Die Geschichte von dem Ehemann und dem Papageien

[30] Ein Mann und ein Kaufmann dazu hatte ein schönes Weib gefreit, eine Frau von vollendeter Schönheit und Anmut, Lieblichkeit und Ebenmaß. Er war sehr eifersüchtig auf sie, und das hielt ihn von allen Reisen ab. Als er sich schließlich aber doch gezwungen sah, sie zu verlassen, ging er auf den Vogelmarkt und kaufte für hundert Dinare einen Papageien, den er als Wächter in sein Haus setzte, damit er ihm bei seiner Rückkehr erzählte, was während der Zeit seiner Abwesenheit geschehen war; denn der Vogel war schlau und klug, und nie vergaß er, was er gehört und gesehen hatte. Nun hatte sich sein schönes Weib in einen jungen Türken verliebt, der sie zu besuchen pflegte, und sie bewirtete ihn Tag für Tag. Als nun der Kaufmann seine Reise gemacht und sein Ziel erreicht hatte, kehrte er heim; und sofort ließ er sich den Papageien bringen und befragte ihn über das Verhalten seiner Frau, während er in der Ferne gewesen war. Sprach er: ›Dein Weib hat einen Freund, der während deiner Abwesenheit viele Stunden bei ihr verbrachte.‹ Da ging der Ehemann in heller Wut zu seiner Frau und prügelte sie so, daß jeder Leib daran genug gehabt hätte. Das Weib vermutete, eine der Sklavinnen habe dem Herrn gegenüber geschwätzt, rief sie zusammen und befragte sie auf ihren Eid; aber alle schworen, sie hätten das Geheimnis bewahrt, nur der Papagei nicht; und sie fügten hinzu: ›Und wir hörten es mit eignen Ohren.‹ Da ließ das Weib eins der Mädchen eine Mühle unter den Käfig setzen und sie mahlen, und[30] eine zweite Wasser durch das Dach des Käfigs sprengen, und eine dritte die liebe lange Nacht hindurch mit einem Spiegel aus blankem Stahl durchs Zimmer blitzen. Als nun der Ehemann, der von einem seiner Freunde bewirtet worden war, am nächsten Morgen nach Hause kam, ließ er sich wieder den Papageien bringen und fragte ihn, was geschehen sei, während er fort war. ›Verzeih mir, o mein Herr,‹ sprach der Vogel, ›ich konnte wegen des starken Regens und des Donnerns und Blitzens die ganze Nacht hindurch nichts hören noch sehen.‹ Nun war es Sommer, und so erstaunte der Herr und rief: ›Aber wir sind jetzt im Sommermond, und das ist keine Zeit für Sturm und Regen.‹ ›Doch bei Allah,‹ versetzte der Vogel, ›ich sah mit diesen meinen Augen, was meine Zunge dir sagte.‹ Da wurde der Ehemann, der den Zusammenhang nicht kannte und den Betrug nicht witterte, sehr zornig; und im Glauben, sein Weib sei zu Unrecht beschuldigt worden, streckte er die Hand aus, riß den Papageien aus dem Käfig und schleuderte ihn mit solcher Gewalt zu Boden, daß er sofort tot war. Ein paar Tage darauf gestand ihm eine der Sklavinnen die ganze Wahrheit, aber er wollte sie nicht glauben, bis er den jungen Türken, den Liebhaber seines Weibes, aus ihrem Zimmer kommen sah; da jedoch zog er das Schwert und erschlug ihn mit einem Hieb in den Nacken; und dasselbe tat er mit der Ehebrecherin; und so gingen die beiden, mit Todsünde beladen, stracks ins ewige Feuer. Nun wußte der Kaufmann, daß ihm der Papagei die Wahrheit gesagt hatte; und er trauerte schwer, als die Trauer nichts mehr fruchtete.‹ – Als nun der Minister die Worte des Königs Junan hörte, erwiderte er: ›O Monarch, hoch an Würde, und was habe ich ihm getan oder welches Übel von ihm erfahren, daß ich seinen Tod betreiben sollte? Ich täte dies nicht, außer um dir zu dienen, und bald wirst du sehen, daß ich recht hatte; und wenn du meinen Rat annimmst, so wirst du gerettet werden, und sonst wirst du vernichtet werden, genau wie der Vezier, der verräterisch an dem jungen Prinzen handelte.‹ Und der König fragte: ›Wie war das?‹ Und der Minister begann

Quelle:
Die schönsten Geschichten aus 1001 Nacht. Leipzig [1914], S. 30-31.
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