Der Mittag.

[105] Die Mittagsstunde schlug: matt von der Schwüle

Streckt' ich zur Ruhe mich auf meine Pfühle:

Durch's halbverhüllte Fenster kam ein Licht,

Gleich dem, das zweifelhaft durch Haine bricht,

Gleich dem, das dämmernd glimmt, wenn Phöbus sinket,

Und morgens zwischen Nacht und Tage blinket.

Dies Halblicht taugt für Mädchensittsamkeit;

Die Scham, hier kühner, wünschet Dunkelheit,

Sieh', Lina kommt mit aufgeschürztem Kleide,

Den Hals umflattern Locken, fein wie Seide.

So ging in's Wonnebett Semiramis,

So Lais, die sich gern erbitten ließ.

Ich riß, obwohl's zu dünn war zum Verstecken,

Das Kleid ihr weg, doch rang sie, sich zu decken,[105]

Mit ihrem Kleid, und ward nach süßem Zwang,

Indem sie nur als eine solche rang,

Die selbst dem Feind nicht ungern unterlieget,

Durch eigene Verrätherei besieget,

Nackt stand sie nun wie die dem Meeresschooß

Entstieg'ne Venus, glänzend, makellos.

O Anblick, mich zu einem Gott erhebend!

Welch eine Brust! wie voll, wie fest, wie strebend!

Wie rund die Hüften! welche Symmetrie

Der Schenkel! und wie reizend paßt an die

Ein Hügel, der kaum merkbar sich erhoben!

O alles, was ich sah, war hoch zu loben!

Nun da mein Arm sich um die Nackte flicht,

Beginn' ich ... aber still! das singt man nicht.

Wir ruhten müde von dem süßen Spiele;

O solcher Mittag', Amor! gib mir viele!


[Johann Baptist] von Alxinger.[106]

Quelle:
Nuditäten oder Fantasien auf der Venus-Geige. Padua [o. J.], S. 105-107.
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