Die fünfte Elegie des ersten Buchs aus dem Ovid von der Liebe.

Freie Übersetzung.

[94] Auf weiche Kissen gestreckt – erschöpft von drückender Hitze,

Sucht' ich erquickende Ruh' – Sol lenkte mit goldenen Zügeln

Ueber die Häupter dahin die muthig schäumenden Rosse –

Schwacher Schimmer des Lichts drang durch das halboffene Fenster

Kaum bis zu mir – mein Lager umfloß ein heiliges Dunkel[94]

Sanft und mild, und ähnlich dem Dunkel in schattichten Hainen –

Gleich der Dämmerung Schein, dem Glanze des fliehenden Phöbus,

Wenn er im Ocean sinkt, der süßesten Ruhe zu pflegen –

Gleich dem wonnigen Licht, das Aurorens rosige Finger,

Klarheit und Helle verkündend, über die Erde verbreitet –

Dieses Dunkel – es birgt des Mädchens erröthende Wange,

Wenn die jungfräuliche Scham das große Opfer dem Jüngling

Zitternd, willig doch, bringt – d'rum sucht's jedes liebende Mädchen –

Siehe, Corinna erschien, im leichtgeschürzeten Röckchen,

Kunstlos umwallte das Haar den alabasternen Busen –

Also bestieg das Bett die schöne Semiramis, also,[95]

Wie das Gerücht uns lehrt, die von Buhlern umgebene Lais –

Zwar das dünne Gewand entzog dem lüsternen Auge

Nicht der Reize zu viel, d'rum riß ich das flatternde Röckchen

Ihr noch herab – sie stritt, doch war ihr Streiten vergebens,

Denn sie sträubte sich nur zum Schein und wollte besiegt sein,

Und so ward sie gar leicht überwunden durch eignes Verschulden –

Ha! wie verschlang mein Blick die ganz entblösete Schönheit!

So vollkommen gebaut war nie ein weiblicher Körper,

Nicht der mindeste Fehl beschimpfte die göttlichen Reize –

Ich sah den schönsten Arm, berührte die blendende Schulter,

Busenhügel so sanft, geformt zum Drucke der Liebe,[96]

Unter der knappen Brust des Leibes prachtvolle Eb'ne,

Die sich Cypria's Sohn zu seinem Schlachtfeld erwählet,

Hüften, so schlank, so zart und jugendlich kraftvolle Schenkel –

Doch die Schönheiten all' – wer könnte sie würdig besingen?

Jede verdiente mein Lob, Anbetung forderte jede,

Und ich versagte sie nicht – umschlang das nackende Mädchen,

Drückte sie fest an mich, berauscht von Wonne der Liebe –

Wer räth das Uebrige nicht? Ermüdet vom süßesten Kampfe

Ruhten wir beide dann aus, um neuen Kampf zu beginnen.

Götter! gewährt mir noch oft den Genuß so fröhlicher Stunden!


***.[97]

Quelle:
Nuditäten oder Fantasien auf der Venus-Geige. Padua [o. J.], S. 94-98.
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