Erste Szene.

[73] Die Baumahm im Großvaterstuhl liest in einer großen Hauspostille, Rosl und Kathrein sitzen auf der Bank und spinnen abgespannt und schläfrig; wenn der Vorhang aufgeht, steigt der Bader die Holztreppe herunter.


BADER kommt unter folgendem vor und setzt sich an der Seite der Mahm. 's is recht g'scheit g'wes'n, Leutl, daß mich gleich habt's rufen lassen, nur immer rechtzeit dazuschau'n; aber da sein a paar im Ort, die sag'n: »Ja, der Bader kann auch nix geg'n die Natur, wo die nit hilft!«

MAHM. Was macht er denn, der Bruder?

BADER. Er schlaft wie 's ruhig Gewissen und morgen steht er g'sund wieder auf; geht auch schlafen, Dirndln, der Vater is außer aller G'fahr.

MAHM. Meiner Treu', bin ich froh, ich hab schon glaubt, 's müßt a Leich' ins Haus, die Totenuhr hat die ganz' Nacht in ein'm fort tickt in die Wänd'.

BADER. Dumm' Zeug, Baumahm, die Totenuhr, das sag ich Euch, is nix weiter als ein Wurm, der sein' Schädel im Holz anrennt, und bedeut' morsche Bretter und Balken, sonst nix! – Bleibt Ihr noch a Weil' auf, Baumahm?

MAHM. Solang so a Wetter is, fürcht mer sich doch.

BADER. Wißt, ich passet's auch gern ab, die Nässen kann ich nit leiden. Her hab ich müssen, von wegen dem Kranken, aber z' Haus, das is ein ander Sach;[73] da is mein Weib, die kann euch die Nässen nit leiden und zählt mir jeden Tropfen vor, wann ich heimkomm! Da sein die Dirndln da ein paar andere, brave, die sein zu mir g'laufen kommen weg'n Vater in dem Höllenwetter. Na, dafür kriegt jede amal ein' brav' Mann.

ROSL. Ja, Bader, aber ein', der sich z' Haus traut zu sein' Weib.

KATHREIN. Und wo man nit, wie heut bei Euch, schon vorm Wetter die Tropfen kann zähl'n von der Näss', was Euer Weib nit kann leiden.

BADER. Oho! Oho! Ihr meint, weil ich trink. Teixeldirn! Trinken muß unsereins, das g'hört dazu, daß 'n die Elendigkeit der Leut' nit so angreift. Ich wollt, dös Wetter wär erst vorüber.

KATHREIN. Meint's das dahoam – oder –

BADER. All' zwei!

ROSL. Geht, Mahm, macht Euer Buch zu, Ihr derbetet's doch nit, daß dös Wetter in der Bälden aus wird. Heunt wär so a Nacht für a recht a grusliche G'schicht, verzählt's eine.

KATHREIN kneipt sich in den Arm. Es is so eigen gut, wenn man a Ganshaut kriegt.

MAHM. Ös wißt's, der Bader kann die gruslichen G'schichten nit leiden.

BADER. Erzähl s' nur, Baumahm! Meinetweg'n kriegt ihr eure Gänshäute, schlechte Träum' und schiefe Ansichten, mir is's gleich.

ROSL setzt sich zurecht. So fang d' Mahm nur an.

KATHREIN. Ich paß schon drauf.

MAHM klappt die Postille zu. No, so lost's halt zu! – Es war amal a Bauer – – –

ROSL lachend. Ui je! Dös is die alt' G'schicht' vom faulen Bauern, der g'meint hat, wann er arbeit't, müßt er a wissen, für was.

KATHREIN. Geh zu, du weißt's doch nit, die Mahm meint g'wiß dö vom Bauern, der die Kuh hat am Markt g'führt, und sein zwei Spitzbub'n kämma –

MAHM schlägt auf den Tisch. Schnattert's und schnattert's, dumme Menscher, wißt's net, daß alle G'schichten[74] so anfangen? Alsdann: Es war amal a Bauer –

BADER. Pst! Horcht's auf – es kommt einer auf die Hütt zutappt!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Der Meineidbauer. Stuttgart 1959, S. 73-75.
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