[Warumb betrübstu mich / der dich so hertzlich liebet]

1.


Warumb betrübstu mich / der dich so hertzlich liebet

Und so viel seuffzer dir zum treuen opffer giebet?

Ich dacht / es zeigte licht in deinen augen sich /

Jetzt find' ich flecken drein / warum betrübstu mich?


2.


Die vormals treue hand / die ich so offt gedrücket /

Befind ich nicht mehr treu / sie hat mich nur berücket;

Auch frembden fingern ist ihr kützel schon bekandt /

Sie drückt mich nicht allein die vormals treue hand.


3.


Die schöne liljen-brust voll lieblicher narcissen /

Mit rosen auffgespitzt / die ich nur pflag zu küssen /

Hegt frembden lippen nun auch blumen süsser lust /

Warum ist sie so falsch die schöne liljen-brust?[83]


4.


Die quelle meiner lust / ob sie noch rein verschlossen

Und nicht auch frembde saat mit ihrem thau begossen?

O nein! verstreustu schon die liljen deiner brust /

Bleibt auch die scohoß nicht rein / die quelle meiner lust.


5.


Der mund ist etwas treu; doch wills nur also scheinen

Indem er kräfftig denckt die fehler zu verneinen;

Doch nein / ich glaub es nicht / bring mir nicht unschuld bey /

Aug / hand / brust / schooß sind falsch / der mund ist etwas treu.


6.


Mein hertz bezwinge dich / dasselbe zu verlassen /

Was du so hertzlich liebst / die untreu muß man hassen.

Krönt dich / Melinde / nur dergleichen treu / wie mich

Ich ließ dich nimmermehr; mein hertz bezwinge dich.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte zweiter Teil, Tübingen 1961, S. 66-67,83-84.
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