[16. Kapitel]

Wie das Lalesaltz gewachsen vnd zeitig worden /vnnd es die Lalen nicht abschneiden konten.

[61] Das Saltzkraut (wie es die Lalen darfür hielten) wuchse daher blühet vnd zeitiget nit anderst / als ob es Vnkraut gewesen were / von welchem man sagt: Daß eher ein Regen darauff falle / ehe es vertärbe. In dessen begabe sichs / daß einer von der Gemein de durch die notturfft / welche den Bawrn die Nestel aufflöset /getrieben / auß eyngebung der vorigen Weyßheit /welche nicht so leichtlich zu demmen vnd zuerstecken gewesen / sonder allzeit wie ein alter Weydenbaum /so er abgestümmelt wirdt / außgeschlagen / vnd sich erzeiget hat / gedachte / es were jmmer schad / daß ein solcher Schatz / welchen er bey sich getragen /solte verlohren werden / vnd niemand zu nutze kommen. Darumb wölle er jhn viel mehr auff den Saltz Acker tragen / so komme er der gantzen Gemeynde zum besten[61] vnnd zu nutz / jedem der jhn brauchen wölte vngewehret. Welches er dann gethan / entweders guter meinung / dieweil er begeret / mit solchem seinem Kleynot den gemeinen Nutz / so vil als an jhme gelegen / jnmassen jeder thun soll / zufürdern /vnd damit nichts verlohren werde / auch das geringste Bißlin auffzuheben: oder aber etwas Danckes darfür zuempfahen vermeinet / wie der vorige Lale mit dem Hasengarn / so er der gantzen Gemeinde verehret /vnnd deßhalben / wie alt vnnd zurissen es auch gewesen / grossen Danck erlanget: in dem sie / als weise verständige Leute / so von jhrer Weißheit einen zimlichen particul hindersich behalten hetten / des Gebers Willen / Hertz vnd Gemühte / vil mehr / als die Gaabe angesehen.

Darumb eylet dieser fromme Lale behend / eylends vnd geschwind / one verzug / als fluge er darvon /auff den Acker / vnd war jhm tausent mal angst / ehe er dahin kam. Dann er besorget jmmer / er müste des gemeinen Nutzes Eynkommen fallen lassen / ehe er es dahin lieffern könte / wahin er es verordnet hette. Doch verbiß er eß so hart / daß er nichts verzettelt /biß er auff den Acker kam: da er dann nider hocket /vnd einen Marchsteyn setzet / wie die Bawren zuthun pflegen: vorauß wann die Kirschen / wie zu derselbigen zeit / wol gerhaten sind.

Als er nun sein sächlin eben gut gemacht hette /also daß er vermeint sein bestes gethan / vnd nichts dahinden gelassen / erwischet er / von vngefehr ein Hand voll des Saltzkrautes (gedenckend / der Nutz /so von jhme dahin kommen / vbertreffe den Schaden weit) dem Cuntzen Vnflat zum hindern Sternen dz Maul zuwischen / vnd die Nasen / in deren er ein lange Schrammen gehabt / außzubutzen. Aber dasselbe Kraut war so räß / in des Bauren Gsäß / es war auch so hitzig / dieweil er nicht gar witzig / daß es jhn solcher massen / in dem er das Maul zuweit auffgethan[62] / auff die Zungen brent / daß er / als ob er recht töricht were / auff vnd ab lieffe / vnd mit vollhälsiger Stimme schrye: Es ist Leckerwerck / Leckerwerck ist eß.

Doch besinnet er sich eines bessern / vnd gedachte / das Saltzkraut were vielleicht also räß / daß es jhn /nicht anderst als das Senffkraut / hette in die Augen gebissen / wölte deßnhalben der Gemeynde das Bottenbrot angewinnen. Darumb laufft er gantz eylends /damit jhm nicht jemand das Bottenbrot absteche /dem Flecken Laleburg (dann nach dem [die] Lalen angefangen Narrn zusein / wolten sie jhr Dorff nicht mehr ein Dorff heissen lassen / vnd warffen den / so es ein Dorff genennet / inn Brunnen / so er sich nicht wolte in die Fläschen lassen stossen) zu / an die grosse Glocken stürmend / damit alle Lalen zusamen kämen / vnd die gute mähr vernämen. Da sie zusamen geroßlet waren / zeiget er jhnen gantz von Frewde zitterend an / mit vermahnung frölich vnd gutes muhtes zusein / wie das Saltz schon albereit so räß were / daß es jhn auff die Zungen ins Loch gebissen habe / darauß dann abzunemmen / daß es wurde sehr gutes Saltz werden.

Hiemit beredt er die Lalen / daß sie alle zugleich mit einandern / vnd er mit jhnen / hinauß auff den Acker giengen / vnd / nach dem er wie er jme gethan an seiner rauhen Tafeln jhnen gezeiget / das jenige /so sie von jhme gesehen hetten / in aller Erbertet nachtheten: der Schultheiß vor allen andern / seine Geschwornen hernach / vnd nach jnen die andern / je nach dem einer ein kleinere oder grössere Scham hette. Vnd demnach sie alle gleichmässiges erfuhren /wurden sie sehr frohe / also daß jhrer keiner gewesen[63] /welcher nicht jetzund schon allbereit inn seinem Sinn ein mechtiger Saltzherr gewesen were.

Als aber die zeit nahe herbey kommen / daß man das auffgewachsene Saltz / damit es nicht abreisse /abschneyden / vnd eynsamlen solte / rüsteten sie sich alle / vnd bereitteten alles auffs beste vnd fleyssigste /was zu solchem vorhabenden wichtigen Werck notwendiglichen erfordert zu werden sie vermeinten. Etliche hatten sich mit Sicheln / das Saltz abzuschneyden / gfaßt gemachet: andere hatten Pferde vnd Wagen mit sich gebracht / selbiges als Hanff heym zuführen: etliche Pflegel aber hatten jre Flegel gerüst vnd hin gebracht / selbiges außzutröschen.

Wie sie aber hand anlegen / vnnd jhr gewachsen Saltz abschneyden wöllen / siehe / da war es also räß / herb vnd hitzig / daß es jhnen die Händ aller dingen verbrennet vnd verwüstet. So waren die Lalen auch nit so weit bedacht / dz sie hetten Hendschuch angezogen: dann sie vermeinten / dieweil es Summer vnd sehr heiß wer / wurde man jrer spotten / so sie sich deren gebrauchten. Etlich waren der meinung / man solte es abmäyen / wie das Graß: das widerrhieten andre / dieweil zubesorgen / der Samen möchte vielleicht abfallen. Andre meinten / es were wol gut / so man es mit einem Armbrust abschiessen könte: dieweil sie aber keine Schützen vnter jhnen gehabt / vnd sich besorgten / die Kunst käme auß / wa sie nach frembden schicken solten / bliebe solches auch vnterwegen. In summa summarum / die Lalen konten eben nicht fort kommen mit jhrem Saltz / vnd mustens auff dem Felde stehn lassen / biß das sie wie jhme zuthun bessern rhat fünden. Vnd haben sie zuvor wenig Saltz gehabt / so hatten sie jetzunder noch weniger: dann was sie nicht verbraucht / dz hatten sie versäyet: litten derowegen vbergrossen mangel an Saltz:[64] vorauß am Saltz der Weyßheit / welches bey jnen gantz dumm war worden.

Vnd hie hette sich wol bedörffen / daß etwan einer sie die Kunst gelehrt hette / wie sie solten den Schnee deß Winters hinderm Ofen dörren / vnd für Saltz gebrauchen. Welches dann auff ein zeit einer gethan /dem es doch / dieweil er dieselbige Kunst mißbrauchte / vbel außgeschlitzet / als vns die Newe Zeittungen auß der gantzen Welt / so noch nit außkommen / dessen berichten.

Was sage ich aber viel / der Lalen keiner konte wissen / die Vrsach / warumb jhr Saltz also scharff were / gedachten / dz Feld were vielleicht nicht recht gebawen gewesen / zuwenig oder zu viel / wöllen derowegen den sachen einander mal besser thun / vnd jhre Hobsewasioneß darüber halten vnd auffzeichnen. Ich zwar wuste wol / daß es brennende Nesseln weren gewesen / welche die Lalen vermeinten Saltzkraut zusein / dieweil sie also scharff gebrennet / wolt es jhnen doch nit sagen / sonder sie in jrer Thorheit lassen fürfahren: damit sie die Belohnung derselbigen empfiengen / so wol als etwan Ich vnd Du. Auch gedachte ich in meinem närrschen Kopff / es seye den Lalen eben zu muht / wie Mir vnd Dir / die wir nit wol leiden mögen / daß man vns vnsern Kolben zeige / vnnd vnsere mängel vnd fehler offenbare: oder daß ein Esel den andern Langohr nenne.[65]

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 61-66.
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