|
[119] 1. Brinnende lieb du heisser flam,
wie gar hastu mich umgeben,
Als durch ein weib mild heist jr stamm,
ohn dich mag ich nit leben,
Das edel weib, mein seel und leib,
gib ich dir gantz zu eigen,
als sie denn wol noch sehen sol,
das es die werck anzeigen.
2. Alle welt müst ehe zu scheitern gehn,
ehe denn ich sie solt meiden,
In nöten wil ich für sie ston,
und solt ich darumb leiden,
Den grimmen todt, wenns jr thut not,
dieweil ich leb auff erden,
geschicht jr not (so) in solcher zeit,
es sol gerochen werden.
3. Fein zarte fraw daran gedenck,
und las dichs nit gerewen,
Dein lieb und trew kein andern schenck,
den ich dir thu vertrawen,
Du haltest an mir, als ich an dir,
stet ewiglich wil ich halten,
so lebt kein man, der mag noch kan,
solche lieb von einander spalten.
4. Betrachte hertzlieb den ersten kuß,
den ich thet frölich wagen,
Hat als geschafft Cupiden schus,
die göttin thet mich plagen,
Durch jren pfeil, in schneller eil,
thet sie mich fast verwunden,
das klage ich dir, zu helffen mir,
damit ich würd uberwunden.
5. An mir möcht helffen sonst kein kunst
die alle artze geben,[120]
Mir brist allein dein lieb und gunst,
damit hast mir mein leben,
Wider erquickt, und mich verstrickt,
als durch dein gros zusagen,
solchs band las zu, so hab ich ruh,
und wil kein schmertzen klagen.
6. Reis nimmer ab das thuch der lieb,
damit ich bin verbunden,
In steter trew dich ewig yb,
du machst sonst frisch die wunden,
Das thet erst weh, je meh, so meh,
und würdst fast ubel beissen, (so)
verbachen ding, so schnell und ring,
auffs letzt von einander reissen.
7. Alles was ich hie gedichtet han,
dasselb gantz wol betrachte,
Hab dismal ein benügen dran,
der nam ist wider gemacht,
Denn ich zerreis, dein lieb wol weis,
wie fast du drumb thests bochen,
darumb ich dir, schenck dis dafür,
wie ich dirs hab versprochen.
Buchempfehlung
Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro