CXLVIII. Der redliche Betrug.

[321] Man sol nichts Böses thun / daß Gutes daraus erfolge / wie die H. Schrifft uns gnugsam zu verstehen gibt: In Mittelsachen aber / welche eigentlich noch böß noch gut sind / soll man allezeit das Absehen auff das Ende / und was daraus erfolgen möchte / richten /wann sonderlich Gefahr bey der Sache zu seyn scheinet. Also betrüget einen ein Artzt / in dem er ihn unter der Speise purgirende Säfte beybringet / und die Mutter ist nicht verbunden / ihren Kindern die Warheit zu sagen. Von solchem redlichen Betrug wollen wir etliche merckwürdige Beyspiele anführen und dem Leser auch in diesem wie allen andern zu beurtheilen heimgeben / ob darin recht und unverantwortlich gehandelt oder nicht. Wer urtheilt / setzet seinē Verstandt auff die Prob / und muß erwarten / daß man auch von seinem Urtheil urtheile / deßwegen Syrach recht vermahnet: Mein Sohn / sey nicht schnell zu richten / so wird es dich nicht gereuen. Ein Obrister hatte bey sich zu Prag jüngst verwichener Jahrē eine Dirne / deren Mann er hat erschiessen lassen / und sein Eheweib von sich gejagt. Diese führte er mit sich herumb / und er zeugte einen Sohn mit ihr / den er aufferziehen lassen / und zu seinem Erben einsetzen wollen. Es fügte sich aber[321] / daß er dieser Schleppen genug hatte / und sie von sich lässet / nicht sonder ihren Unwillen / weil sie alle Hoffnung / Obristin zu werden / zugleich verlohren. Diese verjagte Ehebrecherin gienge zu einer Zauberin / und bate sie umb eine Kunst den Obristen wieder zu ihr zu bringen / und ihres Willens zu machen. Die Hexe versprach solches / wann sie nur eines von seinen Haaren ihr bringen würde. Daß die Haare zu der Zauberey gebrauchet werden / ist bereit Homero bekant gewesen / der die Circe einführet / daß sie die Haare aus der Balbierstuben holen lassen / und die Jüngling an sich bracht. Nachdeme sie nun des Obristen Kammer Diener lang angelegen / er solte ihr doch die Haare seines Herrn / welche er etwan morgens in dem Kamm hinterlassen / geben; Hat doch der Kammer-Diener leichtlich erachten können / daß solche sie zu keinem guten Ende begehrte / und solches mehrmahls verweigert. Endlich hat sie ihme ein Dutzt Thaler versprochen / wann er ihr wilfahren würde. Wer kan den Adlern und Gewapneten / ich sage den Thalern und Ducaten / wiederstehen / der Kammer-Diener verspricht es / und reisset etliche Haar aus der Berenhaut / welche so schwartz waren / als seines Herren Haare: Giebt sie der Dirne / unn nimmt dargegen das Geld / welcher Betrug redlich zu nennen /weil er seinem Herrn wol gedienet / und die Jenige betrogen / welche Böses in dem Sinn hatte / und doch für allen Schaden gut zu seyn versprochen. Diese bringet nun die Haare von der Beerhaut der Zauberin /und erwartet zu Nacht des Obristen / zufolge erhaltenen Versprechens. Was die Hexe mit den Haaren gethan / ist unwissend / und wie den Frommen kein Haar ohne Gottes Willen von dem Haupt fallen kan /also hat der böse Geist Macht über der bösen Haare /und sonderlich der Huren-Hängste / wie solches beglaubt Tobias. Cap. 6. 17.[322]

Zu Nachts lage der Kammer-Diener benebens einem Edel-Knaben auf der Beerenhaut / als durch das Fenster / welches offen / ein schwartzes Gespenst hineinkommen / die Beerenhaut unter ihnen hervorgerissen / und zu dem Fenster hinausgeführet. Die Diener sind hierüber erschrocken / und haben leichtlich erachten können / daß solches nicht der Beerenhaut /sondern ihrem Obristen vermeint gewesen / welchem sie diesen Verlauf angemeldet / und ihn darnach bewogen / daß er seine gewesene Schleppe oder Feld-Weib niederschiessen lasse / sich für ihren Stücklein zu sichern. Mit den Haaren hat sich auch eine wunderliche Sache anderwerts zugetragen. Ein Handelsmann hat mit seiner Magd zugehalten / und weil er ein Wittber / verhoffte sie / er solte sie freyen / ob wol kein Ehe-Versprechen zwischen ihnen vorgegangen /und er weit zu klug war. Nach Verlauff wenig Monaten / gedencket er sich zu heurahten / und schaffet deßwegen die Dirne von sich / mit ihrem grossen Unwillen; Weil dergleichen Huren-Lieb sich in Haaß und Feindschafft zu verkehren pfleget / wie der Wein in Eßig. Diese Schleppe hatte von ihrem Herren etliche Haar mit ihr genommen / und solche unter eine Trifft eingegraben / daß der Mann an heimlichen Ohrten grosse Ungelegenheit und Schmertzen empfunden. Er klagte solches einem verständigen Artzt / und meldet / wie er gedächte sich zu heurahten / wegen dieses Zufalls aber müste ers anstehen lassen. Der Artzt gebrauchte seine Mittel / vermercket aber / daß die Sache eine Geheimnüß hätte / sagte deßwegen / er müsse andre Leute hierinnen fragen / und daß nach Paracelsi Meinung auch etliches von alten Weibern zu lernen.

Dieser offenbahrt sein Anliegen einer andern Vettel / solche Weiß-Künstlerin begehret / er solte von seiner gewesenen Magd / ihr 2 oder 3 Haare bringen / so[323] wolte / sie ihm helffen / der Kauffmann locket die Dirne wieder an sich / und bekommet die Haare von ihr / von einem solchen Orth / der am meisten dardurch hat leiden müssen. Diese Haar / sagte die Alte /müsse er in eine Eychen / auff einen Scheidweg verbergen / einen Keul darfür schlagen lassen / und weil er es nicht thun wolte / hat er solches seinem Diener anbefohlen. Es war solches auff dem Weg gegen Altdorff von Nürnberg kaum zu Werck gerichtet so kame die Dirne / und bate / er wolte doch die Schalckheit /so er ihr gethan / wieder zurücke nehmen; deßgleichen wolte sie auch thun. Hierüber erfreute sich der alte Handelsmann / liesse die Haare aus der Eichen nehmen / und kame also wieder zu recht / daß er sich verheurahtet / und die Schleppe mit einem stück Geldes von sich geschaffet. Die Lehr ist / daß man die Haare / welche unnützlich von sich geworffen werden / woll sol in Acht haben / damit sie bösen Leuten nicht in die Hände kommen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 321-324.
Lizenz:
Kategorien: