Die Geschichte des Lastträgers und der drei Damen von Bagdad

[54] Einst lebte in Bagdad ein Träger, der ledig war und sich nie verheiraten wollte. Nun geschah es, als er eines Tages müßig auf der Straße stand und sich auf seinen Lastkorb stützte, daß, siehe, vor ihn eine Dame trat, in einem Mantel von Seide aus Mosul, bestickt mit Gold und von Brokat umrändert; und auch ihre Schuhe waren mit Gold bestickt, und ihr Haar fiel in langen Flechten herab. Und sie lüftete ihren Schleier und zeigte zwei schwarze Augen, gefranst mit tiefschwarzen Wimpern, deren Blicke weich waren und sehnsuchtsvoll; und sie sprach den Lastträger an und sagte in den lieblichsten Tönen und in gewähltester Sprache: ›Nimm deinen Korb und folge mir.‹ Und der Träger war so geblendet, daß er kaum glauben konnte, recht gehört zu haben, aber er nahm in heller Hast den Korb auf die Schulter und sagte bei sich: ›O Tag des Glücks! O Tag der Gnade Allahs!‹ Und er ging ihr nach, bis sie[54] vor einem Hause stehen blieb. Und sie pochte an die Tür, und alsbald trat ein Greis zu ihr heraus, ein Nazarener1, und sie gab ihm einen Dinar und erhielt von ihm dafür, was sie an geklärtem Weine brauchte, hell wie das Öl der Olive; und vorsichtig setzte sie das Gefäß in den Korb und sagte: ›Hebe auf und folge.‹ Sprach der Träger: ›Dies ist wahrlich, bei Allah, ein gesegneter Tag, ein Tag des Gewährens in allem, was man sich nur wünscht.‹ Und er hob den Korb auf die Schulter und folgte ihr, bis sie vor dem Laden eines Fruchthändlers stehen blieb, von dem sie syrische Äpfel kaufte, und osmanische Quitten und Pfirsiche aus Oman, Gurken vom Nil, und ägyptische Limonen und Sultaniorangen und Zitronen; und Jasmin aus Aleppo dazu, und duftende Myrtenbeeren, und Hennablüten und Kamillen, blutrote Anemonen, Veilchen und Granaten, Hagebutten und Narzissen; und das Ganze tat sie dem Träger in den Korb und sagte: ›Nimm das auf.‹ So hob er den Korb und folgte ihr, bis sie vor einer Schlächterbude stehen blieb und sagte: ›Schlag mir zehn Pfund Fleisch ab.‹ Und sie zahlte den Preis, und er wickelte es in ein Bananenblatt, und sie legte es in den Korb und sagte: ›Nimm es auf, o Träger.‹ Und er hob den Korb und folgte ihr, als sie weiterging, bis sie zu einem Gewürzkrämer kamen, wo sie trockene Früchte kaufte und Pistazienkerne, Tihamahtrauben, schalige Mandeln und alles, was zum Dessert gehört; und dann sprach sie zu dem Träger: ›Nimm es auf und folge mir.‹ So nahm er seinen Korb auf und folgte ihr, bis sie Halt machte bei einem Zuckerbäcker; und sie kaufte eine irdene Schüssel und häufte darauf allerlei Süßigkeiten aus dem Laden, durchbrochene Torten und Backwerk, duftend nach Moschus, und Seifenkuchen und Zitronenbrote und Melonenkonfitüren, und Zainabskämme und Damenfinger und alle erdenklichen Süßigkeiten; und stellte die Schüssel dem Träger in den Korb. Da sprach er (denn er war ein lustiger Mann): ›Das hättest du mir sagen sollen, und ich hätte ein Pferd mitgebracht oder ein Kamel, um all diese Waren zu tragen.‹ Sie lächelte und gab ihm einen kleinen Schlag auf den Schädel und sagte: ›Werde nicht ausfällig und übermütig in Worten,[55] denn (so Allah will!) soll es dir an Lohn nicht mangeln.‹ Und sie machte Halt bei einem Händler von Parfümerien; und sie nahm von ihm zehn verschiedene Wasser: Rosenwasser, mit Moschus versetzt, Orangenblütenwasser, Wasserlilien-, Weidenblüten- und Veilchenwasser, und noch fünf andere Arten. Und sie kaufte auch zwei Zuckerlaibe, eine Flasche zum Zerstäuben, ein Stück Weihrauch, Aloenholz, grauen Amber und Moschus und Kerzen aus Wachs von Alexandria; und das Ganze legte sie in den Korb und sagte: ›Nimm deinen Korb und folge mir!‹ Er tat es und folgte ihr, bis sie bei einem Grünkramhändler stehen blieb, von dem sie gesalzene Safranblätter und Oliven kaufte, in Lake und Öl; und Schlangenkraut und Rahmkäse und harten syrischen Käse; und sie verstaute alles in den Korb und sagte zu dem Träger: ›Nimm deinen Korb und folge mir!‹ Und er tat es und ging ihr nach, bis sie zu einem schönen Hause kam, vor dem ein geräumiger Hof lag, einem großen prachtvollen Bau, dem Säulen Kraft und Anmut liehen; und das Tor hatte zwei Flügel aus Ebenholz, eingelegt mit Platten roten Goldes. Die Dame blieb am Eingang stehen und schob ihren Schleier beiseite und klopfte leise mit den Knöcheln; und der Träger stand hinter ihr und dachte an nichts als an ihre Schönheit und Lieblichkeit. Und dann ging die Tür auf, und beide Flügel schlugen zurück, und er spähte aus, wer sie geöffnet hätte; und siehe, es war eine Dame von stattlicher Figur, etwa fünf Fuß hoch, ein Muster an Schönheit und Lieblichkeit, Glanz und Ebenmaß und vollkommener Anmut. Ihre Stirn war blütenweiß; ihre Wange hellrot wie die Anemone; ihre Augen waren die der wilden Färse oder der Gazelle, und ihre Brauen wie die Sichel des Mondes, und ihr Mund war der Ring Sulaimans, ihre Lippen korallenrot, und ihre Zähne wie eine Schnur von Perlen oder Blättern der Kamillenblüte, und ihr Hals erinnerte an den der Antilope. Und als der Träger sie sah, war sein Verstand gefangen, und seine Sinne wurden bestürmt, so daß ihm der Korb fast vom Kopfe fiel, und er sprach bei sich: ›Nie sah ich einen gesegneteren Tag als diesen!‹ Und die Pförtnerin sprach zu der Einkäuferin: ›Tritt ein vom Tor und befreie den Armen von seiner Last!‹ Und die Einkäuferin trat ein, und[56] die Pförtnerin folgte ihr und der Träger auch; und sie gingen weiter, bis sie zu einer geräumigen Halle kamen, die mit wunderbarer Geschicklichkeit erbaut war, und verziert mit allerlei Farben und Schnitzereien; mit Balkonen und Kreuzgewölben und Galerien und Schränken und Nischen, vor denen Vorhänge hingen. Und in der Mitte stand ein großes Becken voll Wasser um einen schönen Brunnen, und am oberen Ende, auf der erhöhten Estrade, stand ein Lager aus Wacholderholz, besetzt mit Edelsteinen und Perlen, mit einem Thronhimmel gleich Moskitonetzen aus rotem Seidensatin, der mit Perlen aufgesteckt war, so groß wie Haselnüsse, und größer noch. Und dort saß eine Dame, hell von Angesicht, und ihre Stirne strahlte Glanz, der Traum der Weisheit, deren Augen gebildet waren mit der Zauberkunst von Babylon, und ihre Brauen waren gewölbt wie Bogen, und ihre Gestalt war aufrecht wie ein I, und ihr Gesicht beschämte den Glanz der Mittagssonne. Und die dritte Dame stand auf von dem Lager und trat vor mit anmutig wiegendem Gang, bis sie die Mitte des Saales erreichte, und sagte zu ihren Schwestern: ›Was steht ihr da? Nehmt die Last von des Armen Haupt!‹ Da kam die Einkäuferin und trat vor ihn hin, und die Pförtnerin trat hinter ihn, und die dritte half ihnen beiden, und sie hoben die Last von des Trägers Kopf und leerten den Korb und legten alles an seinen Ort. Und schließlich gaben sie ihm zwei Dinare und sagten: ›Zieh deines Weges, o Träger!‹

Aber er ging nicht, denn er stand da und sah die Damen an und bewunderte ihre ungewöhnliche Schönheit und ihr anmutiges Benehmen und ihre Freundlichkeit (nie sah er größere); und er spähte aufmerksam nach den Vorräten aus an Wein und süßduftenden Blumen und Früchten und anderen Dingen. Und er staunte in äußerstem Staunen, vor allem, weil er keinen Mann im Saale sah, und zögerte mit dem Gehen; da sprach die älteste der Damen: ›Was fehlt dir, daß du nicht gehest? Ist dir vielleicht der Lohn zu gering?‹ Und sie wandte sich zu ihrer Schwester, der Einkäuferin, und sagte: ›Gib ihm noch einen Dinar!‹ Und der Träger erwiderte: ›Bei Allah, Herrin, es ist mir nicht um den Lohn; man gibt mir nie mehr als zwei Dirhems2; aber wahrlich, Herz und Seele sind mir[57] mit euch und eurer Umgebung beschäftigt. Ich staune, euch einsam zu sehen, und ohne einen Mann um euch und ohne eine Seele, die euch Gesellschaft leiste. Ihr seid drei, und es fehlt euch ein vierter, der vernünftig und klug ist, scharf von Witz und fähig, sorgsam reinen Mund zu halten.‹ Und seine Worte freuten und vergnügten sie sehr; und sie lachten über ihn und sagten: ›Und wer soll uns dessen versichern? Wir sind Jungfrauen, und wir fürchten uns, unser Geheimnis jemandem zu vertrauen, der es nicht bewahrt, denn wir haben in einer Chronik die Zeilen des Dichters Ibn al-Sumam gelesen:


Halte fest dein Geheimnis und sage es niemand – Verloren ist ein Geheimnis, ward es erst einmal offenbart;

Und kann deine Brust das Geheimnis nicht bergen – Wie hoffst du, daß eines anderen Brust es bewahrt?


Als aber der Träger diese Worte hörte, erwiderte er: ›Bei eurem Leben! Ich bin ein Mann von Verstand und Verläßlichkeit, und ich habe Bücher gelesen und manche Chronik studiert; ich zeige, was recht ist; und berge, was schlecht ist; und handle, wie es der Dichter anrät:


Nur der Kluge bewahrt ein Geheimnis – Der Kluge bewahrt es unentsiegelt;

Mir ist es wie ein verschlossenes Haus – Ohne Schlüssel die Schlösser, die Türen verriegelt.


Und als die Mädchen seine Verse hörten, und all die Dichterworte, die er an sie richtete, da sagten sie: ›Du weißt, wir haben für diesen Bau all unser Geld verbraucht. Nun sage, hast du uns für unsere Bewirtung etwas zu bieten? Denn wahrlich, wir werden dich nicht in unserer Gesellschaft sitzen und an unserem Nachtmahl teilnehmen und uns in die schönen und seltenen Gesichter blicken lassen, ohne daß du uns eine runde Summe zahlst.‹ Und die Pförtnerin fügte hinzu: ›Bringst du etwas, so bist du etwas; bringst du nichts, hinweg mit dir, so bist du nichts‹; aber da legte sich die Einkäuferin ins Mittel und sagte: ›Nein, o meine Schwestern, spottet nicht länger, denn, bei Allah, er hat uns heute nicht im Stich gelassen, und wäre er anders gewesen, er hätte nie mit mir Geduld gehabt. Was er[58] also auch spende in unsere Hände, ich nehme es auf mich.‹ Und in übergroßer Freude küßte er vor ihr den Boden und dankte ihr und sprach: ›Bei Allah, dies Geld ist die erste Frucht, die mir der Tag getragen hat.‹ Und als sie das hörten, sagten sie: ›Setze dich und sei uns willkommen‹, und die älteste fügte hinzu: ›Bei Allah, wir können dich nur unter einer Bedingung bei uns behalten, und zwar unter der, daß du keine Frage stellst über Dinge, die dich nichts angehn, und auf Ungehorsam steht die Peitsche.‹ Und der Träger versetzte: ›Einverstanden, o meine Herrin, auf meinem Haupt und meinen Augen sei es! Sehet, ich bin stumm und habe keine Zunge‹. Da erhob sich die Einkäuferin, schnallte sich den Gürtel fester und stellte den Tisch bei dem Brunnen auf; und sie stellte die Blumen und süßen Kräuter in ihre Krüge, und sie klärte den Wein und ordnete die Flaschen in Reihen und machte alles bereit. Und dann setzte sie sich, sie mit ihren Schwestern, und sie setzten den Träger, der sich immer noch im Traume wähnte, mitten unter sich; und sie nahm die Weinkaraffe und schenkte den ersten Becher voll und trank ihn aus, und ebenso einen zweiten und dritten. Und dann füllte sie einen vierten Becher und reichte ihn einer ihrer Schwestern, und schließlich füllte sie eine Schale und reichte sie dem Träger. Und er nahm die Schale in die Hand und dankte mit tiefer Verbeugung, und küßte ihnen die Hände und trank, und war trunken und saß und schwankte von Seite zu Seite. Dann füllte die Einkäuferin den Becher und gab ihn der Pförtnerin, die ihn ihr aus der Hand nahm, dankte und trank. Und wiederum schenkte sie ein und reichte der ältesten Dame, die auf dem Lager saß, und füllte ein drittesmal und reichte dem Träger.


Hier! Hier! Bei Allah, hier! – Becher der Süße, schnell!

Fülle die Schale bis zum Rand – Ich spüre des Lebens Quell.


Und der Träger stand auf vor der Herrin des Hauses und sagte: ›O Herrin, ich bin dein Sklave, dein Mameluck, dein weißer Knecht, dein Höriger‹. Sie aber sagte: ›Trinke; und Gesundheit und Glück seien im Gefolge deines Trunkes.‹ Und sie hörten nicht auf, zu trinken (und mit ihnen der Träger) und zu tanzen und zu lachen und Verse zu sprechen und Balladen und Ritornelle zu singen, bis ihnen[59] der Wein zu Kopfe stieg und ihnen die Sinne verdunkelte. Und sie lachten, bis sie auf den Rücken fielen, und zechten von neuem und hörten nicht auf, bis die Nacht hereinbrach.

Da sagten sie zu dem Träger: ›Bismillah, Gebieter, auf und fort mit deinen traurigen alten Schuhen; wende dein Gesicht und zeige uns die Breite deines Rückens!‹ Doch er sprach: ›Bei Allah, ich könnte mich leichter von meiner Seele trennen als von euch: kommt, laßt uns die Nacht an den Tag anknüpfen, und morgen wollen wir in der Frühe ein jeder des eigenen Weges ziehen.‹ ›Bei meinem Leben,‹ sagte die Einkäuferin, ›laßt ihn bei uns bleiben, damit wir über ihn lachen können; wir können unser Leben leben und treffen nie seinesgleichen, denn wahrlich, er ist ein lustiger Schelm und ein witziger.‹ So sagten sie: ›Du darfst die Nacht nur unter der Bedingung bei uns bleiben, daß du dich unseren Befehlen fügst und daß du, was du auch sehest, keine Fragen stellst, noch nach den Gründen forschest.‹ ›Schön‹, erwiderte er, und sie sagten: ›Geh hin und lies die Inschrift über der Tür.‹ So stand er auf und ging zum Eingang und fand dort in goldgemalten Lettern die Worte geschrieben: Wer da redet von dem, was ihn nichts angeht, soll hören, was ihm nicht angenehm ist! Und der Träger sagte: ›Seid ihr Zeugen gegen mich, daß ich nicht reden will über das, was mich nichts angeht.‹ Da stand die Einkäuferin auf und setzte ihnen zu essen vor, und sie aßen; und dann verließen sie den Saal und gingen in einen andern, und sie entzündete die Lampen und Kerzen und verbrannte Amber und Aloenholz, und trug frische Früchte auf und Schalen für den Wein, und sie begannen zu zechen und zu reden. Und sie hörten nicht auf zu essen und zu trinken und zu plaudern und trockene Früchte zu nagen und zu lachen und zu scherzen, eine volle Stunde lang; da aber, siehe, ertönte ein Klopfen an der Türe. Und das Klopfen störte ihre Geselligkeit in keiner Weise; nur stand eine auf und ging hin, um nachzusehen, was es sei; und sie kehrte alsbald zurück und sagte: ›Wahrlich, unser Vergnügen soll heute nacht vollkommen werden.‹ ›Und wie?‹ fragten sie; und sie erwiderte: ›Am Tore stehen drei persische Bettelmönche, Bart und Haar und Augenbrauen beschnitten, und alle drei blind[60] auf dem linken Auge – und das ist wahrlich ein seltsamer Zufall. Und sie tragen sichtlich die Spuren der Reise auf ihrem Leibe; sie sind gerade nach Bagdad gekommen, und dies ist ihr erster Besuch in unserer Stadt; und daß sie an unsrer Türe klopften, geschah nur, weil sie nicht Unterkunft fanden. Ja, einer von ihnen sagte zu mir: ›Vielleicht wird uns der Besitzer dieses Hauses den Schlüssel zu seinem Stalle geben, oder zu einem Nebengebäude, darinnen wir die Nacht verbringen können‹; denn der Abend hatte sie überrascht, und da sie Fremde im Lande waren, so wußten sie niemanden, der ihnen Obdach geben würde; und, o meine Schwestern, ein jeder von ihnen ist auf seine Art ein komischer Schelm; und wenn wir sie einlassen, werden wir Stoff zum Lachen finden.‹ Und sie ließ nicht ab zu bitten, bis sie zu ihr sagten: ›Laß sie ein und erlege ihnen die Bedingung auf, daß sie nicht reden von dem, was sie nichts angeht, damit sie nicht hören, was ihnen nicht angenehm ist.‹ Da freute sie sich und ging zur Tür und kehrte alsbald mit den drei Einäugigen zurück, deren Bärte glatt beschnitten waren. Und sie sprachen das Salam und blieben aus Ehrfurcht abseits stehen; aber die drei Damen standen auf und hießen sie willkommen und wünschten ihnen Freude zu sicherer Ankunft und hießen sie sich setzen. Und die Mönche sahen sich um im Saal und sahen, daß es ein heiterer Raum war, sauber gefegt und mit Blumen geschmückt; und die Lampen brannten, und der Rauch der Räucherwaren wirbelte in der Luft; und beim Dessert und den Früchten und dem Wein saßen drei schöne Mädchen; und so riefen sie wie mit einer Stimme: ›Vortrefflich, bei Allah!‹ Und sie wandten sich zu dem Träger und sahen, daß er ein lustiger Wicht war, wenn auch nicht mehr ganz nüchtern. Da nachmen sie an, er sei einer von den ihren, und riefen: ›Ein Bettelmönch wie wir! Ein Araber oder ein Fremder.‹ Als aber der Träger diese Worte hörte, stand er auf, durchbohrte sie wild mit den Blicken und sagte: ›Sitzet still und überhebt euch nicht in Worten! Habt ihr nicht gelesen, was über der Türe geschrieben steht? Wahrlich, es steht euch nicht an, die ihr wie Bettler zu uns kommt, auf uns zu sticheln.‹ ›Wir bitten dich um Verzeihung, o Fakir3,‹ erwiderten sie, ›und[61] unser Kopf liegt in deiner Hand.‹ Und die Damen lachten von Herzen über den Zank; und sie stifteten Frieden zwischen dem Träger und den Bettelmönchen und setzten den neuen Gästen Speise vor, und sie aßen. Und so saßen sie beisammen, und die Pförtnerin gab ihnen zu trinken; und als der Becher lustig kreiste, sagte der Träger zu den Bettlern: ›Und ihr, meine Brüder, habt ihr denn keine Geschichte und kein seltenes Abenteuer erlebt, damit ihr uns unterhalten könntet?‹ Da ihnen aber bereits der Wein zu Kopfe gestiegen war, so riefen sie nach Musikinstrumenten; und die Pförtnerin brachte ihnen ein Tamburin aus Mossul und eine Laute aus Irak und eine persische Harfe; und jeder der Bettler nahm eines der Instrumente und stimmte es, der eine das Tamburin, und die beiden andern die Laute und die Harfe; und sie spielten eine lustige Melodie, und die Damen sangen so kräftig dazu, daß die Versammlung recht lärmend wurde. Und als sie so ihr Wesen trieben, siehe, da pochte es an die Türe, und die Pförtnerin ging hin, um nachzusehen, was es gäbe.

Nun war der Anlaß dieses Klopfens dieser: Der Kalif, Harun al-Raschid4 war ausgezogen aus seinem Palast, wie er es hin und wieder tat, um sich in der Stadt zu erheitern und um zu hören und zu sehen, was sich Neues regte; und er war in der Verkleidung eines Kaufmanns, und bei ihm waren Dscha'afar, sein Vezier, und Masrur, der Träger des Schwertes seiner Rache. Und als sie die Stadt durchzogen, führte ihr Weg sie auch zum Hause der drei Damen; und dort hörten sie den Lärm der Musik und des Singens und der Lustigkeit; und der Kalif sprach zu Dscha'afar: ›Ich möchte eintreten in dies Haus und diese Lieder hören, und sehen, wer sie singt.‹ Sprach Dscha'afar: ›O Fürst der Gläubigen; diese Leute sind sicher vom Weine trunken, und ich fürchte ein Unheil, wenn wir uns unter sie setzen.‹ ›Es hilft nichts, ich muß hinein,‹ versetzte der Kalif, ›und ich wünsche, daß du einen Vorwand findest.‹ Und Dscha'afar erwiderte: ›Ich höre und gehorche‹; und er pochte an die Tür. Und die Pförtnerin kam heraus[62] und öffnete. Dscha'afar aber trat hervor und küßte vor ihr den Boden und sagte: ›O hohe Dame, wir sind Kaufleute aus der Stadt Tiberias, und wir kamen an in Bagdad vor zehn Tagen; und wir stiegen ab im Khan5 der Kaufleute und verkauften all unsre Waren. Nun lud uns heute abend ein Händler ein zu einem Gastmahl; und wir kamen in sein Haus, und er setzte uns Speise vor, und wir aßen; und dann saßen wir noch etwa eine Stunde mit ihm beim Weine und Trunk, bis er uns Abschied bot; so gingen wir von ihm im Schatten der Nacht, und da wir Fremde sind, so fanden wir den Weg zu unserm Khan nicht zurück. So werdet vielleicht ihr in eurer Güte und Höflichkeit uns erlauben, daß wir die Nacht bei euch verziehen; und euch vergelte der Himmel!‹ Und die Pförtnerin blickte sie an und sah, daß sie wie Kaufleute gekleidet und Männer waren von ernstem und tüchtigem Aussehn; und sie kehrte zu ihren Schwestern zurück und erzählte ihnen Dscha'afars Geschichte; und sie hatten Mitleid mit den Fremden und sagten zu ihr: ›Laß sie herein.‹ Als aber sie die Tür von neuem auftat, fragten sie: ›Haben wir deine Erlaubnis und dürfen wir eintreten?‹ ›Kommt herein‹, erwiderte sie; und der Kalif trat ein, und ihm folgten Dscha'afar und Masrur; und als die Mädchen sie sahen, standen sie auf und hießen sie sich setzen und sorgten für sie und sagten: ›Willkommen; und Freude den Gästen, doch nur unter einer Bedingung.‹ ›Und die ist?‹ fragten sie, und eine der Damen erwiderte: ›Redet von dem nicht, was euch nichts angeht, daß ihr nicht höret, was euch nicht angenehm ist.‹ ›Gut‹, sagten sie, und setzten sich zum Wein und tranken tüchtig. Da hob der Kalif den Blick auf die drei Bettelmönche, und als er sah, daß sie einer und alle blind waren auf dem linken Auge, staunte er ob des Anblicks; und er sah auf die Mädchen und erschrak und staunte in höchstem Staunen über ihre Schönheit und Lieblichkeit. Und sie fuhren fort zu zechen und sich zu unterhalten, und sagten zu dem Kalifen: ›Trinke‹; doch er erwiderte: ›Ich bin ein Pilger‹; und er rückte ab vom Wein. Da stand die Pförtnerin auf und breitete vor ihm ein Tischtuch aus, gewirkt mit Gold, und stellte darauf eine irdene Schale, in die sie Weidenblütenwasser goß, und tat hinein[63] ein Häufchen Schnee und einen Löffel von Zuckerkand. Und der Kalif dankte ihr und sprach zu sich selber: ›Bei Allah, ich will ihr die gute Tat, die sie getan hat, morgen vergelten.‹ Die andern aber begannen von neuem, sich zu unterhalten und zu zechen; und als der Wein Gewalt gewann über sie, stand die älteste Dame, die das Haus beherrschte, auf, verbeugte sich vor ihnen, nahm die Einkäuferin bei der Hand und sagte: ›Steh auf, meine Schwester, und laß uns tun, was unsere Pflicht ist.‹ Und beide versetzten: ›Gewiß!‹ Und die Pförtnerin stand auf und trug Geschirr und Reste des Gastmahls ab erneuerte die Pastillen und räumte die Mitte des Saals. Und sie wies den Bettelmönchen auf einem Sofa zur Seite der Estrade Platz an, und dem Kalifen und Dscha'afar und Masrur auf der andern Seite des Saals; und sie rief den Träger und sagte: ›Wie gering ist deine Höflichkeit! Bist du ein Fremder? Du gehörst zum Hause.‹ Und er stand auf und schnallte sich den Gürtel fester und fragte: ›Was soll ich tun?‹ Und sie erwiderte: ›Bleib stehen auf deinem Platze.‹ Und die Einkäuferin stand auf und setzte mitten in den Saal einen niedrigen Stuhl und öffnete eine Kammer und rief dem Träger zu: ›Komm, hilf mir.‹ So ging er hin und half ihr und sah zwei schwarze Hündinnen mit Ketten um den Hals; und sie sagte zu ihm: ›Die halte‹; und er nahm sie und führte sie mitten in den Saal. Da stand die Herrin des Hauses auf und schob sich die Ärmel bis über die Handgelenke empor, ergriff eine Geißel und sprach zu dem Träger: ›Bringe eine der Hündinnen her!‹ Und er brachte sie, indem er sie an der Kette schleppte, und die Hündin weinte und schüttelte gegen die Dame den Kopf; sie aber fiel mit Prügeln über sie her; und die Hündin heulte, und die Dame hörte zu schlagen nicht auf, bis ihr der Arm versagte. Dann aber warf sie die Geißel fort und drückte das Tier an die Brust und wischte ihm mit der Hand die Tränen ab und küßte ihm den Kopf. Und sie sprach zu dem Träger: ›Nimm sie fort und bringe die zweite!‹ Und als er die zweite Hündin gebracht hatte, tat sie mit ihr wie mit der andern. Dem Kalifen aber rührte sich das Herz ob dieses grausamen Tuns; ihm wurde die Brust zu eng, und er verlor die Geduld, so sehr verlangte es ihn, zu erfahren, weshalb die Hündinnen[64] so geschlagen wurden. Und er warf Dscha'afar einen Blick zu, da er ihn zu fragen wünschte, aber der Vezier wandte sich herum und sagte durch Zeichen: ›Schweige!‹ Da sprach die Pförtnerin zu der Herrin des Hauses: ›O Herrin, geh an deinen Platz, daß auch ich meine Pflicht tun kann.‹ Und sie erwiderte: ›Gewiß‹; und sie nahm Platz auf dem Lager aus Wacholderholz, das belegt war mit Gold und Silber, und sagte zu der Pförtnerin und der Einkäuferin: ›Nun tut, was ihr zu tun habt.‹ Da setzte die Pförtnerin sich auf einen niedrigen Schemel zur Seite des Lagers; und die Einkäuferin trat in eine Kammer und holte einen Beutel hervor aus Satin, mit grünen Fransen und zwei goldenen Troddeln. Und sie trat vor die Pförtnerin, schüttelte den Beutel und zog daraus hervor eine Laute; und sie stimmte sie, indem sie die Wirbel drehte; und als sie gestimmt war, sang sie zu ihr die Verse von dem ersten Glück der Liebenden. Und als das Mädchen diese Verse hörte, rief sie: ›Wehe! Wehe!‹ Und sie zerriß ihr Gewand und fiel in Ohnmacht zu Boden; und der Kalif sah Narben der Palmrute auf ihrem Rücken und Peitschenstriemen; und er staunte in höchstem Staunen. Da stand die Pförtnerin auf und sprengte Wasser über sie und brachte ihr ein neues und sehr schönes Gewand und legte es ihr an. Als aber die Gäste all das sahen, wurde ihnen wirr, denn sie ahnten nicht, wie es zusammenhing; so sagte der Kalif zu Dscha'afar: ›Sahst du nicht die Wunden auf dem Leibe des Mädchens? Ich kann nicht Schweigen bewahren noch ruhig sein, bis ich die Wahrheit über sie erfahren habe, und über die Geschichte dieses andern Mädchens und das Geheimnis der beiden schwarzen Hündinnen.‹ Aber Dscha'afar versetzte: ›O hoher Herr, sie machten es zur Bedingung, daß wir nicht fragen sollten nach dem, was uns nichts angeht, damit wir nicht hören, was uns nicht angenehm ist.‹ Da sprach die Pförtnerin: ›Bei Allah, meine Schwester, komm zu mir und vollende deinen Dienst.‹ Versetzte die Einkäuferin: ›Mit Freude und großer Lust‹; so nahm sie die Laute und lehnte sie an ihre Brust und strich mit den Fingerspitzen über die Saiten und sang wieder von der Liebe und von der Sehnsucht der Liebenden. Als nun die Pförtnerin ihr zweites Lied hörte, schrie sie laut auf und sagte: ›Bei Allah, es ist[65] gut!‹ und sie legte die Hand an ihre Gewänder und zerriß sie wie das erstemal und fiel in Ohnmacht zu Boden. Und die Einkäuferin brachte ihr wieder ein neues Gewand, nachdem sie sie mit Wasser besprengt hatte. Und sie erholte sich und setzte sich auf und sagte zu ihrer Schwester, der Einkäuferin: ›Fahre fort und hilf mir in meiner Pflicht, denn jetzt bleibt nur noch das eine Lied.‹ Und von neuem nahm die Einkäuferin die Laute zur Hand und begann das Lied zu singen von der Trennung und vom Schmerz der Harrenden.

Als aber die Pförtnerin dies dritte Lied hörte, schrie sie laut; und sie legte Hand an ihre Kleider und zerriß sie bis hinab zum Saum; und zum drittenmal fiel sie in Ohnmacht zu Boden, und wieder zeigte sie die Narben der Geißel. Da sagte einer der drei Bettelmönche: ›Wollte der Himmel, wir hätten dies Haus nie betreten und lieber in den Schutthaufen draußen vor der Stadt genächtigt! Denn wahrlich, unser Besuch wird durch manchen Anblick gestört, der das Herz zerreißt.‹ Und der Kalif wandte sich zu ihnen und fragte: ›Weshalb?‹ und sie erwiderten: ›All dies beunruhigt uns sehr.‹ Sprach der Kalif: ›Seid ihr denn nicht vom Hause?‹ und sie: ›Nein; noch auch sahn wir je vor dieser Stunde diesen Raum.‹ Da staunte der Kalif und sagte: ›Der, der dort bei euch sitzt, kennt nicht vielleicht der das Geheimnis?‹ und er winkte dem Träger und gab ihm Zeichen. Und sie befragten ihn, und er erwiderte: ›Bei Allahs Allmacht, in der Liebe sind alle gleich! Ich bin ein Gewächs dieser Stadt, doch nie, seit ich geboren wurde, habe ich bis zum heutigen Tage diese Türen verdunkelt, und wie ich zu ihnen kam, das ist eine seltsame Geschichte.‹ ›Bei Allah,‹ versetzten sie, ›wir hielten dich für einen von ihnen, und wir sehen, du bist wie wir.‹ Sprach der Kalif: ›Wir sind sieben Männer, und sie nur drei Frauen und haben nicht einmal eine vierte zu ihrer Hilfe; drum laßt sie uns nach ihrem Schicksal fragen; und geben sie uns keine Antwort, so werden wir uns mit Gewalt die Antwort erzwingen.‹ Und alle stimmten ihm bei außer Dscha'afar; der aber sagte: ›Das ist nicht meine Ansicht; laß sie; denn sind wir nicht ihre Gäste, und schlossen wir nicht Vertrag mit ihnen, und nahmen ihre Bedingung an, und versprachen sie zu halten? Drum ist es besser, wir schweigen; und da nur noch[66] wenig der Nacht verbleibt, so mag ein jeder von uns seines eigenen Weges ziehen.‹ Und er winkte dem Kalifen und flüsterte ihm zu: ›Es bleibt nur noch eine Stunde der Dunkelheit, und ich kann sie morgen vor dich bringen, da kannst du sie über alles in Ruhe befragen.‹ Hochfahrend aber hob der Kalif den Kopf und rief erzürnt: ›Meine Sehnsucht, von ihnen zu hören, kennt keine Geduld; die Mönche mögen sie alsbald befragen.‹ Sprach Dscha'afar: ›Dies ist nicht mein Rat.‹ Und es kam zu heftigen Worten, und ein Wort gab das andere; und sie stritten, wer die erste Frage stellen sollte; schließlich aber einigten sie sich auf den Träger.

Und als das Streiten lauter wurde, merkte es die Herrin des Hauses von ihm und fragte: ›Ihr Leute, worüber redet ihr so laut?‹ Und der Träger stand auf und sagte: ›O meine Herrin, deine Gäste hier wünschen sehr, daß du sie mit der Geschichte der zwei Hündinnen bekannt machst, und weshalb du sie so grausam züchtigest; und dann weinest du über sie und küssest sie; und schließlich wollen sie die Geschichte deiner Schwester hören, und weshalb sie wie ein Mann mit Palmenruten gegeißelt wurde. Das sind die Fragen, die sie mir aufgetragen haben, und Friede sei mit dir!‹ Da sprach sie, die die Herrin des Hauses war, zu den Gästen: ›Ist dies wahr, was er für euch sagt?‹ und alle erwiderten: ›Ja‹; nur Dscha'afar bewahrte Schweigen. Und als sie das hörte, rief sie: ›Bei Allah, o unsere Gäste, ihr habt uns die ärgste Kränkung angetan; denn als ihr zu uns kamet, machten wir euch zur Bedingung, wer immer rede von dem, was ihn nichts angeht, der solle hören, was ihm nicht angenehm ist. Genügt es euch nicht, daß wir euch ins Haus aufnahmen und euch mit dem Besten bewirteten? Aber die Schuld ist nicht so sehr euer wie der, die euch einließ.‹ Und sie schob sich die Ärmel hinauf und schlug mit der Hand dreimal auf den Boden und rief: ›Kommt schnell herbei!‹ und siehe, eine Kammertür tat sich auf, und heraus traten sieben Negersklaven mit dem gezogenen Schwert in der Hand, und sie sagte zu ihnen: ›Fesselt mir die Ellbogen dieser Schwätzer und bindet sie Rücken an Rücken!‹ Und sie taten es und fragten: ›O Verschleierte, Tugendreiche, ist es dein hoher Befehl, daß wir ihre Köpfe ab schlagen?‹ Doch sie versetzte: ›Wartet noch[67] eine Weile, daß ich sie frage, wer sie sind, ehe ihr Nacken das Schwert verspürt.‹ ›Bei Allah, o Herrin,‹ rief da der Träger, ›erschlage mich nicht für anderer Sünde; all diese fehlten und verdienen die Strafe der Schuld, nur ich nicht. Denn, bei Allah, unsere Nacht wäre reizend gewesen, wären wir nur der Heimsuchung dieser einäugigen Bettler entgangen, deren Einzug in eine volkreiche Stadt selbst in eine heulende Wildnis verwandeln würde.‹ Als aber der Träger geendet hatte, lachte das Mädchen, trat zu den andern heran und sagte: ›Erzählt mir, wer ihr seid, denn ihr habt nur noch eine Stunde zu leben; und wäret ihr nicht Leute von Rang und vielleicht Führer eurer Stämme, so wäret ihr nicht so dreist gewesen, und ich hätte euren Tod beschleunigt.‹ Da sprach der Kalif: ›Wehe dir, o Dscha'afar, sage ihr, wer wir sind, daß wir nicht etwa erschlagen werden; und sprich mit ihr, eh uns ein Greuel befalle.‹ ›Es ist, was du verdienst,‹ versetzte der Vezier; doch der Kalif rief aus und sagte: ›Es gibt eine Zeit für witzige Worte, und eine andere für ernstes Handeln.‹ Die Herrin aber des Hauses sprach zu den drei Mönchen und sagte: ›Seid ihr Brüder?‹ und sie erwiderten: ›Nein, bei Allah, Fakire nur und Fremde.‹ Und sie sprach zu einem unter ihnen: ›Wurdest du blind geboren auf einem Auge?‹ und er sagte: ›Nein, bei Allah, es war ein wunderbares Mißgeschick, da mir das Auge ausgestoßen wurde, und meine Geschichte ist so, daß, würde sie mit Sticheln in die Augenwinkel gestichelt, sie eine Warnung wäre für jeden, der sich warnen ließe.‹ Und sie befragte den zweiten und den dritten Mönch, und beide versetzten wie der erste: ›Bei Allah, o Herrin, wir kommen ein jeder aus einem andern Lande, und wir waren alle drei die Söhne von Königen, von höchsten Fürsten, die über andere Fürsten und Hauptstädte herrschten.‹ Und sie wandte sich zu ihnen und sagte: ›Ein jeder von euch erzähle mir in gebührender Ordnung seine Geschichte und erkläre mir den Anlaß seiner Reise in unsere Stadt; und wenn uns seine Erzählung gefällt, so mag er die Hand zur Stirne heben und seines Weges ziehen.‹ Und der erste, der vortrat, war der Träger, und er sagte: ›O meine Herrin, ich bin ein Mann und ein Lastträger. Und diese Dame, die Einkäuferin, nahm meine Dienste in Anspruch, um eine[68] Last zu tragen; und sie führte mich erst zu einem Weinhändler hin, und dann zu der Bude eines Schlächters; von dort zum Stand eines Fruchthändlers; und ferner zu einem Gewürzkrämer, der auch getrocknete Früchte verkaufte, und zu einem Zuckerbäcker und einem Spezereienhändler, und von ihm hierher, wo mir widerfuhr, was mir widerfahren ist. Das ist mein Bericht, und Friede sei mit uns allen!‹ Da lachte die Dame und sagte: ›Kratz dir den Kopf und geh deines Weges!‹ Er aber rief: ›Bei Allah, ich schiebe nicht ab, ehe ich nicht die Geschichte meiner Gefährten hörte.‹ Und jetzt trat einer der Mönche vor und begann

Fußnoten

1 Christ.

2 Eine Silbermünze, etwa 80 Pfg. wert, 1/10 von einem Dinar (Goldmünze).

3 Bettelmönch.

4 Harun al-Raschid, der fünfte in der dritten Reihe der Kalifen (Abbasiden), von 786-809. Während seiner Regierung sind die Märchen der 1001 Nächte wohl erstlich zu den Arabern gekommen.

5 Herberge.


Quelle:
Die schönsten Geschichten aus 1001 Nacht. Leipzig [1914], S. 54-69.
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