IV.

[139] König Helgi war ein allgewaltiger Kriegsmann. Er kam zu König Eilimi und bat um Swawa, dessen Tochter. Helgi und Swawa verlobten sich und liebten sich wundersehr. Swawa war daheim bei ihrem Vater, aber Helgi im Heerzug. Swawa war Walküre nach wie vor. Hedin war daheim bei seinem Vater Hiörward, König in Noreg. Da fuhr Hedin auf Julabend einsam heim aus dem Walde und fand ein Zauberweib. Sie ritt einen Wolf und hatte Schlangen zu Zäumen und bot dem Hedin ihre Folge. Nein, sprach er. Da sprach sie: Das sollst du mir entgelten bei Bragis Becher. Abends wurden Gelübde verheißen und der Sühneber vorgeführt, auf den die Männer die Hände legten und bei Bragis Becher Gelübde thaten. Hedin vermaß sich eines Gelübdes auf Swawa, Eilimis Tochter, seines Bruders Geliebte. Darnach gereute es ihn so sehr, daß er fortging auf wilden Stegen südlich ins Land, wo er seinen Bruder Helgi traf. Helgi sprach:


Heil dir, Hedin! was hast du zu sagen

Neuer Mären aus Noreg?

Was führte, Fürst, dich fort aus dem Lande,

Daß du allein mich aufsuchst?


Hedin.

Ein allzugroßes Unheil betraf mich:

Ich hab erkoren die Königstochter

Bei Bragis Becher: Deine Braut!


Helgi.

Klage dich nicht an! noch kann sich erfüllen,

Hedin, unser Aelgelübde.

Mich hat ein Held zum Holmgang entboten:

Da find ich den Feind in Frist dreier Nächte.

Ich werde wohl nicht wiederkehren:

So geschieht es in Güte, wenn das Schicksal will.


[139] Hedin.

Du sagtest, Helgi, Hedin wäre

Dir Gutes und großer Gaben werth.

Dir scheint schicklicher das Schwert zu röthen

Als deinen Feinden Frieden zu geben.


Jenes sprach Helgi, weil ihm sein Tod ahnte und auch, weil seine Folgegeister den Hedin aufgesucht hatten, als er das Weib den Wolf reiten sah. Alfur hieß ein König, Hrodmars Sohn, der den Helgi zum Kampf entboten hatte gen Sigarswöllr in dreier Nächte Frist. Da sprach Helgi:


Es ritt den Wolf, da rings es dunkelte,

Eine Frau, die dem Bruder ihre Folge bot.

Sie wuste wohl, es würde fallen

Sigurlinns Sohn bei Sigarswöllr.


Da geschah eine große Schlacht und Helgi empfing die Todeswunde.


Helgi sandte den Sigar, zu reiten

Hin nach Eilimis einziger Tochter:

»Bitte sie, bald bei mir zu sein,

Wenn sie den Fürsten will finden am Leben.«


Sigar sprach:

Mich hat Helgi hergesendet,

Selber zu sprechen, Swawa, mit dir.

Dich zu schauen sehn er sich, sagte der König,

Ehe den Athem der edle verhaucht.


Swawa.

Was ist mit Helgi, Hiörwards Sohne?

Hart hat das Unheil mich heimgesucht.

Wenn die See ihn schlang, das Schwert ihn fällte,

So will ich des Werthen Rächerin werden.


Sigar.

Hier fiel in der Frühe bei Frekastein

Der Edlinge edelster unter der Sonne.

Des vollen Sieges freut sich Alfur:

Nur dießmal dürft er des uns entbehren!


[140] Helgi.

Heil dir Swawa! Theile dein Herz.

Wir werden uns wieder auf der Welt nicht sehn.

Zehn Wunden fließen siehst du dem Fürsten:

Dem Herzen kam mir die Klinge zu nah.


Ich bitte dich, Swawa (Braut, weine nicht),

Willst du vernehmen was ich dir sage,

So breite meinem Bruder Hedin ein Bette

Und schlinge die Arme um den jungen Helden.


Swawa.

Das hab ich verheißen zu Munarheim,

Als Helgi der Braut die Ringe bot,

Nie wollt ich froh nach des Königs Fall

Einen andern Helden im Arme hegen.


Hedin.

Küsse mich, Swawa, ich kehre nicht wieder

Rögsheim zu sehn noch Rödulsfiöll,

Gerochen hab ich denn Hiörwards Sohn,

Der Edlinge Edelsten unter der Sonne.


Von Helgi und Swawa wird gesagt, daß sie wiedergeboren wären.

Quelle:
Die Edda. Stuttgart 1878, S. 139-141.
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