes willen um ein[42] Almosen; du schnarchest ihn aber an, warum er in seiner Jugend nichts habe erspart, es sey ein Zeichen, daß er das Seinige durch die Gurgel gejagt, und beim blauen Hechten, allwo er immer gesoffen, hab seine Wirthschaft den Krebsgang, genommen.

Du mein lieber Meister Zacharias, vor deiner steht ein elender Tropf, welcher darum arm, weil er nur einen Arm hat, den er durch einen Schuß vor Ofen verloren, dazumalen, wie es bei Ofen kühl ist hergangen; dieser arme Gesell bedauret sehr stark, daß er nit zwei Händ hat, damit er beide könnt aufheben, dich zu bitten; du aber machest ein ursicinisch Gesicht gegen ihn, mit dem schmählichen Vorwurf: wann er etwas Guts wäre gewest, so wäre er wohl kein Soldat worden; er hätte bevor wissen sollen, daß es nirgends mehr Scherben gibt, als bei Kriegen, auch sey Fechten und Bettlen fast eines Innhalts.

Du, mein lieber und gestrenger Herr Secretari Servati, siehe doch, wie dieser krumme Tropf mit seinem hölzernen Hand-Pferd dir so müheselig nachgallopirt; du kannst dir gar wohl einbilden, daß ihn auch am hölzernen Fuß der Schuh drucke, und weil der untere Stock so schlecht ist, ist gar wohl zu vermuthen,[43] der obere Stock sey mit Trübsal ausspalirt. Du aber erbarmest dich seiner nit, sondern zählest ihn noch unter die liederlichsten Zigeuner-Bursch, als sey er ein Ordinari-Landbettler und wisse gar stattlich die Leut auf der Straße, wann sie allein gehen, zu schröpfen.

Du, mein ehrenfester und wohlvornehmer Herr Hartmann, schau mir diesen elenden Menschen an, welcher vor deiner die Händ aufhebet; Kleider halber soll er ja Ihr Durchleucht genennt werden; es scheint, als sey er dem Papiermacher über seine Garderobe kommen; er geht daher, als wie sonst die Frau Wahrheit soll ausziehen, das ist nackend und bloß. Dieser bittet dich in Frost und Kälte ganz inbrünstig um Hülf; du aber stellst dich, als wann du ihn nit sähest, und fällt dir nit ein, daß aus diesen Hadern und Lumpen ein Papier gemacht wird, worauf Gottes ernstliche Wort können geschrieben werden: Nudus eram, et non cooperuistis me, »ich war nackend und bloß, und ihr habt mich nit bekleidet!«

Si scires, quis est, qui dicit tibi, da mihi; o Hartmann, wann du wüßtest, wer der ist, welcher zu dir sagt, gib mir, wie gern und urbietig würdest du ihm deine mildreiche Hand darreichen; und mußt wissen und sollst wissen, daß gar oft der Welt Heiland selbst, dein Erschöpfer, dein Erlöser, dein Richter, dein Gott, die elende Gestalt eines Bettlers an sich nehme, mit Lumpen und Hadern sich bekleide, bei der Thür anklopfe, und von dir ein Almosen begehre: si scires, forsitan dedisses.[44]

Einem Fischer in Indien begegnete gar oft das Glück, daß er unverhofft anstatt des Fisches die kostbaren Edelgestein aus dem Meer ziehet. Er wurf das Netz in die nasse Herrschaft Neptuni ganz keck hin ein, der größten Zuversicht, das Meer wird ihm mehr günstig seyn, als dem Petro die ganze Nacht, da der Fisch Nihil ins Netz gangen. Nachdem er endlich das Netz aus der Tiefe ziehet, und spannet mit gierigen Augen, ob nit einiger Fischfang seine Mühe bezahle, da merkt er bald, daß er weder bei Neptuno, noch Fortuna den Kürzeren gezogen, indem er wahrnimmt, daß er anstatt der Fisch die hoch-schätzbarsten Edelgestein, anstatt eines Punin einen Rubin, anstatt der Aalen die schönsten Corallen, anstatt der Stirl die theuresten Saphirl heraushebet.

Deßgleichen widerfahrt auch viel mildherzigen Almosengebern, welche oft und mehrestentheil vermeinen, daß sie arme und nothleidende Bettler in ihre Behausung einführen, auch kräftig glauben, daß sie bedrängte und presthafte Menschen mit Speis' und Trank versehen, auch sich selbst nichts anderst einbilden, als daß sie elenden Tropfen und nothleidenden Adamskindern einen Kreuzer schenken, unterdessen aber ist geschehen und geschieht noch, daß sie anstatt der Fisch die schönsten Edelgesteiner gefangen, will sagen, anstatt eines Bettlers den Heiland Jesum selbst beherbergt, anstatt eines Menschen dem wahren Gott und Menschen diese Gutthat selbst erwiesen.

[45] Abraham hat glaubt, er tractire 3 fremde Männer, und waren unterdessen 3 hl. Engel in der Figur der allerheiligsten Dreifaltigkeit, tres vidis, et unum adoravit. Martinus hat glaubt, er gebe das Trumm von seinem Mantel einem Armen, und ware doch kein Armer, sondern ein Reicher: derjenige, welcher das Himmelreich erschaffen. Joannes Dei hat vermeint, er trage auf seinen Achslen einen elenden Bettler ins Spital, und war unterdessen Gottes Sohn. Der hl. Ivo hat darfür gehalten, er helfe den armen Wittiben und Waisen, unterdessen war gar oft unter denselben Jesus selbsten.

Also sey du auch versichert, mildherziger Christ, gutherziger Mensch, barmherziger Almosengeber, sey versichert, daß du vielleicht auch einem Armen etwas gespendirt, den du für einen elenden Tropfen gehalten, unterdessen aber ist es etwann Gott selbst gewesen. Glaube beinebens auch, daß du bisweilen einen armen Menschen bei deiner Hausthür mit rauhen und groben Worten hast angetast, welcher in Bettlers-Gestalt der Heiland selbst gewest, und also deinem Erlöser einen schnarcherischen Verweis geben. Si scires, quis est, qui dicit tibi, da mihi, forsitan dedisses.

Arnoldus in seinem Martyrologio schreibt von einer frommen Gräfinn, welche, ob schon hochgeboren, dannoch eine niederige, demüthige Dama gewesen, auch war solche nit allein wohlgeboren, sondern war auch wohlgelobt, forderist wegen der Wohlthaten, die sie den[46] armen Leuten erwiesen, daß ihr also rechtmäßig der Titul Ihr Gnaden gebührt, und sich füglich eine Gräfinn von Helfenstein hat schreiben können. Dieses adeliche Gemüth, so sehr es zu der Lieb des Nächsten geneigt, so unbarmherzig und aufblasen war ihr Herr Gemahl, als welcher nichts unwerther konnte sehen, als die Bettler, die er ins gemein nur lausige Bursch und verworfenes Lumpengesind taufte, auch so gar obbenannter seiner Frau Gemahlinn ernsthaft verboten, daß sie mit dergleichen Grindschipeln nit soll umgehen, noch weniger solche Fleck-Kramer in ihre Behausung einlassen. Als nun auf eine Zeit dieser Durandus sich mit einer Jagd nach Gewohnheit ergötzte, hat sich ein elender, aussätziger Bettler bei der Schloßthür eingefunden, welcher um Gottes willen eine Herberg gesucht. Der Frau Gräfinn war das Herz schon erweicht, als die nicht konnte sehen einen Menschen, dessen sie sich nit thäte erbarmen; allein die schützte vor das große Verbot ihres so harten Herrn. Weil aber der arme, mit Geschwüren überhäufte Bettler ganz inständig gebeten, also hat die Barmherzigkeit bei ihr vorgeschlagen, und diesen nicht allein in das Geschloß, sondern auch, wie er verlangte, so gar in ihr eigenes Bett auf eine Stund zu ruhen eingelassen. Unterdessen aber kommt unverhofft der Graf von seiner Jagd zurück, und weil er sich im Hetzen so stark bemühte, begehrt er alsobald in die Schlaf-Kammer, daselbst eine kleine Ruhe zu suchen, und den abgematten Leib mit[47] einem stündigen Schläfl zu befriedigen. Allhier erwäge jemand, wie es der Frau Gräfinn um das Herz gewesen, was Aengsten und Sorgen ihr bedrängtes Gemüth überfallen, als die so wohl ihren eignen, als auch des armen Bettlers Untergang und Tod ganz unfehlbar prophezeite. Indem nun auf sein ernstliches Begehren die Frau Gräfinn die Kammer aufzusperren etwas verweilte, stößt der ungeduldige Cavalier mit gleichen Füssen die Thür ein, welches zugleich fast ein tödtlicher Stoß war in dem Herzen der beängstigten Dama. Aber Gottes Weisheit weiß meisterlich zu spielen in allen Welt-Sachen. Wie erstgedachter Wurmius in die Kammer eingetreten, hat er einen so lieblichen Geruch empfunden, daß ihn gedunkte, als habe das irdische Paradies seinen Blumenschatz dahin gespendirt, auch wünschen konnte, daß er gar zu einer Nase möchte werden, diesen übernatürlichen Geruch sattsam zu genießen. Als unterdessen die bedrängte Gräfinn ihr den gewissen Tod vorgebildet, der Meinung, es habe der Graf den armen, presthaften Bettler daselbst im Bett angetroffen, so hat sich aber der Herr Graf bald wieder aus der Kammer begeben, mit höchster Verwunderung sich zu seiner Frauen Gemahlinn gewendet, sprechend: er habe länger nit mehr schlafen noch ruhen können, weil es ihm nicht anderst vorkommen, als sey er mitten im Paradies, so voller Lieblichkeit und Süße sey das Bett gewest. Worauf die gottselige alles umständig erzählet, wie daß sie einen armen, elenden Bettler habe darein gelegt, weil solcher sie inständig gebeten. Indem dann solcher verschwunden, sey gar glaublich zu halten, daß es nit ein Bettler, sondern in dessen Gestalt der[48] Heiland Jesus selbst gewesen; welches dann dem vorhin hartmüthigen Grafen das Herz also erweicht, daß er nachmals die übrige Lebensfrist unaussetzlich sich samt seiner frommen Frauen Gemahlinn in allen Werken der Barmherzigkeit ganz emsig geübet. Si scires, quis est, qui dicit tibi, da mihi, forsitan dedisses.

Demnach, mildherziger Christ, bild dir ein, so bei deiner Hausthür ein armer Bettler klopft, es sey derjenige, welcher in das Haus Zachäi eingetreten, und dasselbe mit seiner göttlichen Gegenwart geheiliget; bild dir ein, wann ein blinder Bettler ganz armselig dich anspricht, es sey Jesus der Sohn David, welcher dem Blinden am Weg das Gesicht erstattet; bild dir ein, so dich ein krummer und elender Tropf mit nassen Augen bittet, es sey derjenige Jesus, in dessen Namen Petrus den Lahmen bei der Porten des Tempels curirt hat; bild dir ein, wann dich ein armer Schlucker nur um einen Pfenning bittlich ersucht, es sey derjenige, welcher dem alten Mütterl wegen Opferung zweier Heller so großes Lob im Tempel nachgesprochen; mit einem Wort: so oft du eines Armen ansichtig wirst, bild dir ein, es sey Gott selbsten; dann in der Wahrheit mehrmal unser lieber Herr in Bettlers-Gestalt, in Bettlers-Kleider, in Bettlers-Lumpen, in Bettlers-Krucken, mit Bettlers-Säcken, in Städten, in Märkten, in Geschlössen, in Dörfern, in Häusern herumgehet, und das Almosen sammelt, hierdurch die Adams-Kinder zur Barmherzigkeit und Mitleiden zu lenden und wenden.

Gesetzt aber, es sey weder Christus, weder ein Engel, weder ein Heiliger, der dich mit den 6 Buchstaben »da mihi« ansingt, so ist es genug, daß es ein[49] armer und notleidender Mensch ist; und sollst du auf seiner Stirn fein lesen, so Gott mit eignen Händen auf Fractur-Art geschrieben: Was ihr einem aus meinen Mindesten gethan, das habt ihr mir gethan! Mir, merkts Cavalier; mir, merkts Monsigneur; mir, merkts Forestier; mir, merkts alle ihr; mir, sagt Gott, gebt ihr, was ihr den Armen gebt!

Es wird registrirt von einem, der wegen inständigen Anhaltens einem armen, halb nackenden Menschen ein Kleid gespendirt, weil er aber bald hierauf Nachricht erhalten, daß dieser ein schlimmer Gast sey und heilloser Bösewicht: so hat es ihn über alle Massen gereuet, daß er einen solchen nichtsnutzigen Vaganten bekleidet, welcher doch mit gutem Bärenhäuter-Zeug bedeckt war. Auf solches ist ihm der Herr Jesus leib-und lebhaft erschienen, und ihn mit diesen Worten angeredt: Laß dich gar nit reuen; dann du nit ihm, sondern mir das Kleid geschenkt hast! Mir, merks Currier; mir, merks Officier; mir, merks Mercantier!

Es war unlängst einer, welcher zwar kein anders Stamm-Haus wußte, als eine arme Bauernhütte; gleichwohl hat er klar an Tag geben, daß nit Alles Stroh im Kopf hat, was unter dem Stroh-Dach geboren: massen dieser durch die Studien so viel gezeigt, daß auch die Knöpf zu Rosen werden. Als solcher noch in den untern Schulen mit dem Häferl in eines großen Herrn Hof seine Kost suchte, und derenthalben nicht allein mit dem Hausgesind und Dienstboten in die Bekanntschaft gerathen, sondern so gar auch mit der Herrschaft selbst, welche ein sehr gnädiges[50] Wohlgefallen an der bescheiden und bescheidenen Ansprach und sehr witzigen Schnacken dieses Ollaris Scholaris hatten. Unter andern bracht er einest Ihro Gnaden die sinnreiche Frag vor: wie viel Gott der Allmächtige Ellen Tuch brauche zu einem Rock und Paar Hosen – allweil Gott unendlich und so groß, daß er Himmel und Erd einfülle? Der gnädige Herr kratzte hierüber in den Haaren, und wußte keineswegs diesen Knopf aufzulösen. Er glaube wohl, sprach er, die Hosen müssen größer seyn, als des Herrn Burgermeisters zu Lucern im Schweizerland. O nein, sagt hierauf der Scholar, mit 7 oder 8 Ellen aufs mehrest kann Gott gar wohl bekleid't werden zu Hosen, Wammes und Rock; dann Gott bei dem Evangelisten Matth. 25 Capitel spricht: Quamdiu fecistis uni ex his Fratribus meis minimis, mihi fecistis: »Was ihr einem aus meinen mindesten Brüdern habt gethan, das habt ihr mir gethan«; ich aber bin einer aus denselben mindesten: wer also mich, wie ich dann von Euer Gnaden nit anderst hoffe, wird von Fuß auf kleiden, der hat Gott selbst ein nagelneues Kleid gespendiret. Mihi, mihi, mir, merks Furier, mir, merks Cassier, mir, merks Portier, mir gibst du es, sagt Gott, was du den Armen gibst!

Recht ist Misericordia generis feminini, und sagt man nit der, sondern die Barmherzigkeit, massen solches mehr bei dem weichherzigen Weiber-Geschlecht, als bei denen Männern anzutreffen ist.[51]

Solche hat in allweg getragen gegen die Armen eine gewisse fromme Matron, die ich unterdessen Frau Benigna mit dem Zunamen Gutherzinn will nennt haben. Als diese auf eine Zeit ein armer, halbnackender Mensch um einen alten Fetzen angesprochen, darmit seinen elenden Leib zu verhüllen, schafft, sie unverweilt der Dienstmagd, daß sie ihm solle ein Hemmet aus dem Gewand-Kasten beibringen. Welche dann nichts als hurtig solchen Befehl vollzogen, und damit sie sich als eine häusliche Wirthinn zu erkennen gäbe, hat sie ein altes und in etwas zerrissenes Hemmet herab gebracht, worüber die wackere Frau sich nicht ein wenig entfärbt, und in diese löbliche Ungeduld ausgebrochen: Ei du schlimme Husten, sprechend, du karge Hex, geschwind bring ein anders und bessers herbei; es wäre mir ja eine ewige Schand, ja, pfui Teufel, die größte Schand, wann am jüngsten Tag vor allen Engeln und Heiligen Gottes und dem gesamten menschlichen Geschlecht Christus der Herr dieses zerrissene Hemmet soll zeigen und sagen: Ecce, sehet, dieses Kleid hat mir diese Frau gespendiret! Pfui, pfui, pfui!

Mihi dedisti, mihi; mir, merks Hatschier; mir, merks Sumulier; mir, merks Cavalier; mir gebt ihr, was ihr den Armen gebt, und solches will ich euch sowohl zeitlich als ewig vergelten!

Appelles Appollophanes, Appollonius, Appollodorus haben viel geschrien und geschrieben von den Kräutern, dero Eigenschaft und Wirkungen; unter[52] andern melden sie auch von einem Kräutel, welches sie Xanthium, auf deutsch insgemein Bettlerläus' nennen. Diese seynd nichts anderst als Kletten, welche meistens auf gemeiner Straße wachsen. Solche haben eine wunderliche Beschaffenheit, melden obgedachte Weltweisen, daß, wann man sie im Herbst eröffnet, so find't man darin zwei fruchtbare Körnlein: seynd es Gerstenkörnl, so bedeut's ein fruchtbares Jahr, seynd es aber Haberkörnl, so bedeut's eine Theurung aller Früchten. Ob dieß wahr sey, kann's ein jeder probiren. Im Uebrigen haben auch diese Kletten oder Bettlerläus' eine andere Kraft, daß sie nemlich mit Rhabarbara in Wein gesotten den Aussatz reinigen.

Was hierinfalls Dioscorides den Bettlerläusen zuschreibet, das schreib ich den Bettel-Leuten zu: daß nemlich solche so voller Wirkung seynd, daß sie auch dir, mein sündiger Mensch, den Aussatz deiner Seelen können heilen und reinigen. Dieses Recept hab ich von dem vornehmsten Medico, welcher sich nennt Jesus von Nazareth. Solches hat von Wort zu Wort gar genau und emsig abgeschrieben der Evangelist Lucas im 11ten Capitel: Recipe date Eleemosynam, et omnia munda sunt vobis: »Gebt Almosen, so wird Alles rein bei euch!« die Sünden werden ausgelöscht, der Aussatz wird gereiniget!

Bist du ein Ehebrecher und ein größerer als der israelitische David oder longobardische Paphaon; bist du ein Mörder, und ein größerer als der Kain oder der Caius; bist du ein Dieb, und größerer als[53] der Achan oder lydische Achäus; bist du ein Gotteslästerer, und ein größerer als der Antiochus oder bithynische Antinous: sey dessenthalben nicht verzagt, die Krankheit ist zwar groß, aber eine einige Purgation macht dich gesund: Eleemosyna à morte liberat, et ipsa est, quae purgat peccata. – Bist du gewest 10 Jahr klauberisch, 20 Jahr rauberisch, 30 Jahr verfressen, 40 Jahr vermessen, 50 Jahr unzüchtig, 60 Jahr unrichtig, 70 Jahr im Haß, 80 Jahr im Fraß, 90 Jahr verrucht, 100 Jahr verflucht: sey derenthalben noch nit verzagt, die Wunde ist zwar groß, aber ein einiges Pflaster hofft: gib Almosen, non parvum cataplasina est elecmosyna, cum valeat omnibus apponi vulneribus – Wann du ärger bist, schlimmer bist, lasterhafter bist als Holofernes von Buhlersdorf, als Esau aus Frißland, als Saul von Neidlingen, als Herodes von Frauhofen, als Nabuchodonosor von Stolzendorf, als Judas von Kaufbeuren, als der verlorne Sohn von Schweinfurt, als der Nabel von Schlegelleuten, als der Goliath von Großwardein, als der Pharao von Hartberg etc.: nichts verzagt, kannst gar leicht nach Heilbrunn kommen, gib Almosen, das Heil ist dir gewiß!

Ich sehe es dir an, deine Augen seynd Fenster,[54] wo der Teufel oft eingestiegen; deine Ohren seynd Zimmer, wo der Satan oft Audienz gehabt; dein Maul ist eine Schmide, wo der Lucifer oft Zank-Eisen geschmid't hat; deine Händ seynd Angeln, mit denen der böse Feind oft gefischt hat; dein Gewissen ist ein Kissen, worauf der Beelzebub oft geschlafen: gleichwohl sey nit verzagt! Allegro, macht Almosen! Eleemosyna kommt her von Elimino: Almosen will so viel sagen, als: Alle-müssen, das ist, alle Sünden müssen weichen dem Almosen.

Der Fluß Jordan hat den Aussatz des Naams kurirt: das thut auch das Almosen; Moses hat mit einem Holz das bittere Wasser süß gemacht: das thut auch das Almosen; der Elisäus hat das schwere Eisen ring gemacht: das thut auch das Almosen, und mehr; dann es macht schwere Gewissen ring, das ist ja mehr; es macht den verbitterten Tod süß und gütig, das ist ja mehr; es macht vergifte Herzen gesund, das ist ja mehr; es reiniget den Aussatz der Seelen, das ist ja mehr! Omnia munda sunt.

Was braucht's viel? Es sey der Sünder so groß als er immer kann seyn, wann er ein Almosengeber darneben ist, so wird er in den Sünden nit sterben, nit verderben, sondern solches wird ihm zuvor eine rechte Buß und Reu' zu wegen bringen. Dahero allen solchen zu sonderm Trost mein h. Erz, Vater[55] zuspricht: er habe viel Bücher, und in Büchern viel Schriften, und in Schriften viel Geschichten gelesen; aber niemalen hab er gefunden, daß einer wäre eines übeln Tods und unbußfertigen Ends gestorben, der sich in den Werken der Barmherzigkeit emsig geübet hat, ob er entzwischen schon mit andern Lastern behaft gewesen.

Joab war eine Generals-Person im Feld, beinebens aber auch ein General-Tyrann im Gemüth: den Absalon, diesen königlichen Prinzen, hat er wider den Willen Davids ermord't, und diesen schönsten Fürsten zu dem schändlichen Fürsten der Finsternuß, das ist, zum Teufel gejagt; dem Abner und dem Amasa hat auch gedachter Joab den Rest geben, und sie schelmerischer Weis' ermord't; Joab hat gestohlen, ich sags unverhohlen; dieser Offizier lebte in stetem Braus, ich sags rund heraus; dieser lebte wie ein Tyrann, ich sags jedermann; endlich hat ihn lassen Salomon in seinem eigenen Tabernakel unversehener Weis' erstechen. So ist er ja ohne Zweifel beim Teufel? Holla, still, das ist zu viel! kehr das Blättl um, dort wirst du etliche musikalische Noten antreffen, welche David auf der Harfe aufgemacht mit dem untergeführten Text: Beatus, qui intelligit super egenum et pauperem. Joab ist begraben worden nächst bei einer gemeinen Straße; daselbst hat er etlich Jahr vorhero von dem Geld, welches er in Kriegsdiensten erworben, ein Spital erbaut für die armen Reisenden,[56] wessenthalben ihm Gott noch vor seinem letzten End die Gnad geben, daß er sattsame Reu und Leid über seine Unthaten erweckt, und folgsam ein Kind der Seligkeit worden.

Cornelius war auch ein Soldat und Commandant zu Cäsarea, zwar eines gar ehrlichen Wandels, aber gleichwohl ein Heid und Ungläubiger; weil er aber so gern Almosen geben, hat der allmächtige Gott nit wollen zulassen, daß er solle in das ewige Verderben gerathen, sondern ihm einen Engel zugesandt mit dem Befehl, er solle unverweilt seine Reis' nach Joppen vornehmen, daselbst bei einem Lederer nächst dem Meer halt' sich der Peter auf, von ihm soll er die nothwendige Unterweisung im Glauben und die heilsame Tauf empfangen. Dictum factum.

So ist dannoch wahr, daß Xanthium oder Bettlerläus' den Aussatz des Leibs, Bettel-Leut aber durch das empfangene Almosen den Aussatz der Seelen reinigen, verstehe mit Thoma Aquinate, dispositive.

Wohlan dann, üppiger Welt-Mensch, so arm als ich bin, so schenk ich dir doch etwas: Räbler-Dukaten hab ich nit, mein Rabbi; aber einen Rappen wohl, den geb ich dir. Dieser Galgenvogel war auch mit anderm ehrlichen Geflügelwerk in der Arche Noe, und weil dieser schwarz aufgezogen, glaubte etwann der gerechte Patriarch, als gehe er in der Klag und Trauer, als werde er sich behutsamer und eingezogner halten, als andere Vögel. Schickt ihn demnach aus für einen Currier, die gewisse Avisa wegen des Sündfluß einzuhohlen, ob nit die Wassersucht[57] sich einmal in eine Schwindsucht verkehre. Dieser rußige Gesell ist ausgeflogen, aber nicht mehr zuruck geflogen, weil er etwas anderst pflogen; er ist nit mehr zuruck kommen, weil er etwas anderst überkommen, nemlich ein stinkendes Aas, welches auf dem Wasser geschwummen, zu dem er sich aus Antrieb seines luderischen Appetits begeben. Ei dieser Vogel war werth, daß ihn der Teufel rupfte! diese Scharte war groß; gleichwohl hat er solche bei Gott dem Herrn ausgeschlieffen. Als er dem Propheten Eliä in der Wüste alle Tag das Brod gebracht, da war der Rapp wieder wohl daran, und die göttliche Vorsichtigkeit gibt seinen Jungen einen so wunderlichen Contralor ab, daß sie, als verlaßne Weis'l vom Himmel gar gespeist werden: qui dat escam pulis corvorum invocantibus eum.

Ist es dann wahr, soll es dann also seyn, verhält sich die Sache dergestalten, mein unbehutsames Adams-Kind, daß du schon etlich Jahr auf Rappenart dem stinkenden Aas hast nachgehetzt und nachgesetzt; daß du so gar von der cyprischen Göttinn das Zipperl bekommen, und das verdrießliche Podagra mit sonderem Wehklagen geerbt hast? ist es dann gewiß, daß du viel Jahr hero das sechste Gebot über sechs hundertmal übertreten, und nit ungleich den übermüthigen Böcken auf allen Geißmärkten herum gemecketzet [58] vivendo luxuriose; mit dem verlornen Bürschl in dem Evangelio bei Andl und Kandl dein Leben zubracht, und öfter Schiffbruch gelitten in Donna, als in der Donau? soll es dann noch der Wahrheit gemäß seyn, daß du nit allein zu Raab, sondern auch zu Sodoma und Gomorha dein Logement als ein loser Mensch genommen? Du verstehest mich schon! Ei so ist es noch leicht möglich, dich von dieser schweren Sündenlast zu entbinden; es kann noch gar wohl seyn, daß die göttliche Gnaden-Porte, ob schon bishero so stark verrieglet – massen der Himmel ein Schafstall, und nit für solche Säu gebaut, wie du bishero gelebt – Thür- Engel- und Angel offen stehet, wann du zwar mit dem Rappen gesündiget, dich mit Wust und Luder gesättiget, anjetzo aber mit dem Rappen die Hungerigen speisest und die Werk der Barmherzigkeit gegen den Armen übest. Dann wer sein Gesicht nit abwendet von den Armen, von dem wendet auch der Allerhöchste nit ab sein göttliches Angesicht; wer seine Händ ausstrecket gegen den Armen, dem bietet auch Gott die Händ, und erhält ihn vor dem Untergang wie den Peter im Meer; wer die Durstigen tränken thut, dem wird auch Gott einen gesunden Trunk zubringen aus seinem guldenen Becher, worauf geschrieben stehet: Inebriabuntur ab ubertate domus tuae. Wer die Fremden beherberget, der wird seine Einkehr nehmen in dem Schoß Abrahä; wer die Nackenden bekleidet, dem wird derjenige das Kleid der Glorie[59] anlegen, so nackend und bloß für uns am Kreuz gestorben; mit einem Wort: wer barmherzig ist, dem wird Gott auch barmherzig seyn; und es kann nit seyn, es wird nit seyn, daß ein Barmherziger verloren werde; denn bei denen die Armen gewinnen, der kann das Heil nit verlieren, nit, nit, nit, glaub du es mir, er kann nit, nit, nit; dann mittelst des Almosen wird Gott einen solchen Sünder erleuchten, daß er ohne Reu und reuvollen Buß und bußfertiges End nit wird sterben. Date Eleemosynam, et omnia munda sunt vobis!

Wann du es schon öfter gelesen, was ich allhier beifüge, so mußt du nit gleich die Nasen darüber rümpfen, weil ich ohnedas wohl vorsehe, daß ich eine Sau werde ausheben, weil es eine Geschicht ist von einem Saudieb. Solches hat selbst mit glaubwürdiger Feder verzeichnet Petrus Damianus: daß nemlich einer gewest sey, welcher einen sehr lobwürdigen und untadelhaften Wandel führte, und männiglich mit seinem auferbaulichen Leben bestermassen vorgeleucht; insonderheit war er ganz eiferig in Werken der Barmherzigkeit, also daß sein Haus fast eine gewöhnliche Einkehr der Armen, und ins gemein die Bettel-Herberg genennt worden. Allein Leibfarb und Liebfarb schießen bald ab, und gleichwie grünes Gras zu Heu, also ist mancher Fromme auch schlimm worden. Bei unserm Almosengeber haben mit der Weil, wie auf der Geige die Saiten, also bei ihm die Sitten nachgelassen, daß er endlich seine löblichen Liebsstuck in schändliche Diebsstuck verkehrt, so gar auf eine Zeit seinem Nachbaurn eine gute gemäste Sau eutfremd't,[60] durch welche Unthat er in die göttliche Ungnad gefallen, und folgsam in die Gefahr des ewigen Verderbens. Aber Gott will nit, daß ein Barmherziger solle in Verlust gehen, weil nemlich, nach Aussag des h. Vaters Augustini, die Barmherzigkeit vor der Höll-Porten Schildwacht stehet, auch bei eines jeden Ankunft fraget: wer da? Wann sie dann die Antwort vernimmt: gut Freund! den läßt sie nie in die Höll passiren; dann welcher ein guter Freund ist gewest seinem Nächsten, absonderlich denen Armen, der ist befreit von der Hölle. Dahero wollt auch diesen unsern Sau-dieb zum Guten bringen derjenige, so das verlorne Schäfel gesucht in der Wüste. Dieser Heiland dann verkleid't sich und verstellte sich einmal in die Gestalt eines armen Bettlers, und begegnete also dem Saudieb. So bald solcher eines so armen Tropfen ansichtig worden – was wirkt nit die Gewohnheit in allem! – so tragt er alsobald ein inniges Mitleiden mit dem notleidenden Menschen, führt nach vorigem seinen Brauch diesen Bettler in seine Behausung, waschet und säubert ihn; vor allem aber waren dem armen Tropfen die Haar also verwachsen und zerrüttet, daß dem Saudieb für gut gedunkt, solche abzuschneiden. Wie er nun mit der Scheer hin und her gefahren, vermerkt er in dem Genick des Haupts ein Paar Augen, worüber er ganz erstummet und vor der Verwunderung schier sinnlos zu Boden gesunken. Nachdem er sich wieder in etwas erhohlt, hat er endlich das Herz gefaßt, ihn zu fragen: was um Gottes willen es möge bedeuten, daß er sowohl vorn als hinten am Kopf Augen habe, was das sey? Darauf ihm dieser Bettler geantwortet: Ich [61] bin Jesus, dem nichts verborgen: mit diesen Augen habe ich gesehen, wie du deinem Nachbaurn das Vieh diebisch weggetrieben; diesen Augen thust du mißfallen! worauf er verschwunden; das Herz aber dieses Menschen dergestalten erweicht, daß er seine Sünden inniglich bereuet, forthin ein heiliges Leben geführt, und also ein gar seliges End genommen.

Aus welchem dann sonnenklar erhellet, daß ein mitleidender Mensch durch das Almosen, als durch eine stattliche Seife – und eine bessere, als Susanna von ihren Frauenzimmer-Menschen im Garten verlangte – alle seine Sünd könne austilgen: welches also zu verstehen, wie schon vorhero gemeld't, daß der allmächtige Gott durch das Almosen und Lieb des Nächsten dahin bewegt werde, daß er einen solchen nit lasse in seiner Ungnad sterben, sondern gebe ihm sattsame Erleuchtung und so starken Beistand, wormit er noch vor seinem End ein Kind der Gnaden könne werden.

Was nun Christus jenem armen Tropfen bei der Synagog am Samstag gesagt, das sag ich dir, sündiger Mensch, alle Tag. Jener war, nach Aussag des h. Hieronymi, ein Maurer, und hatte einen sehr harten Zustand bekommen an der rechten Hand, wessenthalben er zum Arbeiten untüchtig, und also das Bettel-Handwerk treiben mußte; verlangte demnach nichts mehrers als die Gesundheit, welcher ihm der Heiland Jesus mit diesen Worten geben: extende manum, »strecke die Hand aus.« So bald er solche ausgestreckt, ist er völlig und vollkommen gesund worden. Willst du, o sündiger Tropf, auch gesund werden an[62] der Seel? willst du aus einem Kain ein Cajetanus werden? – dieser ist ein großer Heiliger gewest; willst du aus einem Aman ein Amandus werden? – dieser ist ein wunderthätiger Heiliger gewest; willst du aus einem Malcho ein Malachias werden? – dieser ist ein berühmter Heiliger gewest; willst du aus einem Nabl ein Nabor werden? – dieser ist ein bekannter Heiliger gewest; willst du gesund werden, und aus einem Heillosen ein Heiliger werden? Streck die Händ aus zu den Armen!

Begehrst du, daß Wasser wieder solle zu Wein werden, wie zu Christi Zeiten? begehrst du, daß eine verdorrte Ruthe wieder solle blühen, wie zu Aarons Zeiten? begehrst du, daß ein Todter wieder solle lebendig werden, wie zu Elisäi Zeiten? begehrst du, daß ein Vieh soll zu einem Menschen werden, wie zu Nabuchodonosors Zeiten? begehrst du, daß aus einem Lasterhaften ein Tugendhafter werde: Streck die Händ' aus, gib Almosen!

Hast du ein hitziges Fieber, wie der verliebte Holofernes; hast du das Chiragra in Händen, wie der verstohlene Zachäus; hast du die aufblasene Wassersucht, wie der stolze Goliath; hast du die Mundfäul', wie der verfressene Prasser; hast du das Grimmen im Leib, wie der zornige Pharao; hast du alle schlimmen und gefährlichen Zuständ: Recipe, Streck die Händ aus, leg das Almosen für ein Pflaster auf, es hilft! Probatum est, spricht Zeno, ein Kaiser; probatum est, sagt Manfredus, König zu[63] Neapel; probatum est, sagt Martha, mit Martha Martinus, mit Martino Martinianus etc. Wirst also sehen, hören, greifen, riechen, kosten, daß dir Mendicus zu einem Medicus wird.

Es ist ein Kraut, welches die Griechen Pentaphyllon, die Lateiner aber Quinquefolium heißen, bei den Deutschen nennt man es insgemein Fünffinger-Kraut. Dieses hat sehr heilsame Wirkungen wider unterschiedliche Krankheiten und Presten: unter andern soll es, nach Aussag Dioscoridis, sehr gut seyn für das Zahnweh. Ich meines Theils halt keinen Schmerzen gleich diesem Zustand, absonderlich demselben, mit welchem die Verdammten in der Höll ewig gepeiniget werden; dann, nach Laut des göttlichen Worts leiden die Verlornen daselbst neben andern unbeschreiblichen Qualen ein immerwährendes Heulen und Zahnklappern. Dieses ist in der Wahrheit ein hartes Zahnwehe; aber Gott sey höchsten Dank, daß gleichwohl noch ein Mittel vorhanden, welches diesen Zahn-Schmerz verhütet, nemlich das Fünffinger-Kraut, oder – verstehe mich besser – die ausgestreckten 5 Finger mit dem Almosen gegen die Armen. Dieses ist ein herrliches Präservativ wider das Zahnklappern in der Höll.

Anno Christi 925 hat es unweit der schönen Stadt Genua den ganzen Tag das helle Blut geregnet. Ein ganzes Jahr zuvor, ehe Sylla seine[64] feindlichen Waffen wider die Athenienser geführet, hat es an einem Montag häufige Asche geregnet. Das war kein Ascher-Mittwoch, sondern ein Ascher-Montag. Wie die Saracener ganz Frankreich verwüst und unglaublichen Schaden verursacht, hat es kurz vor, bei heißer Sommerszeit, lange Eiszapfen wie die Degen geregnet. In Schottland hat es einmal eine so große Menge Ottern und Schlangen geregnet, welches die bald hierauf erfolgte Gefangenschaft des Königs Donati bedeutet hat. In Frankreich hat es auf eins Zeit Treid und Fisch geregnet, in Brittannia kleine Vögl rc, welche alle für sondere Wunder-Regen können gehalten werden; allein keiner war wunderbarlicher, als der über die 5 Städt' Sodoma, Gomorrha, Adama, Seborin und Segor gefallen, deren letztere zwei Städt' ziemlich klein, die anderen sehr große, forderist die zwei ersten, berühmte Haupt-Städt waren. Dieser erschreckliche Regen bestund in lauter Feuerflammen und Funken, wie man dann noch auf heutigen Tag in selbiger Gegend äußerlicher Gestalt halber die schönsten Aepfel und Weintrauben antrifft, so man aber dieselbigen in etwas stark anrührt oder drucket, so sind't sich nichts als eine Asche und rauchender Dampf darin; auch alles Gras und Kräuterwerk in besagter Gegend, so bald es zur Vollkommenheit aufgewachsen, wirds gleich ganz schwarz, und zerpulvert sich selbst zu Asche. Viel Scribenten seynd der Aussag, als sey gedachter Feuer-Regen durch die göttliche Justiz aus der Höll und tiefen Abgrund in die Höhe gezogen, und nachmals über die sündigen Städt gefällt worden. – Dieses nunmehr erschreckliche Feuer[65] hat verheert, verzehrt alle Edel-Leut, Burgers-Leut, Handwerks-Leut, Bettler-Leut, alte Leut, junge Leut, auch unschuldige Leut; dann vermuthlich auch daselbst kleine unmündige Kinder, dero zartes Alter aus Mangel der Vernunft von Sünden befreit: gleichwohl alle, alle durch dieses Feuer, von diesem Feuer, in diesem Feuer elendiglich zu Grund gangen, – alleinig der Loth samt den Seinigen war befreit. Fragst du die Ursach warum? – indem doch der Loth nit allein Namens wegen, sondern auch guter Werk halber nit gar gewichtig war, welches man genugsam aus dem kann abnehmen, weil er gleich nach dem erschrecklichen Untergang der Stadt Sodoma alles Elend so bald vergessen, auch wegen seiner Frauen gesalzenen Zustand sich selber die geringsten Mucken nit gemacht, sondern noch darüber einen guten, dicken, starken, kräftigen und ziemend-haltenden Rausch angetrunken, und nachgehends, weil Vinum und Venus auf einer Bank sitzen, der Ehrbarkeit eine ziemliche Schlappe angehängt; dahero man gar wenig gute Werk von dem Loth protocollirt, außer daß er cortes und freigebig gewesen gegen die Armen, absonderlich gegen die Fremdlinge, welche er mit großer Lieb beherbergt, wessenthalben ihn und die Seinigen der erschreckliche Feuerregen verschont, zumalen, nach Aussag des h. Petri Chrysostomi, das göttliche Feuer über die Barmherzigen keine Gewalt hat. Dahero ein jeder[66] ernstlich glaube: das Frei mache frei; verstehe: die Freigebigkeit gegen die armen und nothleidenden Nächsten macht frei von der Höll und höllischen Straf.

Unser lieber Herr hat seinen lieben Apostlen, da er sie zwei und zwei ausgesandt, gleich Anfangs Taschen und Säck und Proviant zu tragen verboten; gleichwohl aber hat er ihnen einen Stab zugelassen: Zweifels ohne derentwegen, damit sie mit dieser hölzernen Beihilf auf so schwere Reis' bisweilen möchten über einen Graben kommen. Keinen größern Graben noch Gruben wird man finden, als die Höll ist, massen selbige etliche deutsche Meilen breit und tief seyn soll; braucht demnach einen ziemlichen Sprung, wann jemand über solchen Abgrund sicher zu kommen verlangt.

Zu Prag wird man einem deutsch und böhmisch erzählen, auch zeigen, daß einer, Namens Hormyrius, seinem Pferd etliche Wort in das Ohr geredt, gleich darauf die Sporn angesetzt und in einem Sprung von dem Geschloß Wissegrad bis über den großen Fluß Moldau hinüber gelangt, allwo er vom Wasser sehr angespritzt überlaut aufgeschrien: Zlychow! worvon noch das Dorf jenseits der Moldau den Namen hat. Der Sprung geht hin; aber über die tiefe, breite, weite Höll zu springen braucht noch einen größern Sprung; und zwar solcher kann zum allersichersten geschehen mit einem Stab: dieser ist herentgegen kein anderer, als der Bettel-Stab. Wann du solchen an der Seite hast, wann dieser dir günstig ist, wann die armen Bettler, will ich sagen, vor dich beim göttlichen Gnaden-Thron anklopfen, so springst du trutz aller Teufel über[67] die Höll; dann ein Almosengeber und barmherziger Mensch kann nit in diese Grube fallen.

Jener Gesell und schlemmerische Weinschlauch zerreißt sein Maul umsonst in der Höll, da er überlaut dem Vater Abraham zugeschrien, er soll doch den Lazarum zu ihm schicken. Mein Phantast, dermal ist es schon zu spat, dich hat bereits schon der Bettlputz in die Höll gehohlt! gleichwohl aber ist es ein Zeichen, als sey dir der Rausch vergangen, weil du so bescheid redest; dann wahrhaftig ein Lazarus, ein Bettler ist eine Hilf und ein Mittel für die Höll; aber nit aus der Höll: noch bei Lebzeiten hättest du sollen den Bettelstab des Lazari ergreifen, bei Lebszeiten hättest du sollen den armen Tropfen zu einem Freund haben, so wärest du nachmals nit in dieses elende Ort gerathen, allwo dir auch ein Tropfen Wasser von des Lazari Finger versagt wird! Freilich errettet der Bettler einen Almosengeber von dem ewigen Tod, und mittls seiner erwirbt der Barmherzige das ewige Leben; dann der Bettler bringt bei Gott zu wegen seinem Spenditor den Buchstaben-Wechsel von seinem Bettlers-Namen, benanntlich Betler, id est, er lebt!

Jene vornehme Dama im Orient hat bereits schon sollen durch gerechtes Urthl Gottes, welcher er in dem Todbettl mit ergrimmtem Angesicht erschienen, zur ewigen Straf gezogen werden, dafern nit die Frau Barmherzigkeit sich mit zwei holdseligen Knäblein darein gelegt, vorgebend, daß diese Dama mit rechtem[68] Fug nit könne von der göttlichen Justiz verstoßen werden, um weil sie aus Mitleiden diese zwei kleine Kinder als arme Waisel habe auferzogen: worüber Gott sich also besänftigen lassen, daß sie noch die Gnad, wahre Reu und Leid zu erwecken, erhalten, und folgsam auf keine andere Weis', als mit dem Bettelstab, über die Höll gesprungen.

Jene zwei Bettler haben nicht Unrecht geredt – wer weiß es, ob sie nit Engel gewest? – als sie von einer Frauen, die gleich damalen in die Kirche gangen, ganz inständig ein Almosen suchten, die aber dazumalen mit nichts versehen; weil aber die armen Tropfen gar zu heftig angehalten, also hat die gottselige Frau einen silbernen Gürtel vom Leib gezogen, und ihnen dargereicht, worauf diese zwei in folgende Wort ausgebrochen: Frau, seyd versichert, am jüngsten Tag, Frau, wollen wir euch mit diesem Gürtel von der linken Seite auf die rechte ziehen!

Jener lasterhafte Edelmann wurde schon von einer unzahlbaren Menge der höllischen Geister umgeben, die ihn wegen seines sündhaften Wandels wollten in die unglückselige Ewigkeit stürzen, wofern der hl. Erz-Engel Michael nicht etliche Büschel Stroh, so er kurz vorhero mit eignen Händen zweien Ordens-Männern aus dem Orden St. Francisci untergebettet, auf die Wagschale gelegt hätte, auch darmit alle großen Sünden überwogen, und folgsam solcher der Verdammnuß noch entgangen.

Gleichwie nun dem hl. Propheten Jeremiä die alten Fetzen und halb verfaulten Lumpen in Vorhof des Königs Sedeciä großes Glück gebracht, massen er[69] mittels dieser alten Hadern aus der tiefen Grube gezogen und dergestalt dem Tod entgangen: also seynd öfters die armen zerrissenen Leut, die mit Lumpen und Hadern halb bedeckten Bettler, Ursach, daß mancher Reiche noch dem ewigen Unheil entgehet; wann schon Gottes Wort dem reichen und wohlbegüterten Menschen drohen, daß sie in den Himmel werden eingehen wie ein Kameel durch ein Nadel-Loch, so müssen sie derenthalben gleichwohl nit in einige kleinmüthige Gedanken fallen, als sie ihnen alle Hoffnung zur Seligkeit benehmen, sondern ich versprich ihnen, und nimm den Himmel selbst zum Zeugen, ich versprich ihnen das ewige Leben, wann sie werden seyn wie die Kameel, aber wie jene Kameel, welche mit Schankungen und Gaben samt den drei hl. orientalischen Monarchen seynd nach Bethlehem kommen. Mit einem Wort: wann sie der armen Bettler nit werden vergessen, so wird ihrer Gott auch nit vergessen!

Allegro von Herzen, meine Almosengeber! kratzt nicht hinter den Ohren, wie ein flohiger Melampus; macht kein runzeltes Gesicht, wie ein Hackbrettl in der Kuchel; schaut nicht sauer aus, als hättet ihr Holzäpfel-Most getrunken; seufzet nit immerdar, wie ein ungeschmierter Schubkarn; züglet nicht graue Haar, als hättet ihr einen Müllnersack für eine Schlafhauben; macht kein finsteres Gesicht, wie ein angehauchter Spiegel; allegro, seyd lustig und guter Ding! Melancholia ist des Teufels seine Saugammel, Allegrezza ist Gott[70] des Herrn seine Haushalterinn! Wohlan, mein Freigebiger gegen die Menschen, laß dein Herz in Freuden schweben, und nur allzeit fröhlich leben, kommst gewiß in Himmel und nicht darneben! David, der hl. Harfenist, macht selbst in seinem, 111ten Psalm ein Lied auf, dich zur Fröhlichkeit, aufzumuntern, da er spricht: Jucundus homo, qui miseretur etc., »Lustig und ganz wohlauf derjenige, der ein Mitleiden tragt!« Diese deine Fröhlichkeit zu befördern, führ ich dich zu einem Tanz. Allo! wohlauf!

Erstlich, zu einem Tanz gehört ein gutes Paar Schuh, – das sollst du haben, und zwar von einem braven Schuster, von welchem der heilige und große Papst Gregorius also schreibt, wie daß ihm einmal der allmächtige Gott ein Gebäu eines sehr stattlichen und über alle Massen prächtigen Pallasts im Himmel gezeigt, beinebens aber vermerkt, daß an besagter königlicher Burg lauter krumme, lahme, zerrissene und zerlumpte Bettler, arme Wittib und verlassene Waislen gebaut, und zwar nur allezeit am Samstag; welches dann den h. Vater noch zu größerer Verwunderung bewegt, also, daß er Gott den Herrn demüthigist ersucht, er wolle ihm doch offenbaren, für wen solche herrliche Behausung werde aufgericht. Worauf Gott der Herr einen Engel gesandt, welcher dem h. Gregorio angedeut', wie daß dieser königliche Hof werde zugericht für einen seiner Nachbaurn, der sei nes Handwerks ein Schuster, welcher aber dergestalten gutherzig war gegen die Armen, daß er allen seinen Wochen-Gewinn, außer der Haus-Nothdurft, am Samstag unter die Armen austheilte, die dann bereits ihm den so[71] ansehnlichen Pallast im Himmel bauen. Das war ein gebenedeiter Schuster, der ungezweiflet in der ewigen Glorie bei jenem joppischen Lederer sitzen wird, welcher auch so gutherzig den h. Petrum beherbergt hat. Ob schon die göttliche Schrift dem Pech wenig Lob nachsagt, gestalten der Ecclesiasticus sich hören lasset: Daß, wer Pech wird anrühren, werde darmit besudelt: so ist gleichwohl zu glauben, daß diesen so treu- und mildherzigen Handwerker sein Schusterpech nit wenig geziert habe, mit welchem er sich die ewige Kron und Glorie erworben. Wohl recht an keinem Ort hat der Patriarch Jacob einen so großen Segen und Benediction erhalten, als zu Bethel, welches eine Stadt war in Mesopotamia, allwo er die Leiter gen Himmel gesehen. Willst du auch, daß dir der Segen Jacobs, das Glück Jacobs, die Leiter Jacobs gen Himmel begegne, so gehe nach Bethel, das ist: der Bettelmann, die Bettel-Leut, das Bettel-Volk wird dir wegen des Almosen ganz schnurgerade Stafflen und ganz sichere Leiter in Himmel machen!

Zu einem Tanz wird absonderlich, und zwar meistens, ein guter Spielmann erfordert; dann gar gewiß bei dem Tanz der üppigen Herodiadis, allwo der Kehraus auf Ioannem gesprungen, gute Geiger und anders wohlgestimmtes Saitenspiel sich haben eingefunden. Damit dann der liebliche Musikschall, welcher auch den groben Bauernstieflen die Noten vorschreibt, diesseits nicht mangle,[72] also macht dir ein Hüpfendes auf ein überaus guter Pfeifer, von welchem schreibt Palladius folgender Gestalten: Der heil. Pachomius lebte viel Jahr in der Wüste gleich einem schönen Perl in einer rauhen Muschel oder Schale, war mehr bekannt dem Himmel, als der Erde, auch scheinte er ein vollkommener Abriß und ganz ähnliches Ebenbild eines Engels zu seyn, außer daß ihn der sterbliche Leib als ein zerlumpter Vorhang verhüllte. Nachdem er nun eine geraume Zeit in diesem strengen Wandel verharrt, hat ihn endlich der fromme Vorwitz gekitzlet, zu wissen, wie weit er schon in den Verdiensten bei Gott dem Herrn möchte kommen seyn? welches dann ihm bald hernach ein Engel durch göttlichen Befehl angedeut, wie daß er gleich sey einem Sackpfeifer in nächster Stadt. Ein Sackpfeifer mir gleich? er beim Tanz, ich beim Rosenkranz; ich beim Singen, er beim Springen; bei ihm laetare, bei mir miserere bei ihm Choreae, bei mir Chorus; er mir gleich? soll dann pfaffisch und pfeifisch gleich seyn? o Gott, den Pfeifer muß ich sehen! hören mag ich ihn nit; dann weil er so gut ist, möcht er auch meinen Ere miten-Füssen eine hupfernde Gewalt anthun! Gehet demnach der alt-erlebte h. Klausner[73] Paphnutius in die Stadt, sagt, fragt, wo ein Pfeifer wohne. Vielen hat solche Frag einen wunderlichen Argwohn erweckt, als welche hierüber nit wenig gestutzt, und sich fast geärgert, daß dieser Wald-Bruder um Spielleut umfrage; es stunde rühmlicher, daß er an den letzten Posannen-Schall, und nit an die Sackpfeifen gedenke. Endlich und endlich hat er den guten Spielmann erfragt, und gleich Anfangs ernstlich ausgeforscht, wer er sey, wie sein Wandel, was sein Thun und Lassen? Dieser gab immerdar keine andere Antwort, als: er sey ein armer Teufel, und zwar vor diesem ein Schelm in der Haut, ein Mörder, ein Ehebrecher, ein Strassenräuber, ein Bandit, ein Dieb, ein Assassin, ein nichtsnutziger Galgen-Vogel; anjetzo aber hab er sich in etwas gebessert, und gebe einen Spielmann ab. Dem h. Paphnutio kam solche Litanei spanisch vor; fragt demnach ferners ganz ernstlich, was er denn dermal für einen Wandel führe? Ich, mein h. Vater, damit ich dir nichts verberge, ich gib einen Spielmann, einen Sackpfeifer ab; ein anders Gewerb weiß ich nit zu treiben; auch gib ich nach meinem Vermögen Almosen. Vom Guten weiß ich nit viel, weil ich erst neulich von meinem lasterhaften Leben abgestanden, außer[74] eines, so ich offenherzig bekenne: Mir begegnete einsmals eine junge und wohlgestalte Frau, welche bitterlich weinend die Händ ober dem Kopf zusammen geschlagen, aus Ursachen, weilen ihr Mann und einiger Sohn wegen großer Schuldenlast in die Gefängnuß gelegt worden. Dieser hab ich mich alsobald erbarmet, selbige in die Stadt begleitet, und aus herzlichem Mitleiden ihr zu Erlösung ihres Manns und Sohns 600 Gulden gespendirt, welches die Summa war meiner ganzen Habschaft. Sobald solches der h. Vater Paphnutius vernommen, ist er mit nassen Augen in diese Wort ausgebrochen: Ecce! ecce! ecce! das Almosengeben hat dich also bei Gott dem Herrn angenehm gemacht, daß du dermalen mir in den Verdiensten gleichest!

Lobens und Liebens werth ist dieser Pfeifer; und solcher pfeift dir, mein Reicher, ein Liedl auf, darnach sollst du tanzen. Die Prediger lassen oft von der Höhe herunter etliche Liedl hören; aber die vermöglichen Batzenhofer will das Tanzen so gar nit ankommen. Deren seynd meistens achte: das erste gehet in Tripel, und heißt: Selig seynd die Armen! Dieß Liedl ist den Reichen zuwider, als denen lieber ist das guldene Kalb Aaronis, als der Ochs des Krippels. Das andere geht etwas traurig, und heißt: Selig seynd, die da weinen und Leid tragen! Dieß ist gar kein Tanz vor die Reichen; dann wo die guldene Sonn' scheinet, ist keine Zeit eines Regenwetters. Das dritte gehet und lautet ganz sanft: Selig seynd die [75] Sanftmüthigen! Diese Sarabanda schmecket den Reichen gar nit; dann wo lange Geldsäck, dort ist man kurz angebunden. Das vierte heißt: Selig seynd die Hungerigen! Dieß ist für die Reichen auch kein Weg; dann wer gut Ungari hat, kann den Hunger leicht vertreiben. Das fünfte heißt: Selig, die eines reinen Herzens seynd! Viel Geld in Händen macht schwarze Finger, und viel Rheinisch macht wenig rein. Das sechste heißt: Selig seynd die Friedsamen! Die mehresten Rechtshändel führen die Reichen; dann sie haben dran zu setzen. Das siebente heißt: Selig, die Verfolgung leiden! Das schickt sich wohl nicht für die Reichen; dann Gold macht hold, und haben diese die mehresten Freund. – Weil euch dann, Reiche, kein Liedl aus diesen gefällt, so pfeift euch mein frommer Sackpfeifer das achte, benanntlich: Selig seynd die Barmherzigen! Das gehört für euch. Allo, bequemt euch zu tanzen; tanzt, daß es Fetzen gibt, so haben die Armen etwas zu einer Kleidung; tanzt, daß euch Säck und Beutel zerreißen, so haben die Armen etwas aufzuklauben!

Zu einem Tanz gehört auch eigenthümlich und meistens ein lustiger Ort; dann in einer niedern Rauchstube oder auf einer kothigen und sumpfigen Gasse ist gar wenig Freud beim Tanzen. Dahero die jungen Töchter und[76] hebräischen Mägdlein nach dem Untergang des Königs Pharaonis im rothen Meer auf einem annehmlichen ebnen und grünen Wasen ganz fröhlich herum getanzt. Damit du dann auch dießfalls dein Begnügen habest, so führ ich dich gar an ein schönes Ort, allwo man noch die Fußstapfen siehet unsers Herrn und Heilands selbsten, allwo er einen ziemlichen Sprung gethan. Dieser ist der schöne Oelberg unweit Bethania, woselbst der Herr Jesus, in Gegenwart Mariä seiner werthesten Mutter, Magdalenä, Marthä, Lazari und der zwölf Apostel, in Himmel gefahren, auch allda dergestalten seine heilige Fußstapfen eingedruckt, daß solche noch auf heutigen Tag zu sehen; und kann weder die Bosheit der Türken, weder die Andacht der christlichen Wallfahrter mit Schaben und Kratzen solche Fußstapfen nit auslöschen, auch hat man dieselbigen auf keine Weis' mit Silber, Gold oder Marmor können bedecken; und als die gottselige Kaiserinn Helena daselbst eine Kirche auferbaut hat, das Dach an dem Ort, wo der Heiland hinauf gefahren, durch keinen menschlichen Fleiß noch Kunst können zugeschlossen werden.

Wohlan Reicher, dieser Berg ist ein schöner und lustiger Ort zu einem braven Sprung! Dann willst du rechtmäßig wissen, warum der Heiland eben auf diesem Berg in seine himmlische Glorie aufgefahren, so hör mich: Er hat dir wollen den Weg zeigen; dann kein besserer Weg, keine sichere Bahn, keine gewissere Strasse ist nicht in den Himmel, als vom Oelberg. Du verstehst mich schon: das Oel ist noch allemal ein Sinnbild der Barmherzigkeit gewesen; also ist gewesen, ist noch, und wird allezeit[77] bleiben die Barmherzigkeit ein schnurgerader Weg gen Himmel.

Allegro dann! beim Tanzen muß man auch juitzen; also juitz ich dir vor A, E, I, O, U: in Himmel kommst du, wann du wirst seyn, wie A – Alexander der Fünfte, römische Papst, der fast all sein Einkommen unter die Armen ausgetheilt; dahero er öfter aus frommem Herzen pflegte zu reden: er sey ein reicher Bischof gewest, nachmals ein armer Cardinal worden, nunmehr sey er ein bettlerischer Papst; – wann du wirst seyn, wie E – Eduardus, König in Engelland, der in damaligem Mangel des Gelds einen guldenen Ring vom Finger gezogen und den Armen gespendirt; – wann du wirst seyn, wie I – Joannes, Patriarch zu Alexandria, welcher also freigebig war gegen die Armen, daß er sich hören lassen: wann die ganze Welt ein Spital wäre, so wollt er's erhalten; – wann du wirst seyn, wie O – Oswaldus der König, welcher bei der Tafel einen silbernen Becher zu Trümmern zerschnitten, und solchen stuckweis den Armen ausgetheilt; – U – wann du wirst seyn, wie Ubaldus, der auch das Bissel Brod wieder aus dem Maul genommen und den Armen geben.

A, E, I, O, U – in Himmel kommst du, wann du wirst seyn, wie A – Amadäus in Sabaudia, E – Elisabeth in Hungarn, I – Joannes Dei in Italia, O – Odila in Sicilia, U – Udalricus in Schwaben, lauter heilige Almosengeber.

Bei dieser nur gar zu üppigen Welt wird fast niemalen ein Tanz vorbei gehen, allwo nicht Weiber[78] und Jungfrauen sich einfinden. Damit auch dergestalten du keinen Unwillen fassest, so führ ich dir eine Jungfrau und ein Weib zu.

Nachdem Gott der Allmächtige den Adam erschaffen, und wahrgenommen, daß dieser Mensch möchte melancholisch werden, aus Ursachen, weil niemand beihanden war, mit dem er konnte Gesellschaft, Gespannschaft und Freundschaft pflegen, also hat er in seinem göttlichen Rath beschlossen, ihm eine Mit-Consortinn beizuschaffen, benanntlich die Eva. Adamus aber mußte hierbei ein freigebiger Spenditor seyn; dann zu Formirung dieser so edlen Jungfrauen hat er eine Rippe von seinem Leib hergeben. Damit aber der allmächtige Gott zeige, daß man ihm nichts gebe, welches er nit überhäufig bezahle, also hat er dessen ersten Weltpfleger vor seine Rippe und krummes Bein das beste Fleisch geben, »replevit carnem pro ea:« gibt also die Formirung dieser so edlischen Jungfrau Eva sonnenklar an den Tag, wie Gott so reichlich vergelte, wann man ihm durch das Almosen etwas mittheilt. Für einen kalten Trunk Wasser belohnt er dich, für ein Stückl Brod bezahlt er dich, für etliche Löffel Suppen bereicht er dich nicht allein zeitlich, sondern auch ewg: gibst ihm das Zeitliche, so gibt er das Ewige, gibst ihm das Irdische, so gibt er das Himmlische, gibst ihm das Zergängliche, so gibt er dir das Immerwährende; – heißt das nit bezahlt? – Der Jakob bekommt für das Linsenkoch die Primogenitur oder die[79] Majorasco, das heißt die Linsen theuer anworden; Gott gibt dir für etliche Pfenning eine guldene Kron im Himmel, das heißt dein Geld noch besser anworden! – Weißt du, warum die armen Bettler gemeiniglich sich bücken, ja meistens ganz bucklet daher gehen? Siehe, die Gassen-Buben haben diese allbekannte Gewohnheit: wann sie gern ein Garten-Confect naschen wollen, der Baum aber ihnen zu hoch, so sagt einer zum andern: geh, mach mir einen Bock! kniet also einer nieder, dessen Rucken dem andern für eine Leiter dienet: Derenthalben gehen die armen Bettler gemeiniglich bucklet daher oder bucken sich vor deiner, als wollens dir einen Bock machen, damit du in den Himmel steigest!

Es hätte der allmächtige Gott gar leicht den Propheten Daniel in der Löwen-Grube durch die Raben, wie den Elias, können speisen, oder durch die Engel, oder hätte gar wohl ihm ein Manna oder Himmelbrod, wie den Israeliten, vom Himmel können schicken; hat es aber nit gethan, sondern den Habakuk lassen beim Schopf nehmen samt der Pfanne voller Koch, und lassen nach Babylon tragen, damit fein ein Mensch dem andern helfe. Also könnte der Allmächtige gar leicht machen, daß kein einiger Bettler oder armer Mensch in der Welt wäre, er könnte gar leicht allesamt reich und mächtig machen; hat aber dessentwegen Reiche und Arme erschaffen, damit der Reiche dem Armen zu Hülf komme, und damit der[80] Arme den Reichen in den Himmel helfe; dann eigenthümlich gehört der Himmel für die Almosengeber. Hast also, mein Adams-Kind, von der ersten ehrsamen Jungfrau Eva sattsam zu lernen, wie Gott so reichlich das fromme Spendiren belohnet; ist es aber Sach, daß du noch nit allerseits begnügt bist, so führ ich dir zum Tanz nit allein besagte Jungfrau, sondern auch ein Weib, aber mit Gunst gar eine Alte.

Vor etlich Jahren seglete ein großes Schiff mit gar günstigen Winden und friedsamen Flocken aus Holland über das hohe Meer nach Venedig. Als nun solches reich-beladene Schiff unweit der berühmten Stadt Venedig sich befunden, hat sich ganz unverhofft eine große Ungestümme erhoben: der Himmel machte ein finsteres Gesicht, der Wind fangt an zu brummen und sausen, das Meer erwachste dergestalten in die ungeheuren Wellen, daß es sich bald aufgebäumt wie Berg und Bühel, bald wieder in die Tiefe des Abgrunds gestiegen; es spielte der ergrimmte Neptunus mit dem Schiff als mit einem Ballen, und also stunde der entsetzliche Untergang männiglich vor Augen, welches sattsam aus den entbleichten Angesichtern und aus Forcht fast entseelten Leuten im ganzen Schiff abzunehmen war. In solcher äußerster und vor Augen schwebender Lebensgefahr ist der Schiffleut einige, ob zwar sehr windige, Hoffnung noch gestanden in Ausleerung des Schiffes. Wie dann alle und jede, ohne einige Widerred, das Ihrige in das tobende Meer hinaus geworfen, da war zu sehen, wie schleunig und unverzüglich dieser Kaufmann so viel hundert Ballen englisch Tuch, ein anderer große, schwere Faß mit[81] dem theuren Gewürz, der dritte in die 400 Zentner Toback hinaus geworfen. Unter andern war eine alte Frau, welche bereits 88 Jahr, 8 Monat, 18 Täg, 8 Stund, 28 Minuten alt gewesen, diese hat eine sehr große Truhe voll mit Silber und stattlicher Jubilier-Waar selbst eigenhändig hinaus keit. Warum dieß, meine alte, kalte, rotzige, rostige, hustige, wustige Mutter? warum thust so herrliche, stattliche, theure, schöne, köstliche, künstliche Waar hinweg werfen? Darum, mein Pater, damit ich mit dem Leben darvon komme. Wie lang hofft ihr noch, meine Mutter, zu leben? Gleichwohl, sagt sie, noch 4 oder 5 Jahr. Ei, du alter Zabulon, daß dich der – wegen 4 oder 5 müheseliger, arbeit-voller und drangseliger Jahre wirfst du so viel weg; und das ewige Leben zu gewinnen gibst nit einen Heller den Armen! daß dir der Geiz-Teufel schneuz, du geschmierter Kehraus! thust du den besten Schatz, Silber und Gold hinweg werfen, damit du noch wenig Jahr lebest, da doch solches zeitliche Leben schier kein Leben zu nennen! warum sollst du, du und er, er und mehr also karg seyn, und nicht etwas, will nicht begehren das beste, hinweg werfen in die Schoß und Hand der Armen, damit du ewig lebest, ewig lebest? o Gott! Dessen bist du vergwißt, wann du der Armen nicht vergißt! – Nun hui Alte, dreh dich wohl herum und tanz eins, wie dir der David mit der Harpfe aufspielt: Beatus, qui intelligit super egenum![82] »selig, der sich der Armen annimmt!« Allo, hurtig, meine alte Henn', sonst lehrt dich der Fuchs tanzen!

Aus dem uralten Fuchsischen Stamm-Haus war ein Graf, welcher der Freigebigkeit also zugethan, daß er seine meiste Habschaft unter die Leut ausgetheilt. Als solcher einest von Catalonia nach Haus kehrte, ist er dergestalten unterwegs von den Leuten geplagt worden, daß er Alles, was er bei sich hatte, hinweg geben, außer dem Maulthier, auf dem der Alte hergeritten. Indem aber einer so gar auch die Sporn – weil sonst nichts mehr übrig – inständig verlangt, ist der liebste Herr alsobald da, streckt den Fuß von sich, und biet' ihm den verlangten Sporn dar, bitt' aber anbei, daß ihn einer, um richtige Bezahlung, möchte treiben bis nach seiner Herrschaft Fuchs, weil er je der Sporn Hülf mußt entbehren.

Wer klopft? Ein Bettler. Es ist nichts da! Ist nichts da? du haltest solche Mahlzeiten, worbei der Vitellius selbst konnte verlieb nehmen, von dem doch glaubwürdig ausgesprengt wird, daß er ganze Richten von Vögel-Hirn, ganze Schüßlen von indianischen Spatzen-Zungen, ganze Trachten von asiatischen Fischrogen hab lassen aufsetzen; und nachdem er gnug die Wampe wie einen Wander-Ranzen angefüllt, hab er mit dem Finger dem Magen die Wiedergab anbefohlen, und eine Staffete nach Speier geschickt, damit er nachmals wieder fressen möge. – Antonius Geta soll, wie man schreibt, alle Mahlzeit die[83] Speisen nach dem ABC lassen auftragen, benanntlich beim A – Andten, A – Austern, A – Aalen etc., und also fortan nach allen Buchstaben, worunter doch das S der beste war. Deine kostbaren Mahlzeiten bishero seynd nit viel minder gewest; dann man hält es dermalen schon für säuisch, wann man etwas Kälbernes auf die Tafel bringet, da doch der Patriarch Abraham die Engel nit anderst tractirt. Anjetzo taugt das gebratene Kitzl des großen Isaaks nur auf eine Bauern-Hochzeit; der Zeiten nennt mans nur ein saubers Tractament, wann es wild hergeht: wo nemlich allerlei Feder-Wildpret die Tafel spicken, und schnadert man nicht lieber, als bei gebratenen Hagelgänsen, Trappgänsen, Löffelgänsen, Schneegänsen, Meergänsen, Kropfgänsen etc. Gott vermeinte, er habe weiß nit wie herrlich die Israeliten gehalten, als er eine Menge der Wachtlen diesen murrerischen Galgen-Vöglen zugeschickt; aber dermalen ist deine Tafel weit darüber, und haltest du es für einen Quatember-Tisch, wann dir nit die gebratenen Distelfinken, Flachsfinken, Kirschfinken, Buchfinken ins Maul fliegen – NB. warum nit auch Mistfinken? man tragt in einer solchen Menge bei dir auf, daß auch jener türkische Kommandant Scanderbeg zu Possega, welcher alle Tag einen gebratenen Hammel oder Kastraun verzehrt, mit einer Schüssel sich könnt' betragen.

Wer klopft? Ein Bettler. Es ist nichts da! Ist nichts da? deine Kästen hangen voller Kleider, und[84] ist gleichsam des Teufels seine Garderobe. Der Samson hat seine Füchs gar genau gezählt, es ist eine große Frag, ob du deine Pelz kannst zählen; der Zwiebel hat viel Deckmäntel, aber du weit mehrere; der Krummschnabel verändert seine Federn alle Jahr zweimal, du aber schier alle Tag; und schleicht keine Woche hin, wo nicht neue Modi-Kleider und Nodi-Kleider ins Haus kommen. Da heißt es wohl: non est modus in rebus; deine Finger klecken nit für die Zahl deiner Kleider: ein Hauskleid, ein Reis'kleid, ein Sommerkleid, ein Winterkleid, ein Frühlingskleid, ein Herbstkleid, ein Kirchenkleid, ein Rathkleid, ein Hochzeitkleid, ein Gallakleid, ein Klagkleid, ein Feiertagskleid, ein Werktagkleid, ein Oberkleid, ein Unterkleid, ein Wetterkleid, eine Strapazierkleid, ein Spanierkleid, – holla, auch ein Narrnkleid für die Faßnacht etc.! Elias hat mit einem Mantel nit können in den Himmel fahren, wo wirst du mit so viel Kleidern hin? Des reichen Prassers sein Purpurkleid wird dermalen ausgelacht; dann es müssen weit mehrere und neuere Farben auf die Bahn kommen, und muß sich die Seide auf Vertumni-Art in alle Gestalten schicken. Hoch-indianisch Zorn-Leibfarb das ist eine fremde Farb, cyprianisch Tauben-Halsfarb das ist eine neue Farb, arabischer Cypressen-Rinden-Haarfarb das ist eine rare Farb, elsassische Rubenschalen halb Aurora-Farb das[85] ist eine angenehme Farb, lucernischer Hosenfalten-Dunkelfarb das ist eine theure Farb: der schöne Regenbogen selbst ist nit so vielfärbig, wie der Zeit die Kleider.

Jenes Weib im Evangelio hat ihr Heil an dem Saum der Kleider Christi gesucht und gefunden; der Zeit find't man das größte Unheil an dem Saum der Christen-Kleider, wo nemlich die theuren Spitz manchem sein Seelenheil auf eine Spitz setzen, ja gar ins ewige Verderben bringen. Glaubt mir, die Sünd hat im Paradies bei der Rose die Spitz aufgebracht; aber glaubt beinebens, der Teufel habe bei der Rosina, Rosalia, Rosimunda die Spitz erdacht! Ihr lacht mich aus, meine Weiber, und spöttlet, als hätte man diese meine Schreibfeder einem Gimpel ausgerupft; aber ich will dazumal auch nit Abraham, sondern Isaak, id est Risus, seyn, wann euch Gott wird vorrupfen die theuren Perl-Ketten um euren Hals, wormit ihr so viel arme Leut hättet können erhalten, wann euch Gott wird vorwerfen die kostbaren Geschmuck und Edelgestein, mit welchen ihr steinreiche Leut so manchem blutarmen Menschen hättet können zu Hilf kommen, wann euch Gott in das Gesicht wird sagen, daß eure Kleider in Kasten verschimmlet, verfault, wie bei dem König Sedecias, und von Schaben durchbort worden; unterdessen hab er[86] müssen auf der Gasse halb nackend daher gehen. Wie wird es euch heiklichen Creaturen ankommen, wann ihr vor der gesammten Welt müßt anhören: ite maledicti, »gehet hin in das ewige Feuer, dann ich bin nackend und bloß gewesen, und ihr habt mich nit bekleid't!?«

Wer klopft? Ein Bettler. Es ist nichts da! Ist nichts da? sagst du. Pharao ist samt den Seinigen im rothen Meer ertrunken, du thust dich alle Wochen öfter als einmal im Wein volltrinken; Noe hat nur einmal, und zwar unvorsetzlicher Weis', einen Rausch gehabt, du aber alle Tag; der Loth hat einmal, so viel man weiß, einen Haupt-Zinnober gesoffen, du weit ärger; die meisten Soldaten des Gedeon haben sich auf die Wampe gelegt, und nach Genügen Wasser getrunken, du haltest für allemal deinen Bauch für einen Bachum, dessen Unterbett ein Weinfaß: ist also, bei dir allzeit das Wörtel Sitis, welches hinter sich und für sich gleich gelesen wird. Du bist nit besser, als jener Weinschlauch, welcher sich also mit Oktober-Saft überhäuft, daß er bei nächtlicher Weil per indirectum daher gestolpert, bis er bei einem Haus, um weil das obere Gewicht zu schwer, zu Boden gefallen, und also auf dem Rucken mit gähnendem Maul liegen geblieben, wohl ein offner Sünder, und weil dazumalen die Dachtropfen in das aufgesperrte Orificium und offne Freßgewölb eingerunnen, hat der überweinte Phantast nit anderst vermeint, als schütt ihm sein Sauf-Kammerad[87] den Wein ein, wessenthalben er mit lalletzter Zung aufgeschrien: nit, nit, mein Bluder, sey kein Mnarr, ich ab schon gndug zoffen! O Bestia!

In dem Evangelio steht zwar, und mit fester Wahrheit, daß einer einen Sohn habe erzogen, welcher vom bösen Feind also mondsichtig gemacht worden, daß er bisweilen ins Feuer und öfter sich ins Wasser gestürzt: diesen hat unser Herr ex pleno curirt. O mein Gott, mancher hat weit einen gefährlichern Zustand! vom Wasser zwar hat er wenig Gefahr, aber im Wein ersauft, ersauft er gewiß und wahr; in seinem Brevier ist niemalen de Feria, und wann schon auf allen Seiten die Sonne scheint, so ist bei ihm naß Wetter. Ein kellnerischer, und nit ein köllnerischer Poet macht diesen ungereimten Reim: ede, bibe, lude, in festo Simonis et Judae; aber bei manchem trifft das Liedl nit zu, weil fast alle Tag, oder wenigist öfter in der Woche, er sein Lager zu Kandlberg aufschlägt. Wann solcher vermittlst eines höflichen Ladschreibens auch zu Cana in Galiläa als ein Gast wäre auf der Hochzeit gewest, so hätte wohl zeitlicher, als dazumalen geschehen, der Wein die Schwindsucht bekommen. Wie oft ist bei dir das Saufen, daß dir die Haar geschwellen, wie die halbjährigen Binsenstauden! wie oft ist bei dir das Saufen, daß deine Nase hersieht, als wär sie vom Zimmermann mit Röthel[88] gemessen worden! wie oft ist bei dir das Saufen, daß deine Augen gleich seynd einem Paar alten angeloffenen Brillen eines 70jährigen Nadelmachers! wie oft ist bei dir das Saufen, daß dein Gesicht eine Copei scheint eines preußischen Leders, jedoch in schlechtem Preis. Wann sollt von einem Lamml eine Sau geworfen werden, wäre es ein solches Wunder, daß man es in öffentlichen Schriften und Büchern lautbar allenthalben machen thät? unterdessen ists nichts Neues, daß du dich beim weißen Lammel also anpleperst, daß du von dannen nit anderst kommst als eine Sau, sauvoll, nit viel besser, als jener Bebrius ebrius, der wegen übermäßigen Weinsaufens im Koth gelegen, und beinebens aus dem Saumagen solches Spott Confect feil boten, daß hierzu niemand, als geriselte und geberste Kaufer sich eingefunden, und als eine dergleichen Mäst-Sau zu hart um das Maul verfahren, also ist dem Sau-Narren eingefallen, er sey unter den Händen des Barbierers, derenthalben überlaut aufgeschrien: Meister Siegmund, gemach, gemach, und machts fein sauber! O Sau-bär! Zum übermäßigen Saufen ist genug da, und für die Armen ist nichts da? Holla! du bist nit besser als der reiche Prasser, welcher auch im Saufen und Brausen des armen Lazari vergessen; dein Grab wird also seyn in der Höll, mein Gesell, ite in ignem aeternum!

Es ist nichts da! Ist nichts da? sagst du. Was kosten dich deine unverschämten und ungezähmten[89] Buhlschaften allenthalben? sag her! Der verlorne Sohn, dieses liederliche Bürschl, hat mit dergleichen Geflügelwerk das Seinige dergestalten anworden, daß er nachmals das Brod nicht mehr zu beißen hatte, um weil er dem Fleisch zu viel nachsetzte; dann post diem Veneris kommt gemeiniglich der Sabbath oder Feierabend in den Geldbeutel. Die schlimmen und gewissenlosen Brüder haben ihren Bruder Joseph in eine alte Cistern geworfen. Da ist wohl dem Alt-Vater Jacob seine Hoffnung in den Brunn gefallen. Nachgehends aber hat sie der Geldgeiz angefochten; dann sie ihren Bruder ums Geld den Ismaelitern verkauft, und zu Verblümlung ihrer Unthat haben sie des Josephs langen Rock in ein Bocksblut eingedunkt, »in sanguine hoedi,« und dem Vater also überbracht.

Der alte Hans beim untern Wasserthor hat 3 Kinder, denen er kümmerlich Brod schaffen kann; dann sein ganzes Gewerb bestehet in dem, daß er Käfich und Vogel-Häusel machet, auch die gelben Steften und hölzernen Nägel für etliche Schuhmacher spitzet, möcht seyn, daß ihm ins künftige auch das Besenbinden von hoher Obrigkeit verwilliget wurde: ist also sein Einkommens sehr klein und gering. Gleichwohl seine größere Tochter zieht daher, als wie eine halb-nobilirte Jungfrau; sie tragt einen stattlichen rothtopinen Rock, anbei ein seidenes neckerfarbes Mieder. Woher dieß, willst es wissen? Bei diesem Rock ist ein Bocksblut;[90] du, geiler Bock, bist Fundator über diese rothe, aber nit schamhafte Mistkrippe. Joseph hat seinen Mantel gelassen in den Händen einer etc., jedoch mit seinem Nutzen; du mußt dieser und dieser wohl öfter ein Kleid in die Händ werfen, aber mit deinem Schaden! Die h. Schrift sagt: das erste Weib sey aus einer Rippe, so auf lateinisch Costa heißt, formirt: das mußt du glauben; daß aber bei schamlosen Weibern auch eine Costa oder Kosten sey, das will ich auch glauben. Was kosten dich die schönen Zeug? was kosten dich die schönen kostbaren Spitz? was kosten dich die stattlichen Bänder? was kosten dich die schmeckenden Handschuh? was kosten dich die Neue Jahr? die Oster-Eier? was kosten dich die hoch- und wohl-tugendsame Sc. Kuplerinnen? Rath, raith und red'!

Das Götzenbild Dagon, welches halben Theils Fräule, halben Theils Fisch war, haben die Philistäer auf alle Massen verehrt, auf die Knie niedergefallen, die Händ aufgehebt; aber das war noch nit genug, sie haben müssen opfern auch. Diese und jene, welche nicht halben Theil eine Jungfrau, sondern mit Ehren zu melden, eine ganze H, complimentirest du wie ein Götzenbild; dein Aufwarten muß emsiger seyn, als des Jacobs um die Rachel; aber das nit allein, es muß das Opfer auch darbei seyn, dann solche Fratzen kosten Batzen, solche Zaschen leeren die Taschen, solche Goschen[91] wollen Groschen, solche Bilder kosten Silber, solche Waar will Denar, solche Kittel brauchen Mittel. Dem Salomon werden seine 700 Weiber und 300 Cocubinen was kost haben, er war aber reich; dir gehet auch ein Ziemliches auf wegen solcher Aaas, und ist nichts da für die Armen? dem Buhl-Teufel Asmodäo gibst du, deinem wahren Heiland Jesu versagst du? Ito maledicte, gehe hin, du Verdammter!

Es ist nichts da! Ist nichts da? Sehe ich doch eine ganze Roß-Procession aus deinem Stall her vor treten, deren meiste scheinen, als wären sie dem berühmten Klepper Bucephalo, als des großen Alexanders wehrtisten Reitpferd, befreund't, welchem er zu Ehren und ewiger Gedächtnuß gar eine Stadt erbaut, und selbige nach solchem Roß-Namen genennet; die mehresten dieser deiner Pferd seynd unmuthig, und wird nit ein geringer Unkosten auf dero Unterhalt angewendt. Ich sehe eine solche Menge Hund, Wasserhund, Spür-Hund, Jagdhund, Pudelhund, Suchhund, Dachshund etc., daß einem möcht einfallen, Actäon habe bei dir einlogirt. Ich sehe possierliche Affen, spielende Meerkatzen, geschwätzige Papagei, lächerliche Fabian, indianische Raben im Fenster herum steigen; es schwörte einer, diese Behausung wäre eine Copei von der Arche Noe. Alle diese werden ernährt, gespeist, geätzt, gemäst, versehen, versorgt mit Speisen, und der arme Mensch leidet[92] Hunger, – der Arme, welcher Christi Person vertritt, hat nichts zu zehren, der Arme, welcher nach dem Ebenbild Gottes erschaffen, wird nit unterhalten.

Jener, obschon lasterhafte, Sardanapalus zu Ninive auf die ernsthafte Predigt des Propheten Jonä läßt unverzüglich ein öffentliches Edict ausgehen, es solle Vieh und Menschen fasten: »homines et jumenta non gustent quicquam!« Warum aber das Vieh? sollen dann Ochs und Esel auch können gute Werk üben? Nicht derenthalben, sondern Sardanapalus hielt es für ungereimt, wann die Menschen sollen fasten, und das Vieh, welches weit minder und weniger ist, soll essen.

Aber in deinem Haus, in deinem Pallast heißt es: die Thier sollen essen, und die Menschen fasten; dann Pferd und anders Vieh wird sorgfältigst gefüttert, und die armen Leut, bedrängte Bettler, elende Menschen aus Mangl der Lebens-Mittel müssen fasten. So ist dann der ninivitische Sardanapalus und lasterhafte König noch besser als du, als der, als die!

Wie oft hört man auch das gemeine Liedl: Schwester, wo fahrst du heut hin? heut ist die Gesellschaft bei dem von Foppenberg, morgen, wie ich hör', solls seyn bei dem von Lusthausen, übermorgen wird die von Scherzthal eine Merenda halten, und darbei auch ein Spiel auf meinen Säckel. Eine Zeit her hat mir das Glück nit favorisirt, ich vermein, ich sey mit[93] dem Rucken gegen dem Mondschein gesessen; aber ich wag's heut wieder, mein Herr muß sich doch in nächster Kindbett wieder mit 100 Dukaten einstellen. So, so, nit anderst, si, si, auf solche Weis' kost' die papierne Recreation ein ehrliches. Es ist mir bei meinem Gewissen bekannt, daß eine Kammer-Jungfrau nur in einem Jahr in die 64 fl. um die Karten ausgeben, dergleichen Spielanetl zu contentiren. Dem Absalon hat ein Eichbaum bei seinen goldgelben Haaren ertappt; einer manchen Dama Gold und Silber er wischt öfter der Eichelbub, sonst cum pleno titulo Pamphili genannt. Sagt nun mehr, es sey nichts da; wisset und merkts fein wohl: das Geld, welches ihr ein Jahr durch so liederlich durch das Spiel verschwend't, ist fast so viel als den Armen gestohlen. Das ist zwar grob gesagt, aber doch wahr gesagt. Derjenige h. Lehrer, welcher in der Wüste mit einem Kieselstein so stark auf die Brust geschlagen, versetzt euch auch ein Gutes auf das Herz, wann's Fischbein nicht aufhält, indem er spricht: Non sunt tua, quae possides, sed dispensatio tibi credita est. Was du über deinen Stand und Nothdurft besitzest, gehört dir nicht zu, kannst derenthalben mit demselben nit schaffen nach deinem Willen und Wohlgefallen, sondern Gott hat es dir anvertraut, damit du es den Armen sollst mittheilen![94]

O was Anzahl der Menschen wird derentwegen jenen erschrecklichen Bescheid und Abfertigung am Tag des Zorns von dem gerechten göttlichen Richter, in Beiseyn aller Auserwählten und englischen Heerschaaren, bekommen: Ite, gehet hin! o Wort entsetzlicher als ein Donnerkeil! ite, gehet hin! o Wort, darob alle Gliedmassen erzittern! ite, gehet hin! o Wort, woran auch der feste Erdboden erbebet! gehet hin ins ewige Feuer, ewige, ewige; dann ich bin hungerig gewest, ihr habt mich nicht gespeist, da doch mehrmal der Ueberfluß auf eurer Tafel stunde; ich bin durstig gewest, ihr habt mich nicht getränkt, indem doch öfters der überflüssige Wein in allerlei Farben eure Credenzen überschwemmt; ich bin nackend gewest, ihr habt mich nit bekleid't, da doch eure Kleider dem Schaben zu einer Beut worden; ich bin bedürftig gewesen, ihr habt mir nichts dargestreckt, da unterdessen eure Spieltisch, Spielbeutel, Spielkasten das Meinige verzehrt; gehet hin, ite!

O Pater, dieser Herr betet so emsig, daß ihm das Maul staubet; diese Frau gehet niemal aus der Kirche, es sey dann, sie habe bei einem jeden Altar eine Meß gehört; sie ist in allen Bruderschaften einverleibt, und hangen so viel Täferl um ihr Bett, als zu Zell in Steiermark, oder zu Alten-Oetting in Bayren; diese Dama nimmt einen ganzen Sack voll Bücher in die Kirche, daß es auch einem Müllner-Esel zu tragen schwer fallte; kein h. Ablaß ist nie, welchen sie nit mit Innbrunst empfanget: wohl fromme Leut alle beide; allein etwas kargs seynd sie, und da ein armer Bettler um etwas anhaltet, so ist [95] nichts da. Auch diese, obschon deiner Meinung nach Heiligmäßigen, auch diese werden Kinder seyn des Verderbens, werden samt andern in den Abgrund der Höll steigen, werden von Jesu Christo verstoßen werden, weil es auch den fünf Jungfrauen keinen Nutzen gebracht, da sie mit der Lilie der Jungfrauschaft geprangt, entgegen aber das Oel der Barmherzigkeit gemanglet. Es lassen sich die Wort des h. Iacobi nit anderst auslegen, als wie sie lauten: Es wird ein Gericht ohne Barmherzigkeit über den ergehen, der nit Barmherzigkeit geübt hat: seynd also alle andere guten Werk ohne die Barmherzigkeit, wie ein Leib ohne Herz, wie ein Herz ohne Leben.

Der h. Castor am Ufer des großen Fluß Mosel bittet die Schiffleut um ein wenig Salz, indem ein ganzes mit Salz beladenes Schiff am Gestade stunde; weil sie ihm aber solches geweigert, ist das ganze Schiff zu Grund gangen. Die Straf gehet noch hin.

Der h. Senanus bittet bei einem fürstlichen Geschloß um ein kleines Mittagmahl; weil ihm aber die ungeschlachten Bedienten solches rund abgeschlagen, dahero seynd alle Speisen bei der fürstlichen Tafel augenblicklich verfault, und der Wein in ein stinkendes Pfitzenwasser verkehrt worden.

Von dem bekannten Edelmann in Schwaben, Namens Richberger, begehrten die armen Leut bei großer Hungersnoth um ihr baares Geld ein Treid; welche er aber unbarmherzig abgewiesen, der Hoffnung, das Treid soll noch in höhern Werth steigen. Es hat aber der gerechte Gott allerlei schwarze[96] Ochsen (vermuthlich seynd es Teufel gewest) in den Stall geschickt, die das Treid gänzlich verzehrt, worvon der reiche Tyrann in eine Unsinnigkeit gerathen.

Ein gesparsamer Normanier verbürgt das Treid bei harter Theurung, der Meinung, er möcht es noch besser anwehren; hat aber erfahren, daß eine unzahlbare Menge der Mäus nicht allein den Treidboden, sondern seine selbst eigene Person ganz ungestümm angefallen, jämmerlich zerbissen, bis er sich durch ein Gelübd zu der Mutter Gottes errettet hat. Auch diese Rach gehet noch hin.

Der geizige Bischof Walterus hat gedulden müssen, daß sein ganzer Treidkasten mit Krotten und Schlangen angefüllt worden, um weil er den Armen nit ist beigesprungen. Diese Straf ist noch nit die größte.

Zu Leiden in der St. Peters Kirche zeiget man noch ein Brod, welches zu Stein worden, aus Ursachen, weil eine Schwester der andern armen solches abgeschlagen.

Aber laßt euch doch das Ite in ignem aeternum, »Gehet hin in das ewige Feuer!« schrecken. Ein Crucifix löset beide Arm vom Kreuz, und stopft die Ohren zu, als man ein Seel-Amt gehalten für einen Reichen, welcher auch in Gewohnheit hatte, die Ohren zuzuhalten, wann die armen Leut um ein Almosen geschrien. Das ist erschrecklich.

Zu Lucca in Welschland ist der Teufel in einem Franciscaner-Habit, als wäre er ein Sammler desselbigen Convents, alle Tag, 2 Jahr lang, in der Stadt herum gangen, bei allen Thüren das Almosen gesucht;[97] absonderlich hat er bei einem reichen und wohlhabenden Kaufmann täglich angeklopft, jedoch niemalen etwas, gleich andern Bettlern, erhalten, dannoch ihm die tägliche Lehr hinterlassen, er solle sich bessern; weil aber solches, durch gerechtes Urthl Gottes, niemal geschehen, also hat er ihn nach vollend'ten zwei Jahren samt Leib und Seel in den höllischen Abgrund gezogen. Das, das laß dich schrecken!

Dem reichen Prasser wird sonst kein Laster noch große Missethat von göttlicher Schrift zugemessen, außer daß er des armen Lazari vor der Thür vergessen; dessenthalben ist er in der Höll begraben worden.

Christus Jesus am jüngsten Tag verspricht, und bei seiner göttlichen Parola verheißt er, daß er am jüngsten Tag allein die Werk der Barmherzigkeit wolle auf die Bahn bringen, und selbige belohnen, – von andern guten Werken geschieht weiter keine Meldung; entgegen aber drohet er anbei, daß er nur derentwegen viel tausend und hundert tausend werde ewig verwerfen, um weil solche unbarmherzig gewest gegen die Armen. So laßt euch dann trösten, ihr Barmherzigen des erfreulichen Venite, Kommet her! und laßt euch erschrecken, ihr Unbarmherzigen, das entsetzliche Ite, Gehet hin!

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 3, S. 0,98.
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