Zeit und Ewigkeit

[34] Zur Stunde düstrer Mitternacht/

Wenn alles schläfft/ mein Auge wacht/

Erweg' ich/ wie die Zeit wegeilt/

Die unser kurtzes Leben theilt.


Ein Tag ist lang/ wenn Schmertz und Noth

Wird unser hartes Wochen-Brod:

Wie schwer die Angst und Arbeit sey/

Geht Woch und Tag doch bald fürbey.


In Monat theilet sich das Jahr/

Doch wird man unverhofft gewahr/

Wie dieser kömmt und jener weicht/

Biß Jahr und Leben mit verstreicht.


Trau/ Seele/ keiner Stunde nicht!

Du weist nicht/ wenn das Leben bricht/

Und nimmst doch durch die kurtze Zeit

Den Weg zur langen Ewigkeit.[34]


Ein Tag hat sein geseztes Ziel/

Das ihm die Sonne gönnen will/

Wer aber mißt den langen Tag

Der keinen Abend finden mag?


Wir schreiben nach des Monden Lauff

Die Zahl der Jahres-Wochen auff;

Wer ist der uns zu rechnen weiß

Der Woch ohn Ende rundten Kreiß?


Jedweder Monat hat den Schluß/

Damit er sich verlieren muß:

Der Monat/ der nicht wechseln kan/

Fängt immerdar von neuem an.


Kein Jahr taurt über seine Frist/

Wenn sich der zwölffte Monden schlüst/

Wenn aber kömmt das Jahr zum Schluß/

Das alle Jahre schlüssen muß?


Es ist der Erden Weite kund/

Man find des Meeres tieffen Grund/

Wer weiß diß zu beschreiben/ rath/

Was weder Ziel noch Anfang hat.


In tieffster Berge finstrer Schoß

Giebt sich Crystall und Silber bloß:

Vernunfft forscht nicht mit Fürwitz aus

Der Ewigkeit veborgnes Hauß.


Trau/ Seele/ dieser Närrin nicht/

Wenn sie dir hier viel Zeit verspricht/

Der Weg ist kurtz durch diese Zeit/

Und führt zur langen Ewigkeit.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 2, S. 34-35.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Schau-Platz der Betrieger. Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln

Schau-Platz der Betrieger. Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln

Ohnerachtet Schande und Laster an ihnen selber verächtlich / findet man doch sehr viel Menschen von so gar ungebundener Unarth / daß sie denenselben offenbar obliegen / und sich deren als einer sonderbahre Tugend rühmen: Wer seinem Nächsten durch List etwas abzwacken kan / den preisen sie / als einen listig-klugen Menschen / und dahero ist der unverschämte Diebstahl / überlistige und lose Räncke / ja gar Meuchelmord und andere grobe Laster im solchem Uberfluß eingerissen / daß man nicht Gefängnüsse genug vor solche Leute haben mag.

310 Seiten, 17.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon