Die Anklage

[122] Diese jungen Mädchen, die äußerlich dem P.A.-Ideale entsprechen,

und sonst auch noch dazu, von Schicksals Gnade,[122] sanftmütig-ergeben-anspruchslos zu sein scheinen ihrem eigenen Schicksale gegenüber,

(man lebt ja doch nicht ewig, und Alles hat einmal Gott sei Dank sein Ende)

diese von dummen eifersüchtigen verantwortungslos beschränkten Knaben-Männern

verhinderten Mädchen tragen allein ihre

Lebens-Schuld, statt des modernen

höchst uneleganten Sokrates »γνωϑι σεαυτὸν« (erkenne Dich selbst!) Wahlspruch zu lauschen

ihren eigenen inneren leeren Untergang bei den

sie angeblich verstehenden Jünglingen

zu suchen, weil sie, ihres eigenen Unwertes

sich dennoch tiefst bewußt,

sich an Jenen anklammern, Ertrinkende im reißen den tückischen Strome ihres eigenen Lebens,

der ihre Nichtigkeit mit seiner eigenen Nichtigkeit

beschützt! Liebevoll scheinbar, nein, nur blöd!

Als du mir sagtest, 17jährige, A. Pt.,

du habest genug, für ein ganzes Leben,

ja mehr als genug,

mit deinen Berg-Almen, den Büchern P.A.'s, und Beethoven, Schubert, Hugo Wolf,

da wußte ich es, Erkenner dieses grauenhaft verlogenen Lebens,

daß kein Mann (Mann?!?) dieser verblödeten Welt

Dir deine eigene Seele, zu deinem

eigenen Untergange, entreißen werde können je!

Mögen die Anderen, Schwachsinnige, ertrinken im für sie unenträtselbaren bequemen Labyrinthe »Leben«!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 122-123.
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