Sie begehrt ihn mit tausend Herzen zu lieben

[177] 1

Dein eigne Liebe zwinget mich,

Mein Jesu, hoch zu lieben dich.

Ich flamm und brenn allein nach dir

Mit unaussprechlicher Begier.

O du herzgeliebter Gott,

Wenn mir tausend Herzen blieben,

Wollt ich dich mit allen lieben!


2

Ich weiß von keinem andern Schatz

Auf Himmels und der Erden Platz.

Ich habe dich allein erkorn,

Dich, der du mir bist Mensch geborn.

O du herzgeliebter Gott,

Wenn mir tausend Herzen blieben,

Wollt ich dich mit allen lieben!


3

Du hast aus Liebe Knechtsgestalt

An dich genommen mannigfalt.

Aus Liebe hast du in der Zeit

Dich in ein Lämmelein verkleidt.

O du herzgeliebter Gott,

Wenn mir tausend Herzen blieben,

Wollt ich dich mit allen lieben!


4

Du hast gelitten alle Pein,

Die über mich sollt ewig sein.

Du hast getragen all mein Joch,

Und was noch mehr, du trägst es noch.

O du herzgeliebter Gott,

Wenn mir tausend Herzen blieben,

Wollt ich dich mit allen lieben!
[178]

5

Du gibest dich für mich in Tod,

Du opferst dich dem zorngen Gott.

Du speisest mich, o höchstes Gut,

Mit deinem Leib und deinem Blut.

O du herzgeliebter Gott,

Wenn mir tausend Herzen blieben,

Wollt ich dich mit allen lieben!


6

Du machst mein Herz voll Süßigkeit,

Voll ewigs Leben, voller Freud.

Ach, daß ich nicht ganz feurig bin

Und dich mehr lieb als Seraphin!

Denn, o herzgeliebter Gott,

Wenn mir tausend Herzen blieben,

Wollt ich dich mit allen lieben!


Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 177-179.
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